Der Bundesliga-Profi und das "Sklavenschiff"
Jonathan Akpoborie ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Lediglich vier Treffer schlagen für den Angreifer des VfL Wolfsburg in der Bundesliga-Saison 2000/2001 zu Buche. Die Schlagzeilen hatten bis dato anderen Fußballern gehört, bevor Mitte April 2001 der Fall eines Schiffs publik wird, auf dem Minderjährige aus Afrika zur Arbeit in andere Länder verschleppt werden sollten. Von einem Moment auf den anderen steht der Nigerianer ungewollt im Rampenlicht. Als Miteigner der Fähre "MV Etireno" wird der Torjäger verdächtigt, in den Handel mit Kindersklaven involviert zu sein. "Sklavenschiff - Es gehört Bundesliga-Star Akpoborie", titelt am 23. April 2001 die "Bild", der "Tagesspiegel" wählt für seinen Artikel die Überschrift: "Fall Etireno: Der Fußballer und die Kindersklaven". Andere Medien berichten ähnlich reißerisch über den Fall, auf den die Hilfswerke "UNICEF" und "terre des hommes" aufmerksam gemacht hatten. Akpoborie wird öffentlich vorverurteilt, obgleich er von Beginn an seine Unschuld beteuert: "Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht, als in einem Bericht von CNN über Sklavenhandel der Name unserer Schiffes auftauchte."
"UNICEF hat gelogen - Mein Leben war zerstört"
An Bord der Fähre, die zu diesem Zeitpunkt nach zweiwöchiger Irrfahrt vor der Küste Westafrikas wieder in ihren Heimathafen Cotonou im Benin vor Anker liegt, befanden sich Minderjährige ohne Eltern und Papiere. Zunächst war von 250 die Rede gewesen, später wurde die Anzahl nach einer Durchsuchung des Schiffs auf 43 korrigiert. Es kommen Gerüchte auf, die anderen 207 Kinder seien von dem einschlägig vorbestraften Kapitän und seiner Mannschaft ins Meer geworfen worden. Anhaltspunkte gibt es dafür nicht. Ohnehin ist die Faktenlage dünn. Ein Dementi jagt in diesen Tagen das andere. "Alle warteten auf die Bilder von Kindern in Ketten, wie UNICEF sie in die Welt gesetzt hatte. Als man die nicht fand, wurde behauptet, der Kapitän habe sie vielleicht über Bord werfen lassen. Das ist ungeheuerlich", sagte Akpoborie 2010 in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau" und klagte an: "UNICEF hat gelogen. Ich war ein erfolgreicher Stürmer und plötzlich Sklavenhändler. Mein Leben war zerstört."
Trainer Wolf: "Johnny sieht das nicht so dramatisch"
Als der Fall Mitte April 2001 an die Öffentlichkeit kommt, glaubt der Wolfsburger Publikumsliebling noch, die Angelegenheit von Deutschland aus klären zu können. Der Nigerianer, der mit seinem Bruder die in Lagos ansässige Firma "Titanic Investment Limited" führt, setzt einen Rechtsanwalt in Benin ein, wo das Schiff von den dortigen Ordnungsbehörden festgehalten wird. Zudem telefoniert der Angreifer mehrmals täglich mit dem Kapitän der Fähre. Der VfL schenkt den Unschuldsbeteuerungen seines Angestellten zunächst Glauben. Doch der öffentliche Druck auf den Stürmer hält unvermindert an. Der Werksclub stellt Akpoborie schließlich auf Drängen seines Hauptanteilseigners Volkswagen frei. Die Belegschaft des Autobauers hatte gerade vier Millionen Euro für ein "terre des hommes"-Projekt gespendet. "Und das sei nicht zu vereinbaren mit so einem Fall in den eigenen Reihen", heißt es aus dem Werk. Am 1. Mai reist Akpoborie von Hannover via Frankfurt nach Lagos. Er soll vor Ort Beweise für seine Unschuld erbringen. Dass er nie wieder das "Wölfe"-Trikot wird überstreifen dürfen, kommt ihm nicht in den Sinn. "Johnny sieht das alles nicht so dramatisch. Dabei steht seine Karriere auf dem Spiel", sagte der damalige VfL-Trainer Wolfgang Wolf der "Welt".
- Teil 1: "UNICEF hat gelogen - Mein Leben war zerstört"
- Teil 2: Suspendierung per Telefon