Dieter Schatzschneider © witters

Schatzschneider: Diamant und Kohlenstaub

Stand: 30.09.2021 09:40 Uhr

von Florian Neuhauss, NDR.de

"Zwölf, 13 Bundesligisten waren an mir interessiert", berichtet Schatzschneider. Viele Trainer und Manager besuchten ihn in seiner Wohnung in Hannover - im fünften Stock, ohne Fahrstuhl. Darunter Otto Rehhagel, "der sich mit seiner Frau sehr um mich bemüht hat". Auch Bayer Leverkusens Manager-Schwergewicht Reiner Calmund schaute vorbei. "Als der bei mir oben ankam, dachte ich, ich müsste den Notarzt rufen, so wie der gekeucht und geschwitzt hat. Er meinte dann: Hoffentlich lohnt es sich."

Dieter Schatzschneider © imago/WEREK
Bei Hannovers Stürmer Dieter Schatzschneider standen die Vereine Schlange.

Die Mühen lohnten sich nicht. Als der damals beste Club Europas anfragte, der HSV mit Felix Magath und Co., konnten alle anderen einpacken: "Da musste ich hin, ich hielt mich ja damals auch für den besten Mittelstürmer Europas", sagt Schatzschneider und lacht. Sage und schreibe eine Million Euro ließ sich der Renommierclub von der Elbe die Dienste des "Langen" damals kosten. Ein halbes Jahr vor dem Ende seines Vertrags in Hannover legte er noch ein Intermezzo bei Fortuna Köln ein. "Dr. Scharnofske zuliebe", wie er betont. Denn die Kölner zahlten fast 300.000 Euro, für den Schatzmeister der klammen 96er ein wahrer Segen.

Hoch geflogen und tief gefallen

Der Kontrakt in Hamburg war für drei Jahre geschlossen, aber war Schatzschneider in Hannover und Köln noch der Star, musste er sich in Hamburg ganz hinten anstellen. Seinen Torriecher zeigte der Angreifer auch an der Elbe, doch er weigerte sich, auch defensiv zu arbeiten: "Das war damals meine Art. Ich habe keine Zugeständnisse gemacht. Einfach ausgedrückt: Die laufen, ich Tore schießen." Schatzschneider kam bei den Leistungsträgern und Arbeitern wie Magath, Manfred Kaltz und Wolfgang Rolff nicht gut an - trotz der 15 Treffer.

Nach einem Jahr beim HSV warf Schatzschneider das Handtuch. Dass er sich nicht mehr reingehängt und so schnell den Schlussstrich gezogen hat, bedauert er noch heute: "Alles was danach kam, war ein Abstieg. Deshalb habe ich auch früh meine Karriere beendet." Das eine Jahr unter Happel zählt Schatzschneider trotz allem zu den Höhepunkten seiner Karriere.

Großer Respekt vor Martin Kind

Dieter Schatzschneider (l.) mit Martin Kind © picture-alliance / augenklick/firo Sportphoto Foto: Guido Kirchner
Freunde aber immer noch per Sie: Schatzschneider (l.) und 96-Boss Martin Kind.

Schatzschneider machte die Trainerscheine bis zur A-Lizenz und arbeitete auch einige Jahre als Coach - vor allem in Niedersachsen. Die Mitarbeit bei einem Spielerberater beendete er nach einem halben Jahr. Anschließend war Schatzschneider als Scout im Junioren-Bereich und Repräsentant beschäftigt. Doch auch als Club-Angestellter hielt er mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Als der 55-Jährige mal bei einer Presse-Veranstaltung den Fitnesszustand der Mannschaft kritisierte, durfte er auf Geheiß von Profi-Trainer Mirko Slomka nicht mit dem Team zum Europa-League-Spiel nach Moskau fliegen. "Das hat mich nicht beeindruckt und war eine absolut lächerliche Aktion", meint Schatzschneider.

Und als im März 2019 Clubchef Martin Kind als Aufsichtsratschef abgewählt und das neue Kontrollgremium aus Vertretern der Fanszene gebildet wurde, verkündete er seinen Austritt aus dem Verein: "Für mich kommt nicht infrage, dass ich von Leuten vertreten werde, die von Leuten gewählt werden, die im Stadion Gewalt ausüben und Pyrotechnik benutzen", begründete Schatzschneider seinen Schritt.

"Martin Kind ist 96", betont der gebürtige Hannoveraner, "weiß mich aber auch zu nehmen." Beide verbindet eine jahrelange enge Freundschaft, Schatzschneider weigert sich "aus Respekt" trotzdem seit Jahren, seinen Freund auch zu duzen. Er weiß die "Roten" bei Unternehmer Kind wirtschaftlich in den besten Händen und steht dem 96-Boss selbst in sportlichen Dingen mit Rat und Tat zur Seite.

Liebe zu 96, Isabella - und dem HSV?

Neben seiner Frau Isabella, mit der er seit gut 33 Jahren verheiratet ist und drei Töchter hat, gehört Schatzschneiders Herz Hannover 96. "Der Club ist genau mein Ding. Zu 100 Prozent, der Rest genau null Prozent", betont er. Und was ist mit dem Hamburger SV, bei dem er seine "Unschuld" verlor? "Der HSV ist für mich völlig bedeutungslos." Von Gefühlsduseleien 30 Jahre nach seinem Wechsel an die Elbe keine Spur.

Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 03.10.2021 | 22:50 Uhr

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