Zweitliga-Gipfel: HSV-Dominanz gegen Darmstadts Power
Am 19. August stürmten die "Lilien" beim 2:1-Erfolg den Volkspark - Schiedsrichter Robert Schröder zeigte nach der frühen 2:0-Führung für die Darmstädter zehnmal Gelb, zweimal Gelb-Rot und einmal direkt Rot. Der HSV mühte sich nach Kräften, gewann mehr Zweikämpfe, hatte deutlich mehr Ballbesitz und spielte fast 200 Pässe mehr als Darmstadt. Die Hanseaten ließen aber zu viele Chancen der Gäste zu und verloren am Ende nicht unverdient.
Vor dem heutigen Rückspiel (20.30 Uhr, im NDR Livecenter) warnte HSV-Trainer Tim Walter nun: "Wir treffen auf eine sehr clevere Truppe, die sehr intensiv spielt." Darmstadt agiere genauso, "wie man es in der Zweiten Liga tun muss". Interessanterweise spielt der HSV selbst aber ganz anders. Das zeigt ein Blick in die Daten deutlich.
Hinspiel im Volkspark als Spiegelbild der Saison
Auch wenn das Duell wieder bei Null und elf gegen elf beginnt, lohnt sich ein Rückblick. Denn das Hinspiel steht stellvertretend für die Saison der beiden Topteams. Mit 61 Prozent Ballbesitz belegen die Hamburger im Ligavergleich den ersten Platz. Mit 12,33 Schüssen pro 90 Minuten kommen die HSV-Gegner aber erstaunlich oft zum Abschluss.
Auf der anderen Seite ist Darmstadt in vielen Statistiken nicht einmal Mittelmaß, sondern liegt im Ligavergleich sogar auf einem Abstiegsplatz. Die Hessen sind allerdings genauso top im Pressing wie im schnellen Spiel nach vorn. Diese Power führt dazu, dass sie mit 2,29 Punkten pro Partie viel besser dastehen, als es nach der Statistik von GSN zu den Expected Points (1,34/Rang acht) zu erwarten wäre.
Statistik und Realität nähern sich an - nur bei Darmstadt nicht
Eigentlich heißt es, dass sich die realen und die statistischen Werte über eine Saison hinweg angleichen. Und der FC St. Pauli tritt gerade den Beweis an: In der erwarteten Tabelle belegten die Hamburger zum Hinrundenabschluss Rang eins. Ein krasses Missverhältnis zum realen Tabellenplatz 15, nur durch die bessere Tordifferenz vom direkten Abstiegsplatz getrennt. Nach dem Trainerwechsel von Timo Schultz zu Fabian Hürzeler gab es im neuen Jahr allerdings vier Siege aus vier Spielen und einen großen Satz in der Tabelle.
"Wir sind nicht wie Phönix aus der Asche aufgestiegen, wenn man sich die Platzierungen der vergangenen drei Jahre anschaut. Aber dass es bis dato so gut läuft, war nicht absehbar." Darmstadts Präsident Rüdiger Fritsch
Dass es bei Darmstadt 98 allerdings noch in die andere Richtung geht, ist genauso unwahrscheinlich wie ein Taktikwechsel von Trainer Torsten Lieberknecht. Laut der GSN-Daten beträgt die Aufstiegswahrscheinlichkeit der "Lilien" aktuell 84 Prozent. Die Chance auf den Zweitliga-Titel - vor dem Topspiel hat Darmstadt vier Punkte Vorsprung auf den HSV - liegt bei 55 Prozent.
"Bei uns läuft niemand jeden Tag mit der Tabelle herum. Aufstiegsparolen wären fehl am Platz", sagte der Sportliche Leiter Carsten Wehlmann. Und Präsident Rüdiger Fritsch fügte hinzu: "Das Rennen ist noch nicht vorbei, deshalb bleiben wir demütig. Aber gegen den HSV wird das Böllenfalltor brennen."
Darmstadt lauert und schlägt eiskalt zu
Darmstadts Stärken kurz zusammengefasst: Jede zweite Pressingaktion ist erfolgreich, und wenn man dazu sieht, dass die "Lilien" sowohl bei den langen als auch bei progressiven Pässen pro Partie das beste Team der Liga sind, ist zu erahnen, was am Sonnabend auch dem HSV blüht. Selbst wenn die Angriffe in erster Linie gestoppt werden können: Darmstadt ist das beste Team der Liga nach Ecken und auch bei den Kopfball-Duellen.
Das ist der eine Faktor des Erfolgs. Der andere ist die bärenstarke Defensive. Mit gerade einmal 16 Gegentreffern nach 21 Spielen lässt sich das schon auf den ersten Blick erkennen. Interessant ist, dass Darmstadt kaum ein Tor von außerhalb des Strafraums kassiert hat - statistisch 0,05 pro 90 Minuten. Auch die zugelassenen durchschnittlich 10,71 Schüsse des Gegners sind ebenfalls ein Spitzenwert.
Hop oder Top beim HSV - meist mit gutem Ende
Der HSV ist kaum minder erfolgreich und mit einem Performance-Score von 57,11 sogar noch besser als die hier zweitplatzierten Darmstädter (56,61). Das Spiel der Hamburger könnte aber kaum unterschiedlicher sein. Trainer Walter setzt auf Dominanz und Ballkontrolle. 61 Prozent Ballbesitz sind besonders im Vergleich zu den 53 Prozent bei Darmstadt enorm. Kein Team hat mehr Torchancen pro Spiel als der HSV (acht). Genauso sind die Hanseaten bei Pässen, Schüssen, Torschüssen, Flanken, (erfolgreichen) Dribblings und Ballkontakten im Sechzehner die Nummer eins der Liga.
"Die Menschen haben Spaß daran, zu uns zu kommen. Sie wollen Spektakel sehen. Der Dino liefert großes Kino." HSV-Coach Tim Walter
Auch sind die Hamburger die besten Zweikämpfer (51,97 Prozent gewonnen), mit 152 pro Partie bestreiten sie aber auch sehr wenig (Platz 15). Dazu kommt, dass das Team trotz der großen Dominanz eben relativ viele Abschlüsse des Gegners zulässt (12,33/Rang neun).
Der HSV kann auch bei schlechtem Spielverlauf meist noch zusetzen, wie zuletzt eindrucksvoll in Heidenheim (3:3) bewiesen. Dieses Vabanque-Spiel führte allerdings auch schon zu fünf Niederlagen (Darmstadt nur eine). Die berechnete Aufstiegswahrscheinlichkeit liegt auch deshalb aktuell "nur" bei 69,30 Prozent. Die lediglich 30-prozentige Chance auf den Zweitligatitel würde mit einem Sieg am Samstagabend allerdings deutlich steigen.
HSV und Darmstadt in einigen Statistiken ganz schlecht
Bei allen Unterschieden zwischen Darmstadt und dem HSV gibt es aber auch überraschende Gemeinsamkeiten. Beide Teams kommen auf gerade einmal 16 Teampressing-Aktionen pro Spiel und rangieren in dieser Statistik gerade noch vor den Abstiegsplätzen. Die Norddeutschen sind auch bei den gelaufenen Kilometern (114,8), den Sprints (209,57), den intensiven Läufen (652,81) und beim Spieltempo (17,51 Pässe pro Minute) alles andere als herausragend. Noch schlechter ist dabei Darmstadt, das bei den gelaufenen Kilometern (111,32) Vorletzter, bei den Sprints (179,43) sowie den intensiven Läufen (599,33) jeweils Letzter und beim Spieltempo (16,86) Drittletzter des Ligavergleichs ist.
Spannung ist garantiert
Letzteres klingt nicht unbedingt nach einem Duell, das große Vorfreude auslösen dürfte. Doch wer das Hamburger Selbstverständnis kennt (Walter: "Unser Ziel ist es, nach Darmstadt zu fahren und die drei Punkte mitzunehmen."), darf sich sicher sein, dass Walter und Co. auf Revanche fürs Hinspiel sinnen und gleichzeitig die vielleicht letzte Chance ergreifen wollen, noch selbst Spitzenreiter zu werden.
Ihnen dürfte in die Karten spielen, dass mit Patric Pfeiffer und Matthias Bader zwei der besten Darmstädter verletzt fehlen. Der HSV muss weiter Mario Vuskovic ersetzen. Allerdings haben beide Teams zuletzt bereits gezeigt, dass sie die Ausfälle kompensieren können. Und apropos Hinspiel: Das war trotz des typischen Auftritts beider Mannschaften - oder gerade deswegen - eben wirklich sehr unterhaltsam.