Stürmer Pichler: "Holstein Kiel da oben kennt man nicht"

Stand: 02.08.2024 05:00 Uhr

Stürmer Benedikt Pichler ist eine von Holstein Kiels Offensiv-Hoffnungen im Kampf um den Klassenerhalt in der ersten Bundesliga. Im Interview spricht der 27-Jährige über Olympia, Träume und Erwartungen.

Heute startet die 2. Fußball-Bundesliga und Fans von Holstein Kiel können sich entspannt zurücklehnen und auf den 24. August freuen, wenn die KSV ihre allererste Partie in der Bundesliga absolvieren wird. Doch viele Experten schauen aktuell noch kritisch auf den Kader des Aufsteigers und nicht wenige vermuten, dass es für die Kieler schwer wird, die Klasse zu halten. Eine Hoffnung ist Stürmer Pichler. Der Österreicher genießt aktuell den Heimvorteil im Trainingslager in Seefeld.

Benedikt Pichler, wir freuen uns, dass Sie sich hier Zeit für uns genommen haben. Wie viel Platz bleibt für Heimatgefühle im Trainingslager hier?

Benedikt Pichler von Holstein Kiel zeigt einen Daumen nach oben. © NDR
Trainingslager in den Bergen: Heimvorteil für Holstein Kiels Österreicher Benedikt Pichler.

Benedikt Pichler: Tatsächlich eher wenig derzeit. Also bis auf die Berge hat man noch nicht viel mitbekommen, aber die Berge allein sind schon natürlich eine gelungene Abwechslung.

Machen Sie lieber Urlaub in den Bergen oder am Strand?

Pichler: In den Bergen. Wobei es kommt drauf an. Wenn ich jetzt in Österreich wohnen würde, würde ich an den Strand. Aber nachdem die Berge mir jetzt derzeit ein bisschen fehlen, würde ich jetzt eher mal wieder in die Berge gehen.

Das Training ist hart und ist intensiv - wie viel Power ist aktuell noch in ihrem Akku?

Pichler: Das ist schon zäh, aber das ist ganz normal im Trainingslager. Ich glaube, das kennt jeder und das muss auch so sein. Nur so kommt man auch voran und der Körper muss sich auch irgendwo adaptieren.

Jetzt geht es nicht mehr darum noch weiter aufzusteigen, sondern eher darum die Bundesligatauglichkeit unter Beweis zu stellen. Wie gut gelingt das schon?

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Pichler: Ich glaube erst mal haben wir gar nichts zu verlieren, weil uns - glaube ich - niemand zutraut, dass wir uns da oben irgendwie beweisen können. Und deswegen können wir schon mal befreiter die ganze Sache angehen. Natürlich haben wir wieder einige neue Spieler und auch ein paar wichtige Abgänge gehabt, die sicherlich eine Lücke hinterlassen, aber das haben wir auch letztes Jahr gehabt und haben es dann gut umgesetzt über die Saison hinweg.

Sie haben es angesprochen: Viele trauen der Mannschaft nicht zu, dass sie in der Liga bleibt. Was würden Sie denen entgegensetzen?

Pichler: Ich würde Ihnen gar nichts entgegensetzen. Wenn ich ein Außenstehender wäre, der hier nicht in dem Trainingszentrum ist, dann würde ich auch sagen: 'Holstein Kiel da oben kennt man nicht. Wieso sollten die sich da irgendwie etablieren oder irgendwie sich beweisen können?' Aber es war letztes Jahr schon so, dass Holstein Kiel niemand auf dem Radar gehabt hat. Trotzdem waren wir auf einmal da oben und sind da geblieben. Wie es dann in der Bundesliga funktioniert, das wissen nur wenige von uns. Aber wir haben harte Arbeiter in unseren Reihen und ich glaube, harte Arbeit wird am Ende belohnt werden - hoffentlich auch in dieser Saison.

Brauchen Sie denn trotzdem vielleicht auch noch ein paar Spieler, die noch mehr Bundesligaerfahrung mitbringen, um die Qualität im Kader noch ein bisschen zu verstärken?

Pichler: Also ich glaube, dass wir keine Spieler kriegen werden, wo du sagen kannst 'Boom, der zerreißt die Liga.' Ich glaube, dass wir gute Spieler in den Reihen haben, wo jeder zeigen muss, dass er auch ein guter Bundesligaspieler sein kann. Und ich glaube, dass jeder einzelne Spieler an sich und sein Potenzial glauben muss. Wir mussten uns beweisen, um dann am Ende als Profifußballer auf dem Platz zu stehen. Die Aufgabe ist es für jeden, sich jetzt wieder selbst neu zu beweisen und dann auch zu zeigen, dass es auf dem Niveau noch nicht zu Ende ist.

Wie groß ist denn dieser Spagat, als Fan Selfies mit Harry Kane zu machen, große Stadien zu genießen und trotzdem Leistung abzuliefern?

Pichler: Das ist schwer zu sagen, aber ich glaube, das ist so der eigene Anspruch, den man an sich selber hat, dass man einfach sagt: 'Ich bin in der Liga nicht als Fan, sondern ich bin Profisportler und ich will zeigen, dass ich da mitspielen kann.' Das haben die meisten Leistungssportler irgendwo in sich, weil sonst kommt man auch nicht so weit. Klar ist es für jeden von uns irgendwo ein verwirklichter Traum. Man trifft auf Spieler, wo man sagt, das sind Idole für mich. Aber am Ende des Tages will man sich da nicht abkochen lassen. Man hat sein Leben lang trainiert für genau diese Momente. Natürlich soll man es genießen und Spaß haben, aber am Ende ist es ein Leistungssport. Und ich glaube, jeder von uns ist Sportler genug, um zu wissen, dass es auch genau auf das ankommt.

Geht es Ihnen manchmal auch noch so, dass Sie auf der Suche nach Nachrichten über Holstein Kiel noch reflexartig auf die zweite Liga schauen? Also müssen Sie sich das selbst noch mal immer wieder vor Augen führen mit der Bundesliga?

Pichler: Ja, aber ich muss mir auch bis heute vor Augen führen, dass ich damals zur Austria Wien gewechselt bin in die österreichische Bundesliga und dass ich dann in Stadien in Deutschland spielen kann, die ich mir zuvor nie erträumt habe. Man schätzt es aber einfach und man kommt jetzt in Stadien, die auch nicht viel größer sind als beim HSV oder Schalke. Deswegen geht es darum, diese Balance zu finden zwischen Genießen und das einfach nur zu schätzen, wo man ist, aber gleichzeitig auch irgendwo mehr zu wollen. Ich glaube, keiner von uns möchte, dass das dann nach einem Jahr wieder vorbei ist. Jeder im Team ist stolz und hat auch irgendwo so ein bisschen das Gefühl, dass man ihn zwicken muss. Wenn ich meinem jüngeren Ich damals gesagt hätte, was ich in dem Alter alles erreicht habe, dann hätte ich mich extrem gefreut. Man unterschätzt manchmal in der Gegenwart, dass man vielleicht ab und zu auch mal demütig ist und sagt: 'Ja, das ist aber schon geil, was man da erreicht hat.' Ich kenne viele Fußballer, die auch richtig talentiert sind und gut sind und die spielen jeden Tag, jedes Wochenende vor 100 Leuten, einfach weil sie das nicht geschafft haben - aus irgendwelchen Gründen vielleicht auch durch Verletzungen.

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Wozu kommt man außerhalb des Trainings noch? Schauen Sie Olympia, interessiert Sie das?

Pichler: Ich persönlich schaue rund um die Uhr Olympia - sobald ich irgendwie Zeit für mich habe oder kurz im Hotelzimmer bin, schaue ich es. Olympia finde ich brutal gut. Ich habe auch mitbekommen, dass einige von den Teamkollegen sehr interessiert sind. Also es läuft eigentlich durchgehend, aber es ist natürlich nicht so viel Zeit.

Es gibt und gab viele prominente und erfolgreiche Österreicher in der Bundesliga: Toni Polster, David Alaba oder auch Andreas Herzog - was macht Sie optimistisch, dass Sie mal in deren Fußstapfen treten?

Pichler: Weil ich sehr ehrgeizig und zielstrebig bin, weil ich denen nacheifere seit ich denken kann. Für mich hat es immer drei große Ziele gegeben: Das Nationalteam, die österreichische Bundesliga und die deutsche Bundesliga. Jetzt bin ich bin auf einem guten Weg, dass das auch vielleicht am Ende meiner Karriere mal als erreicht da stehen kann. Ich will einfach gesund bleiben und der Rest kommt dann von alleine. Ich glaube so harte Arbeit und Zielstrebigkeit, die zahlen sich dann irgendwo aus und wenn nicht, dann will ich auf jeden Fall alles dafür gegeben haben, damit es klappt.

Haben Sie ein konkretes Vorbild?

Pichler: Nein, konkrete Vorbilder habe ich nicht, aber es gibt einige Stürmer, wo ich mir einiges abschaue und deren Videos studiere. Zum Beispiel Ollie Watkins (englischer Nationalspieler von Aston Villa) ist für mich so ein Spieler derzeit, wo ich sage, der hat einige Sachen, wo ich mich selber damit identifizieren kann und wo ich auch sage, der inspiriert mich derzeit ziemlich stark.

Auf welche Spiele freuen Sie sich in der Bundesliga?

Pichler: Also Bayern München war mit der Grenze zu Salzburg, meiner Heimat, für mich mein erstes großes Stadion, wo ich als Fan war. Deswegen war das für mich auch immer so was Riesiges. Da hätte ich mir auch ehrlicherweise nicht erträumen können, dass ich da mal in ein Pflichtspiel einlaufen werde. Deswegen ist das für mich und ich glaube auch so für die Leute, die in meinem Umfeld sind, so das Größte. Da habe ich auch schon sehr viele Tickets und Anfragen. Also ich glaube, das wird auch aufgrund von der Bindung zur Heimat sehr, sehr, sehr geil.

Das Interview führten die NDR Schleswig-Holstein Reporter Fabian Wittke und Samir Chawki.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 02.08.2024 | 19:30 Uhr

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