Fußball-Profi Kevin Pannewitz im Trikot des FC Carl Zeiss Jena (Foto aus dem Jahr 2018) © IMAGO / Christoph Worsch

Kevin Pannewitz oder das Leben ist eine Achterbahnfahrt

Stand: 28.03.2023 16:20 Uhr

von Hanno Bode, Michael Maske und Boris Poscharsky

Pannewitz ist gescheitert. Zumindest vordergründig. Magath wird mit Blick auf die Gewichtsprobleme des Defensiv-Spezialisten mit den Worten zitiert: "Pannewitz ist Panne". Der Ruf des einstigen Shooting-Stars ist ruiniert. Dabei hat Pannewitz zu diesem Zeitpunkt ganz andere Sorgen als ein bisschen zu viel Bauchspeck. Seine geliebte Mutter ist an Krebs erkrankt. Es zieht ihm den Boden unter den Füßen weg, als sie stirbt. "Ich glaube, das hat seinen weiteren Lebensweg beeinflusst. Er war ein Mama-Kind", sagt Thiele. Der Verlust der Mutter und des Profi-Vertrags beim VfL kommen beinahe zum selben Zeitpunkt. Der trauernde Pannewitz kann sich kaum mehr aufraffen, sich fit zu halten. Beim Probetraining bei den Colorado Rapids aus der US-amerikanischen Major League Soccer (MLS) fällt er wegen Fitness-Defiziten durch. "Der Kühlschrank war sein größter Gegner" titelt die "Zeit" im Jahr 2015 über Pannewitz, als dieser nach einem Intermezzo beim Regionalligisten Goslarer SC beim Berliner Sechstligisten VSG Altglienicke gelandet ist.

"Habe mich von niemandem kaputtmachen lassen"

Ex-Fußball-Profi Kevin Pannewitz im Trikot der VSG Altglienicke (Foto aus dem Jahr 2015) © IMAGO / Sebastian Wells Foto: Sebastian Wells
Pannewitz kickte nach seinem Aus in Wolfsburg vier Jahre lang bei unterklassigen Clubs wie der VSG Altglienicke.

Tatsächlich läuft Pannewitz stark übergewichtig für den Amateurclub auf. Selbst auf diesem Niveau hat das einstige Super-Talent nur Luft für ein paar Minuten Einsatzzeit. Eine Tragödie, die medial begleitet wird. Aber eine Tragödie mit einem lachenden Hauptdarsteller. Denn Pannewitz ist mit sich selbst im Reinen. "Meine Fehler wurden bestraft, aber alles ist okay so. Ich habe mit allem abgeschlossen, ich will jetzt ein bodenständiges Leben führen", sagt er. Pannewitz bewirbt sich bei der Berliner Stadtreinigung. Doch statt Müllmann wird er Hausmeister, dann Möbelpacker. Gemeinsam mit seiner Frau Jill und seinem Sohn Milo lebt er in einer kleinen Wohnung. Pannewitz ist weit weg vom schillernden Leben eines Fußball-Profis, aber glücklich.

"Egal in welcher Situation, ich habe immer alles gegeben. Ich habe mich von niemandem kaputtmachen lassen, immer alles gegeben", sagt der frühere Hansa-Profi. Doch der "verrückte Vogel" und "wahnsinnig gutherzige Mensch" (Thiele) will es irgendwann sportlich noch einmal wissen. Pässe schlagen statt Möbel schleppen - das ist sein Traum. Und er erfüllt ihn sich. 

Bei Carl Zeiss wegen Übergewichts gefeuert

Dank Thiele und seines Ehrgeizes gelingt Pannewitz das Profi-Comeback bei Carl Zeiss. "Er hatte ein Sixpack - und zwar keines zum Tragen", berichtet sein Schwager über den Gewichtsverlust seines "Bruders", wie er ihn auch nennt. Pannewitz spielt für kleines Geld und unter Beobachtung der von Beginn an skeptischen Vereinsführung beim Drittligisten. Ein paar Monate sieht alles nach einem Cinderella-Märchen aus. Dann aber erliegt Thiele dem Lockruf des 1. FC Kaiserslautern und lässt "Kiki" allein im Paradies zurück. "Ich war sein Anker", sagt der 29-Jährige im nachdenklichen Ton. Denn nach seinem Abgang lässt Pannewitz ("Professionell sein ist immer nicht so leicht, wie es sich anhört. Ich war es viele Jahre nicht") zumindest zweimal die Zügel schleifen. Einmal erscheint er alkoholisiert zum Training und wird deshalb vorübergehend suspendiert. Dann kommt der 29-Jährige mit etwas Übergewicht aus dem Winter-Urlaub zurück.

Carl Zeiss, das zu diesem Zeitpunkt gerade den Trainer gewechselt hat, kündigt Pannewitz deshalb im Januar 2019 fristlos. "Das hat mich gekränkt. Wir reden hier von vier, fünf Kilogramm - heute rede ich von 40 Kilo Übergewicht", sagt Pannewitz. "Man hätte die Schiene auch ganz anders fahren und sagen können, dass man nicht mehr mit mir plant. Stattdessen wurden mir die Türen so zugeschlagen, dass ich danach nicht einmal mehr einen Regionalligisten gefunden habe", echauffiert sich der Defensiv-Allrounder über das Gebaren von Carl Zeiss. 

Reality- statt Fußball-Star: "Würde alles mitmachen"

Der frühere Fußball-Profi Kevin Pannewitz © NDR
Pannewitz spielt derzeit beim Bezirksligisten FC Amed.

Nach der Vertreibung aus dem Paradies steht er wieder vor dem Nichts. Doch das Nichts bietet eben auch zwangsläufig die Chance auf einen Neuanfang. Sein ruinierter Ruf ruft die Planer des TV-Formats "Kampf der Realitystars - Schiffbruch am Traumstrand" von RTLzwei auf den Plan. Er setzt sich in Thailand gegen andere mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten der Zeitgeschichte durch und gewinnt 50.000 Euro. Dass er dabei das Innerste seines Seelenlebens preisgeben musste, tangiert den "ehrlichen und ein bisschen chaotischen Typen" (Thiele) nicht. "Ich würde alles mitmachen, weil es einfach eine geile Erfahrung ist", sagt Pannewitz. 

Big Brother statt Bayern München? Für den 29-Jährigen, der momentan beim Berliner Bezirksligisten FC Amed spielt, scheint dies die bessere Option als eine Rückkehr in den Profi-Fußball zu sein. "Wenn ich in Form wäre, würde ich mir in jedem Fall die Dritte Liga noch mal zutrauen. Ob es mir das wert wäre? Eher nicht! Dann müsste ich wieder ohne meine Familie sein. Mir macht es hier Spaß, ich fühle mich hier wohl. Und vielleicht spielen wir ja in fünf Jahren mit dem FC Amed auch in der Dritten Liga", sagt Pannewitz.

Ein solch steiler Aufstieg des Clubs aus Tempelhof würde eine der kuriosesten Karrieren des deutschen Profi-Fußballs fraglos abrunden. "Das wird aber wohl schwierig", schließt Pannewitz, der längst mehr Realist denn Träumer ist.

Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 14.03.2021 | 23:35 Uhr

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