Hannover 96 - Eintracht Braunschweig: Fan-Boykotte und Helden-Suche
Machtkampf bei Hannover 96, Fan-Boykotts auf beiden Seiten und viel Polizei: Vor dem 182. Niedersachsenderby ist der Fußball ein bisschen zur Nebensache geworden. Dabei geht es am Sonntag für beide Zweitligisten vor allem sportlich um viel.
BTSV-Trainer Daniel Scherning brachte es auf den Punkt: "Der Gegner will aufsteigen, wir wollen in der Liga bleiben." Nicht mehr, aber auch nicht weniger steht für die beiden Erzrivalen auf dem Spiel. Dass das Duell heute in der 96-Arena (13.30 Uhr, im NDR Livecenter) keine Partie wie jede andere ist, steht aber ohnehin außer Frage.
"In jedem Derby werden Helden geboren. Auch wir haben genug Spieler, die das Potenzial haben, am Sonntag eine dieser Geschichten zu schreiben." BTSV-Trainer Daniel Scherning
"Das Derby ist immer etwas ganz Besonderes, da gibt es keinen Außenseiter. Es ist für uns, die Fans und die Stadt ein extrem bedeutendes Spiel", sagte Eintracht-Kapitän Ermin Bicakcic im NDR Interview. "Wir müssen auf dem Platz ein Feuerwerk abbrennen."
Nur gut 800 Eintracht-Fans dabei
Ausschließlich auf dem Platz wohlgemerkt. Das war in der Vergangenheit zu oft nicht der Fall gewesen beim Niedersachsenderby, das immer wieder auch von Ausschreitungen begleitet wurde. Ein Teilausschluss der Gästefans durch die Politik war die Folge. In Hannover dürften maximal 2.541 Anhänger aus Braunschweig dabei sein, es werden aber nur gut 800 sein, wie der Club am Freitag mitteilte. Eine Form des Protestes der organisierten Fanszene. Auch viele 96-Anhänger wollen dem Spiel fernbleiben.
Nichts werde so sein wie sonst, kündigte die "Rote Kurve" an, der Dachverband der 96-Fanclubs: kein Fanmarsch zum Stadion, keine Choreo vor dem Spiel und kein Support durch die aktive Fanszene während der Partie. Es dürfte eine ungewohnte Atmosphäre werden beim Derby - und ziemlich still. Beide Fanlager eint dabei das Motto "Fankultur unverhandelbar".
"Das ist kein Derby mehr"
"Es ist Choreoverbot und auch Fanutensilienverbot. Man kann auch die Stimmung nicht so machen, wie man sie machen könnte, wenn man in voller Anzahl da ist. Das ist kein Derby mehr", klagte ein Eintracht-Fansprecher.
Braunschweig-Profi Bicakcic sieht das ähnlich: "Die Fans und die Fankultur gehören ins Stadion. Vor allem bei so einem Derby. Es muss alles in Grenzen bleiben, aber da ist schon ein komischer Beigeschmack."
Außerhalb des Stadions setzt die Bundespolizei auf strikte Fantrennung bei An- und Abreise und hat zahlreiche Verbote erlassen. "Wir werden bereits bei der Anreise gegen jede Form von Gewalt- und Pyroexzessen konsequent vorgehen", sagte Einsatzleiter Martin Kröger. Auch mögliche "Drittortsauseinandersetzung" habe man bei der Einsatzplanung im Blick, teilte die Polizeidirektion Hannover mit. Nach dem Hinspiel im vergangenen Oktober hatten etwa 50 Hannover-Fans mehr als 100 Braunschweiger Anhänger in einer Gaststätte rund 15 Kilometer vom gut abgesicherten Stadion entfernt überfallen.
Im Hinspiel triumphierte Braunschweig
Ausblenden lautet das Stichwort für beide Mannschaften und "auf das fokussieren, was auf dem Rasen passiert", sagte Scherning. Das Hinspiel mit dem 2:0-Sieg im eigenen Stadion ist dabei noch in guter Erinnerung: "Da haben wir gezeigt, was wir in so einem Derby leisten können. Disziplin, Widerstandsfähigkeit, Stressresistenz, Tempo und eine Zielstrebigkeit Richtung gegnerisches Tor - darauf wird es ankommen. Die Mannschaft, die diese Punkte besser auf den Platz bringt, wird dieses Spiel gewinnen."
"Die Eintracht weiß natürlich, dass unsere Mannschaft die bessere ist." 96-Trainer André Breitenreiter
Wer das sein wird, ist für André Breitenreiter klar. "Die Eintracht weiß natürlich, dass unsere Mannschaft die bessere ist", sagte der 96-Trainer. "Sie werden uns in Zweikämpfe verstricken wollen, um eine gewisse Emotionalität reinzubringen. Da müssen wir gegenhalten, um den Gegner mit unserer spielerischen Qualität Schachmatt zu setzen."
Schwer könnte für ihn und 96 das Fehlen der Gelb-gesperrten Leistungsträger Fabian Kunze und Enzo Leopold wiegen. Breitenreiter wollte aber "nicht jammern. Wir haben Optionen und können sie ersetzen".
Kind: "Wir wollen und müssen gewinnen"
Seit der Nachfolger von Stefan Leitl das sportliche Sagen am Maschsee hat, ist 96 ungeschlagen, häufte aber auch viele Unentschieden an. Kollege Scherning lobte Hannover als "sehr diszipliniert spielende Mannschaft mit viel Tempo und mehr Tiefgang". Die zurück in die Bundesliga will und auch soll.
"Der Aufstieg ist noch in Reichweite, wir wollen und müssen gewinnen", sagte der langjährige Profi-Geschäftsführer und Gesellschafter Martin Kind. Der 80-Jährige steht zwar nicht mehr in der ersten Entscheider-Reihe, ist aber immer noch mittendrin in den Machtkämpfen hinter den 96-Kulissen, die vor dem Derby wieder hochkochen. Aktuell geht das Ringen um einen Geschäftsführer in die entscheidende Phase und dabei um nicht weniger als die Lizenz.
Sportlich setzt der Unternehmer auf Breitenreiter ("Mit seiner Arbeit bin ich persönlich zufrieden"), unter dem die Hannoveraner noch nicht verloren haben. "Diese Serie wollen wir fortsetzen und dann sind wir hoffnungsvoll", so Kind. Vor allem im Derby im eigenen Stadion, bei dem so viel auf dem Spiel steht.
Die möglichen Aufstellungen:
Hannover 96: Zieler - Knight, Halstenberg, Neumann - Muroya, Tomiak, Wdowik - Nielsen, Rochelt - Ngankam, Tresoldi
Eintracht Braunschweig: R. Hoffmann - Ivanov, Bicakcic, Ehlers - Rittmüller, S. Köhler, Di Michele Sanchez - Tempelmann, Kaufmann - Philippe, Szabo
