Dieter Schatzschneider © witters

Schatzschneider: Diamant und Kohlenstaub

Stand: 30.09.2021 09:40 Uhr

Dieter Schatzschneider schoss in der zweiten Fußball-Bundesliga mehr als 150 Tore und ist ein Held für die Fans von Hannover 96. In der Bundesliga schaffte der Mittelstürmer den Durchbruch jedoch nicht.

von Florian Neuhauss, NDR.de

Wenn sich der Hannoversche Sportverein von 1896 und der Hamburger Sport-Verein gegenüberstehen, geht es seit jeher darum, wer denn nun der "richtige" HSV ist. In den Augen vieler Fans gibt es brisantere Derbys, aber ganz grün sind sich die Nordclubs auch nicht. In 50 Jahren Bundesliga haben nur wenige Spieler die Seiten gewechselt. Einer der prominentesten ist Dieter Schatzschneider - längst eine 96-Ikone. Für Schatzschneider ist es stets das Duell seiner großen Liebe gegen seine große Chance.

Letztere schoss der Torjäger im Sommer 1984 achtlos in den Wind: "Als ich zum HSV und Trainer Ernst Happel kam, war ich ein ungeschliffener Diamant", resümiert der 55-Jährige heute. "Als ich 15 Tore und ein Jahr später ging, bin ich zu Kohlenstaub zerfallen." In der Saison 1982/1983 hatten sich die Hamburger gerade selbst Europas Krone aufgesetzt. Beim deutschen Meister und Gewinner des Europapokals der Landesmeister sollte "Schatz" in die Fußstapfen von Horst Hrubesch treten. Doch der Neue verstand nicht, warum er trotz seiner Trefferquote nicht wie sein Vorgänger geliebt wurde. An der neuen Erfahrung, dass Tore nicht alles sind im Fußballgeschäft, zerbrach der aufstrebende Angreifer. Schatzschneider verließ den HSV und verlor seinen Biss.

Ganove in der Fußball-Bundesliga statt im "Knast"

Mit einer Größe von 187 Zentimetern traf der junge Schatzschneider bei all seinen Vereinen fast nach Belieben. Der gebürtige Hannoveraner wuchs im Problem-Stadtteil Vahrenheide auf. Dort regierte das Recht des Stärkeren und Schatzschneider hatte nicht nur eine große Klappe, sondern verschaffte sich auch durch Taten Respekt. "Ich sage es, wie es ist: Ich war ein Ganove", beschönigt er heute nichts. "Was damals passiert ist, war alles grenzwertig. Das hätte auch anders ausgehen können." Für viele seiner damaligen Weggefährten ging es nicht gut aus, "die haben für zwölf, teilweise 15 Jahre eingesessen". Bei ihm war es "nur mal ein Wochenende" in der Zelle.

"Haben bei Conti einen Platz am Fließband frei!"

Hannovers Trainer Diethelm Ferner (v.l.), Betreuer Zorrmann, Dieter Schatzschneider © imago/Rust
Hannovers Trainer Diethelm Ferner (l.) im Gespräch mit Stürmer Dieter Schatzschneider (r.).

Dass Schatzschneider den Weg aus Vahrenheide fand, hatte er einzig seiner Durchsetzungsfähigkeit auf dem Fußballplatz, gepaart mit einem starken Torriecher, zu verdanken. Der Ellenbogeneinsatz und seine Kraft, die er auf der Straße einzusetzen gelernt hatte, halfen ihm auch im Sport. Über den OSV Hannover kam der Angreifer im Sommer 1978 mit 20 Jahren zu Hannover 96. Trotzdem hatte er zunächst noch Zweifel an einer Fußballerkarriere: Der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann hatte in seinem ersten Zweitliga-Jahr noch einen Halbtagsjob im Büro: "Ich bin aber froh, dass mir das erspart geblieben ist." Auch wenn er Treffer um Treffer für die "Roten" erzielte, einen Tritt in den Allerwertesten brauchte der Jungspund immer wieder. Nach schlechten Spielen piesackte ihn sein Vater schon mal, indem er meinte, sie hätten "bei Conti schon einen Platz am Fließband freigemacht". Und dann war da noch sein erster Profitrainer Diethelm Ferner, der zu seinem Förderer und Forderer wurde.

Dr. Scharnofske paukte den Rüpel raus

Einmal allerdings konnten auch die beiden ihn nicht vor einer erneuten Dummheit abhalten. Nach einer Niederlage zog Schatzschneider mit Kumpanen die ganze Nacht durch die Kneipen. Auf dem Heimweg beleidigte ihn ein enttäuschter Fan "übel", wie der Ex-Profi noch heute betont, und der angetrunkene Stürmer schlug zu. Die Polizei war schnell zur Stelle und steckte ihn in die Ausnüchterungszelle. Hannovers Schatzmeister Dr. Helmut Scharnofske paukte den Rüpel raus und schleifte ihn auch zum Geschädigten, um sich zu entschuldigen. "Ganz egal, was war, ich habe mich damals immer im Recht gesehen", erinnert sich Schatzschneider. "Probleme habe ich immer sofort geklärt - und nicht mit Worten." Diese Scharmützel hielten ihn beim Weg nach oben jedoch nicht auf. In fünf Zweitliga-Jahren erzielte Schatzschneider 153 Treffer.

Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 03.10.2021 | 22:50 Uhr

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