THW Kiel schiebt nach Leipzig-Pleite Frust und versinkt im Mittelmaß
Die Hoffnungen des THW Kiel auf den 24. Meistertitel sind nach der 34:35-Pleite beim DHfK Leipzig bereits nach neun Spieltagen in der Handball-Bundesliga auf ein Minimum gesunken. Im Duell mit den Sachsen ließ es der Rekordchampion zum wiederholten Mal in dieser Saison an Cleverness und Resilienz in der entscheidenden Spielphase vermissen.
Tomas Mrkva avancierte am frühen Samstagabend in der Leipziger Mehrzweckhalle zum Mann mit den tausend Armen. Herausragende 18 Paraden schlugen am Ende des Kieler Gastspiels beim Sportclub Deutsche Hochschule für Körperkultur zu Buche. Damit entschärfte der Tscheche doppelt so viele Würfe wie die Leipziger Schlussleute Domenico Ebner und Kristian Saeveraas gemeinsam. Doch trotz der Gala-Vorstellung des 34-Jährigen standen die Schleswig-Holsteiner am Ende mit leeren Händen da. Ein Umstand, der Mrkvas Landsmann Filip Jicha fassungslos zurückließ.
"Wenn Tomas gehalten hat, hat Leipzig unheimlich viele Abpraller bekommen. Da waren wir nicht wach und bereit", kritisierte der "Zebras"-Coach und monierte zudem: "Wir haben unsere vielen Ballgewinne sehr uncool wieder abgegeben." Es sei zu sehen gewesen, dass seine Mannschaft "sehr unclever" war, ergänzte der frühere Weltklasse-Rückraumspieler.
Bereits zehn Punkte Rückstand auf die Füchse Berlin
Nach der vierten Niederlage in der achten Bundesliga-Partie sowie dem frühen Aus im DHB-Pokal gegen die HSG Wetzlar muss der Saisonstart des Branchenführers als verpatzt bezeichnet werden. Der Rückstand auf Tabellenführer Füchse Berlin, der allerdings auch bereits eine Begegnung mehr ausgetragen hat, beträgt bereits zehn Punkte. Die Titelverteidigung ist in weiter Ferne, wie auch Kreisläufer Hendrik Pekeler gegenüber den "Kieler Nachrichten" offen eingestand: "Wir sind gut beraten, jetzt von Spiel zu Spiel zu schauen. Dann können wir vielleicht am 23. Dezember auf die Tabelle gucken, wie es aussieht. Aber aktuell ist das kein Thema mehr."
Abgänge von Landin und Sagosen nicht kompensiert
Die Gründe für die THW-Krise sind mannigfaltig. Zum einen wiegen die Abgänge von Weltklasse-Keeper Niklas Landin sowie dem Rückraum-Ausnahmespieler Sander Sagosen schwer. Doch davon war schon vor dem Saisonbeginn auszugehen. Dennoch hatten die Verantwortlichen gehofft, den Verlust des Duos im Kollektiv zumindest ansatzweise kompensieren zu können. Doch Verletzungen sowie unerwartete Leistungsschwankungen von arrivierten Kräften ließen keine Stabilität bei den Norddeutschen einkehren.
Selbst die Gala-Vorstellung in der Vorwoche gegen den Handball Sport Verein Hamburg (34:23) war nicht der erhoffte Brustlöser. Zwar ließen die Schleswig-Holsteiner dem Kantersieg gegen den Nordrivalen einen 35:31-Erfolg in der Champions League gegen Kielce folgen. Aber nur wenige Tage später folgte die Pleite in Leipzig bei einem Club, der bis dato nur zwei Partien gewonnen hatte und zuletzt bei der SG Flensburg-Handewitt böse unter die Räder gekommen war (24:34).
Jicha: "Manchmal kommen wir an gewisse Grenzen"
Die Sachsen waren dabei am Samstagabend nicht das handballerisch bessere Team. Aber sie waren das Team mit dem größeren Willen. "Leipzig ist ohne Rücksicht auf Verluste reingegangen. Damit hatten wir ein bisschen Probleme", resümierte Jicha. Der Coach beklagte, gerade in der "Crunchtime", also der Schlussphase, zu wenige Spieler auf der Platte stehen gehabt zu haben, die Verantwortung übernehmen. "Dieses THW-Trikot wiegt schwer. Manchmal kommen wir einfach an gewisse Grenzen. Diesen Druck kann nicht jeder jeden dritten Tag standhalten. Wir zahlen Lehrgeld, aber es ist auch ein Prozess", sagte der Tscheche.
Jicha bringt also durchaus Verständnis für sein Team auf, das aktuell noch auf der Suche nach Stabilität und Selbstbewusstsein ist. Der Trainer hat aber auch eine klare Forderung an seine Schützlinge: "Unter dem Strich ist es so, dass jeder meiner Spieler die Verantwortung dafür tragen muss, dass wir in diesem Prozess einen Schritt machen müssen."
Szilagyi schließt Trainerwechsel aus
Um seine eigene Zukunft bei den "Zebras" muss sich Jicha offenbar (noch) keine Sorgen machen. "Ein Trainerwechsel käme ja nur infrage, wenn wir nicht mehr daran glauben würden, dass diese Mannschaft funktioniert - und diese Gedanken haben wir definitiv nicht", sagte Geschäftsführer Viktor Szilagyi. Der 45-Jährige ist davon überzeugt, dass dem Team mit Jicha der Turnaround gelingt. Der Trainer arbeite "so akribisch wie immer. Natürlich ist er auch enttäuscht, weil er genauso wie die Mannschaft und jeder im Verein unglaublich viel aufwendet. Aber er ist ein Kämpfer und wird da mit der Mannschaft herauskommen."