Stand: 21.11.2016 16:26 Uhr

Insgesamt fast fünf Jahre Haft für Haverbeck

von Julian Feldmann

Die notorische Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck sammelt weiter Gefängnisstrafen: Das Amtsgericht Verden hat die 88-Jährige zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Dennoch bleibt die Volksverhetzerin vorerst auf freiem Fuß.

Die Rechtsextremistin Ursula Haverbeck mit ihrem Anwalt Wolfram Nahrath © NDR Foto: Julian Feldmann
Die Rechtsextremistin Ursula Haverbeck wurde erneut wegen Volksverhetzung verurteilt. Ihr Anwalt Wolfram Nahrath hatte Freispruch gefordert.

Es war ihre achte Verurteilung wegen Volksverhetzung, die vierte zu einer Haftstrafe seit November 2015. Trotz der angehäuften Einzelstrafen von insgesamt vier Jahren und elf Monaten Gefängnis, verließ Haverbeck das Amtsgericht Verden zunächst auf freiem Fuß, da die Urteile noch nicht rechtskräftig sind.

In acht Fällen hatte Haverbeck für die in Verden erscheinende rechtsextreme Zeitschrift "Stimme des Reiches" Beiträge verfasst beziehungsweise redigiert, in denen der Holocaust geleugnet wird. Eine der Ausgaben konnte das Landeskriminalamt bei einer Razzia beschlagnahmen, bevor sie an die Abonnenten verschickt werden konnte. Daher verurteilte das Verdener Schöffengericht Haverbeck letztlich wegen Volksverhetzung in sieben Fällen und einem Versuch.

Holocaust-Leugnung keine schutzwürdige Meinungsäußerung

"Sie sind keine Suchende oder Fragende", sagte Richter Christoph Neelsen in der Urteilsbegründung zu der 88-Jährigen. Vielmehr wolle sie mit ihren Äußerungen die Herrschaft der Nationalsozialisten rechtfertigen. Ihre immer wieder vorgebrachte Leugnung des Völkermordes an den Juden sei dazu geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Holocaust-Leugnung sei keine schutzwürdige Meinungsäußerung.

VIDEO: Wohltäter Hitler: Besuch bei Auschwitz-Leugnern (10 Min)

Dem Verdener Prozess lagen zwei Anklagen der Staatsanwaltschaft zugrunde. In den betreffenden Ausgaben der "Stimme des Reiches", die Panorama vorliegen, hatte Haverbeck etwa behauptet, dass Auschwitz ein Arbeitslager, jedoch kein Vernichtungslager war. Die systematische Ermordung von über einer Millionen Menschen habe es folglich nicht gegeben, so die Rechtsextremistin. Die Gaskammern seien von den Alliierten erfunden worden.

Leugnung von NS-Verbrechen

Diese von Haverbeck und anderen Nazi-Verherrlichern immer wieder aufgestellten Thesen widersprechen der seriösen Geschichtswissenschaft. Die Rechtsextremen versuchen über die Leugnung der NS-Verbrechen die mörderische Ideologie zu verharmlosen. Erklärtes Ziel ist die Schaffung eines "Vierten Reiches" in Fortsetzung des nationalsozialistischen "Dritten Reiches".

Der Bundestagsabgeordnete Stefan Schwartze (SPD) hatte schon im vergangenen Jahr gegenüber Panorama ein Verbot der "Stimme des Reiches" gefordert. Aufmachung und Autoren des Blattes erinnern stark an die bereits verbotene Zeitschrift "Stimme des Gewissens", die als Vereinsorgan des Holocaust-Leugner-Zentrums "Collegium Humanum" 2008 vom Bundesinnenministerium verboten wurde. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hatte daraufhin 2015 mehrere Exemplare der "Stimme des Reiches" indiziert und eine "Vorausindizierung" bis November diesen Jahres erlassen, sodass die Zeitschrift nicht mehr verlegt werden durfte. Nachdem diese Indizierung nun endet, soll die "Stimme des Reiches" im Dezember wieder erscheinen, kündigte Haverbeck an.

Erneute Leugnung des Holocaust

Anders als bei den drei vergangenen Prozessen konnte sich Haverbeck in Verden nicht selbst verteidigen, sondern bekam einen von ihr gewählten Pflichtverteidiger. Ihr stand der Berliner Rechtsanwalt Wolfram Nahrath zur Seite, der letzte Anführer der 1994 verbotenen "Wiking-Jugend", der Nachfolgevereinigung der "Hitlerjugend". Nahrath zählt zu den Szene-Anwälten der Rechtsextremen. Mit einem einstündigen Vortrag beantragte Nahrath die Einstellung des Verfahrens, da der Volksverhetzungsparagraph aus seiner Sicht verfassungswidrig sei. Im Letzten Wort, das Haverbeck über eine halbe Stunde zog, leugnete sie erneut den Holocaust.

Kein Gefängnis trotz vierter Verurteilung

Polizei und Besucher vor dem Gerichtsgebäude in Verden. © NDR Foto: Julian Feldmann
Polizei und Besucher vor dem Gerichtsgebäude in Verden.

Ins Gefängnis muss Haverbeck trotz der vierten Verurteilung zu einer Haftstrafe in Folge noch nicht. Sie hat Berufung gegen die Urteile aus Hamburg, Detmold und Bad Oeynhausen eingelegt und dies auch für das Verdener Urteil angekündigt. Höhere Gerichte müssen nun entscheiden, ob die Amtsrichter korrekt geurteilt haben. Terminiert sind diese Berufungsprozesse noch nicht. Bis es soweit ist wird Haverbeck weiter bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Nationalsozialismus verherrlichen und die im Holocaust ermordeten sechs Millionen Juden verhöhnen.

Als Zuschauer verfolgten rund 30 Rechtsextreme den Prozess, darunter der Verdener "Reichsbürger" Rigolf Hennig. Er steht ab nächster Woche selbst vor dem Amtsgericht, da er laut Staatsanwaltschaft zu den Herausgebern der "Stimme des Reiches" gehört. Nach dem Urteilsspruch, der mit "Pfui"-Rufen der Haverbeck-Sympathisanten kommentiert wurde, stimmten die Neonazis das "Deutschlandlied" in allen drei Strophen im Gerichtssaal an.

Unterstützung durch AfD-Rechtsaußen Björn Höcke

VIDEO: Höcke unterstützt Haverbeck (1 Min)

Derweil bekommt Haverbeck Unterstützung von Seiten der AfD. Der Thüringer Fraktionschef Björn Höcke sagte unlängst bei einer Kundgebung, "eine Seniorin" sei zu elf Monaten Haft verurteilt worden, "weil sie öffentlich einen historischen Sachverhalt leugnet". "Für die sogenannten Meinungsdelikte wandert man manchmal jahrelang in diesem freien demokratischen Rechtsstaat hinter Gitter", so der AfD-Rechtsaußen. Haverbeck hatte zuvor bereits eine Wahlempfehlung für die rechtspopulistische Partei ausgesprochen.

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 23.04.2015 | 21:45 Uhr

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