Ein Jahrhundertleben

Mittwoch, 05. Juni 2024, 21:00 bis 21:45 Uhr
Donnerstag, 06. Juni 2024, 06:35 bis 07:20 Uhr

Nach dem großen Interesse an den ersten beiden Folgen "Ein Jahrhundertleben", die am 1. und 2. Januar 2022 im NDR Fernsehen gezeigt worden sind, tauchen in zwei weiteren Dokumentationen rund 100-jährige Menschen tief in ihre Erinnerungen ein. Mit dem Blick in ihre Fotoalben lassen die acht Zeitzeuginnen und -zeugen die Zuschauenden an ihren ganz persönlichen, einschneidenden Erlebnissen und emotionalsten Momenten teilhaben.

Eine bewegende Zeitreise

Der Blick auf ihre Lebensgeschichten ist zugleich eine Reise durch die deutsche Geschichte. Wie blicken die acht unterschiedlichen Menschen auf die Vergangenheit und die Gegenwart? Was waren ihre persönlichen Glücksmomente, und was hat sie geprägt?

Eckhardt Erbguth arbeitet immer noch in seinem Atelier

Eckhardt Erbguth vor dem früheren Forsthaus Turloff © NDR
Eckhardt Erbguth vor dem früheren Forsthaus Turloff

Der 99-jährige Eckhardt Erbguth wohnt in Dabel und arbeitet immer noch in seinem Atelier. Er modelliert Frauenkörper, Tiere, Türklinken. Als Bildhauer und Maler hat er sich in Mecklenburg einen Namen gemacht. Einige seiner Kunstwerke stehen sogar im öffentlichen Raum, so seine "Handglockenspielerin" vor der Kirche in Dabel oder seine Kranich-Gruppe im Gutspark Wamckow. Geboren wurde Eckhardt Erbguth am 7. März 1923 in Züsow bei Neukloster als Sohn eines Försters und einer Hausfrau. Mit 18 Jahren wurde er Wachsoldat im Führerhauptquartier Wolfsschanze. Dort wählte man ihn aus, Hitler neue Wehrmachtsuniformen in der Nähe von Salzburg vorzuführen. Erst später erfuhr er, dass diese Vorführung für ein Attentat auf Hitler genutzt werden sollte. Doch die Bombe wurde nicht gezündet. 1953 floh Eckhardt Erbguth kurz vor seiner drohenden Verhaftung aus der DDR: Er hatte für die FDP regelmäßig Schulungsmaterial aus Westberlin geholt. Im Westen machte er Karriere beim Zoll in Münster, kaufte nach der Wende eine stillgelegte Tischlerei. Noch heute kommen jede Woche Schülerinnen und Schüler, um von dem fast 100-Jährigen zu lernen.

Weitere Informationen
Eckhardt Erbguth bei der Uniformvorführung für Hitler © privat

Eckhardt Erbguth: Eine Bombe für Hitler im Marschgepäck

Der 99-Jährige aus Dabel wäre als Soldat im Zweiten Weltkrieg fast Teil eines Attentats auf Hitler geworden. Rückblick auf ein Jahrhundertleben. mehr

Hans Helmut Killinger studiert noch täglich die Börsenkurse

Hans Helmut Killinger © NDR
Hans Helmut Killinger

Als Hans Helmut Killinger am 7. Juli 1926 in Rostock geboren wurde, war sein Vater Direktor einer der größten Industriebetriebe im Norden: der Rostocker Neptun-Werft. Mit 16 Jahren wurde Hans Helmut Killinger Flakhelfer, anschließend leistete er Arbeits- und Wehrdienst. Als er 1946 aus britischer Kriegsgefangenschaft nach Papendorf zurückkehrte, wurden er und sein Vater verhaftet. Nach vier Wochen kam Hans Helmut frei, musste aber Rostock innerhalb von 24 Stunden verlassen. Nach einem erfolgreichen beruflichen Neuanfang im Westen studiert der 96-Jährige noch heute jeden Tag die Börsenkurse. Als die Familie nach der Wende die Villa zurückbekam, restaurierte sie der jüngste Sohn von Hans Helmut aufwendig und machte daraus ein Veranstaltungszentrum. In dem erlebt Hans Helmut Killinger prominente Gäste wie Klaus Maria Brandauer, Hannelore Elsner, Friedrich von Thun und viele mehr.

Weitere Informationen
Hans Helmut Killinger und ein Freund als Soldaten © Privat

Hans Helmut Killinger: "Ich kam raus, mein Vater nicht"

Bei Rostock aufgewachsen blickt er in "Jahrhundertleben" auf 96 Lebensjahre zurück und berichtet vom Weg durch Krieg und Wiederaufbau. mehr

Gerda Gidl ist das älteste aktive Mitglied des THW Kiel

Gerda Gidl mit Autorin Heike Schieder © NDR
Gerda Gidl mit Autorin Heike Schieder

Die 99-jährige Gerda Gidl aus Kiel fing früh an mit Handball und konnte sich so dem Dienst beim Bund Deutscher Mädel (BDM) entziehen. Im Jahr 1930 trat sie dem THW Kiel bei und ist damit heute das älteste aktive Mitglied des Vereins. Sie ist befreundet mit THW-Stars wie Hein Dahlinger, Namensgeber des THW-Maskottchens Hein Daddel, Fritz Westerheider und Fritz Weßling. Nach deren aktiven Karrieren spielte sie noch bis Mitte 90 mit ihnen Volleyball. Ihren Enkelkindern ist vor allem ihre unkonventionelle Art des Kochens von früher in Erinnerung: null bio, viel Butter und bloß kein exotisches Gemüse oder gar ausländische Gewürze.

Weitere Informationen
Gerda Gidl aus Kiel als junges Mädchen mit dem Frauen-Handballteam des THW Kiel. © privat

Gerda Gidl: "Hinnehmen, was kommt - und das Beste draus machen"

Gerda Gidl ist das älteste aktive Mitglied des THW Kiel. Sie blickt zurück auf ein Jahrhundertleben mit Sport und Engagement für die Familie. mehr

Walter Benthin trägt das Bundesverdienstkreuz

Walter Benthin © NDR
Walter Benthin

Walter Benthin, geboren am 28. Januar 1923, war zunächst ein kränkliches Kind. Im Zweiten Weltkrieg mehrfach verwundet, lernte er im Lazarett seine Frau Erna kennen, eine Krankenschwester. Nach dem Fall der Mauer setzte er sich für die Verständigung von Ost und West ein. Für die Unterstützung bei der Gründung neuer Vereine in der ehemaligen DDR das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Heute lebt er in Ratzeburg und hat vier Kinder, 13 Enkel und 17 Urenkel. Und nach dem Tode seiner Frau hat er sogar eine neue Partnerin: Sie ist wie er 99 Jahre alt und lebt in Zarrentin. Trotz seines Alters pendelt Walter Benthin regelmäßig.

Weitere Informationen
Porträtaufnahme: Walter Benthin als Soldat in der Uniform der Wehrmacht © privat

Walter Benthin: "Von Verbitterung halte ich nichts"

Kriegsverletzungen und brutale Kämpfe an der Ostfront markieren Härten im Leben des Ratzeburgers. Rückblick auf ein Jahrhundertleben. mehr

Gerda Borck ist nach wie vor politisch interessiert

Gerda Borck © NDR
Gerda Borck

Gerda Borck, 102 Jahre alt, macht noch fast alles selbst: Haushalt, Garten, Gästebewirtung. Selbstständigkeit ist ihr sehr wichtig. Und sie ist an allem interessiert, was aktuell passiert: ob Fridays for Future, Genderdebatte oder Energiekrise. Die Seniorin liest jeden Tag die Zeitung und diskutiert gern mit Freundinnen über aktuelle Themen. Gerda Borck leitete viele Jahre ein Erziehungsheim in Ostfriesland und hat bis heute Kontakt zu einigen "ihrer Kinder". Zeitlebens hat sie versucht, die NS-Zeit für sich aufzuarbeiten, hat diverse Konzentrationslager und vor allem Auschwitz besucht und war davon tief beeindruckt und schockiert.

Weitere Informationen
Gerda Borck Ende der 1940er- / Anfang der 1950er-Jahre als Sozialarbeiterin mit Kindern im Leinerstift Großefehn. © privat

Gerda Borck: "Wie weiterleben nach solchen Schandtaten?"

Für die NS-Verbrechen hat die 102-Jährige nach dem Krieg eine große kollektive Schuld empfunden. Rückblick auf ein Jahrhundertleben. mehr

Ingrid Haerder © NDR
Ingrid Haerder

Zu den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gehören zudem Elfriede Berkhahn (98 Jahre) aus Ramlingen: Sie genießt nach zwei Jahren Corona wieder den Kontakt mit vielen Menschen beim Erntefest. Wilhelm Schniedering hat fast sein ganzes Leben bei Melle gelebt. Eine Woche nach seinem 100. Geburtstag ist er gestorben - hat dem NDR zuvor aber noch gerne seine Geschichte erzählt: von der Zeit als Soldat in Griechenland, der Kriegsgefangenschaft - und der Ernte auf einer Apfelplantage und Grill-Wochenenden mit der ganzen Familie im hohen Alter. Und Ingrid Haerder (97), geboren im Juni 1925, wuchs als Kind eines Kapitäns in Hamburg auf und erlebte ebenso wie ihr späterer Mann Schreckliches im Krieg. Trotzdem sprachen sie nie darüber. Der erste Luxusgegenstand nach der Zeit der Entbehrungen war ein kleines Auto aus Holz.

Weitere Informationen
Elfriede Berkhahn als Jugendliche © privat

Elfriede Berkhahn: "Wir sind um unsere Jugend betrogen worden"

Flucht und geplatzte Berufsträume: Der Zweite Weltkrieg hinterlässt bittere Erinnerungen. Trotzdem blickt die 98-Jährige positiv auf ihr Leben. mehr

Martha und Wilhelm Schniedering 1950. © privat

Wilhelm Schniedering: "Ich weiß gar nicht, wovon wir gelebt haben"

Krieg, Hunger, Gefangenschaft: Wilhelm Schniedering war froh, mit heiler Haut herausgekommen zu sein. Stationen seines Jahrhundertlebens. mehr

Ingrid Haerder aus Hamburg 1943 im Ettal. © privat

Ingrid Haerder: "Der Himmel war schwarz, es brannte alles"

Ingrid Haerder, Jahrgang 1925, erlebte die Luftangriffe auf Hamburg 1943 hautnah. In den Wirtschaftswunderjahren arbeitete sie sich nach oben. mehr

Neben den Dokumentationen im NDR Fernsehen am 1. Januar um 18.00 Uhr und am 2. Januar um 22.00 Uhr sowie in der ARD Mediathek und auf dem NDR Doku-YouTube-Kanal (NDR Doku - YouTube) bietet NDR.de bereits ab dem 19. Dezember 2022 unter ndr.de/jahrhundertleben ein umfangreiches Angebot zu dem crossmedialen Projekt: Entlang der großen historischen Wegmarken erzählen die norddeutschen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in O-Ton-Filmen ihre Geschichten.

Das Regionalmagazin Hallo Niedersachsen im NDR Fernsehen widmet rund 100-jährigen Menschen vom 19. Dezember an jeweils um 19.30 Uhr eine Wochenserie, das Nordmagazin vom 2. Januar 2023 an. Im Radio stellt NDR 1 Niedersachsen am 5. Januar ab 19.00 Uhr in der Sendung Unser Thema die Menschen und ihre Geschichten vor.

Weitere Informationen
Helga Wienhöfer aus Barth © Helga Wienhöfer

Jahrhundertleben: Das Vermächtnis der 100-Jährigen

In fünf Folgen berichten Frauen und Männer um die 100 Jahre über ihr bewegtes Leben. Dazu haben sie ihre Fotoalben geöffnet. mehr

Leitung der Sendung
Thorsten Hapke
Redaktion
Birgit Müller
Joachim Grimm
Autor/in
Heike Schieder
Ole Lerch
Kathrin Klein
Produktionsleiter/in
Thomas Schmidt
NDR Logo
Dieser Artikel wurde ausgedruckt unter der Adresse: https://www.ndr.de/fernsehen/Ein-Jahrhundertleben,sendung1307422.html

JETZT IM NDR FERNSEHEN

NDR Info 21:45 bis 22:00 Uhr
Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?