Pegel zu Hansa-Gewalt: "Das hat alle roten Linien überschritten"

Stand: 28.02.2023 09:08 Uhr

Die Randale einiger Hansa-Rostock-Fans rund um das Nordduell beim FC St. Pauli hat die Debatte um die Sanktionierung von Gewalttätern befeuert. Für Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) ist klar: Die Politik kann die Gewalttäter nur im Zusammenspiel mit den Vereinen empfindlich treffen. Hansa-Vorstand Robert Marien setzt auf Gespräche.

"Das, was wir dort gesehen haben an Gewalt gegen Ordner, gegen Dritte, auch untereinander, mit diesem Einsatz von extrem heißer Pyrotechnik - das hat alle roten Linien überschritten", sagte Pegel am Montag bei NDR MV Live mit Blick auf die Gewaltausbrüche aus dem Hansa-Fan-Umfeld rund um das Zweitliga-Nordduell FC St. Pauli gegen Rostock (1:0). Einige Hansa-Anhänger hatten am Sonntag im Millerntorstadion massiv Pyrotechnik abgefeuert und Wurfgeschosse eingesetzt. Ein Ordner wurde von einem Wurfgeschoss getroffen und musste verletzt ins Krankenhaus. Zudem wurde ein Anhänger des Kiezclubs durch einen Böller verletzt.

Clubs verurteilen Gewalt - Videomaterial wird ausgewertet

Darüber hinaus wurden im Millerntorstadion Waschbecken zerstört und ein Feuer im WC-Bereich gelegt. St. Pauli ermittelte im Rahmen einer Stadionbegehung am Montag im Gästebereich Schäden in mittlerer fünfstelliger Größenordnung. Die Kosten will der Verein dem Ostsee-Club in Rechnung stellen. Die Hamburger haben außerdem Strafantrag wegen Sachbeschädigung gestellt.

Wie die Bundespolizei am Montag mitteilte, richteten Hansa-Fans zudem auf dem Rückweg nach Rostock erhebliche Sachbeschädigungen in zwei Regionalbahnen an. Die Führungen beider Clubs verurteilten die Vorfälle scharf. "Es war für uns bislang nicht vorstellbar, dass Keramikteile aus zertrümmerten Sanitäranlagen als Wurfgeschosse benutzt werden", sagte St. Paulis Club-Boss Oke Göttlich. Sein Pendant bei Hansa, Robert Marien, kündigte eine Aufarbeitung der Vorfälle an und drohte den Tätern mit Konsequenzen. Video-Aufnahmen der Polizei würden nun ausgewertet, so Marien bei NDR MV Live.

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"Das Hausrecht geltend machen kann nur der Verein"

Es gehe nun darum, den Gewalttätern Grenzen zu setzen und die Gewaltbereitschaft zurückzudrängen, sagte Pegel. Dabei sieht der Minister auch die Vereine am Zug. Die Polizei könne Präsenz zeigen und polizeiliche Erkenntnisse an die Vereine weitergeben, damit diese gezielt gegen gewalttätige Fans vorgehen können. "Die Frage zum Beispiel, das Hausrecht geltend zu machen, kann nur der Verein durchsetzen", sagte Pegel mit Blick auf wirksame Sanktionen gegen Gewalttäter.

Aus seiner Sicht seien dies etwa Gewahrsamnahmen schon vor dem Spiel. "Denn das tut wirklich weh, nicht bei dem geliebten Spiel dabei sein zu können", so der Minister. Dies könne aber nicht der Staat von außen tun, denn dieser könne nur gegebenenfalls mit Haftstrafen, Geldstrafen und entsprechenden Verfolgungen reagieren. "Aber es gibt Dinge, die an der Grenze vor der strafrechtlichen Relevanz sind - an der Grenze, bevor das Gericht einschreiten kann, die aber den Hausrecht-Inhaber erforderlich machen - und das ist der Verein."

Pegel sieht Bremer Modell kritisch

In Bremen versucht die Stadt, dem Problem mit dem Kosten-Hebel beizukommen. Bei Hochrisikospielen muss Werder Bremen die Rechnung für die Kosten des Polizeieinsatzes begleichen. Doch Pegel sieht dieses Modell kritisch. "Wir sehen momentan leider nicht, dass es dazu führt, dass der Verein dadurch, dass er finanziell erheblich in Vorleistung gehen muss, dann umgekehrt stärker auch seine Fan-Szene in den Griff bekommt." Vielmehr werde am Ende bezahlt und alles laufe so weiter wie bisher. "Es scheint die Gewalt dort nicht wirklich existenziell zurückzudrängen - und das muss die Hauptaufgabe sein." Bei Bestrebungen, eine bundesweit einheitliche Linie zu finden, würde sich Mecklenburg-Vorpommern dem nicht verschließen, sagte Pegel.

Personalisierte Tickets? - Pegel skeptisch

Auch gegenüber personalisierten Eintrittskarten zeigte sich der Minister skeptisch. Die Diskussionen seien bereits vielfältig geführt worden. "Mein Eindruck ist, dass die Vereinswelt das nicht ganz so einfach umsetzen kann und vielleicht auch zum Teil nicht will", erklärte Pegel. Die Innenminister würden dies dennoch immer wieder thematisieren, weil die Polizeieinsätze mit erheblichem Aufwand verbunden seien. "Kostenaufwand, Personalaufwand und umgekehrt brauchen wir immer eine Bundesliga, die an der Stelle auch mitmacht", so Pegel.

Göttlich für Punktabzug bei Gewalt

Einen Schritt weiter ging St. Paulis Vereinspräsident Oke Göttlich, der neben Geldstrafen auch Punktabzüge für die Vereine ins Gespräch brachte. Finanzielle Strafen interessierten viele Clubs gar nicht mehr, so Göttlich. Hansa-Club-Boss Marien sieht den Vorschlag skeptisch: "Ich persönlich glaube nicht, dass das zur Lösung beiträgt." Er plädiere vielmehr für einen "bunten Blumenstrauß" - angefangen von präventiver Arbeit über Sicherheitsvorkehrungen bis hin zu vielen Gesprächen aller Beteiligten.

Von den St. Pauli-Fans wird die Idee von Göttlich sehr unterschiedlich bewertet. Auf der einen Seite gibt es Zustimmung, wie NDR 90,3 berichtete. Einige Fans fordern sogar einen kompletten Ausschluss von bestimmten Gästefan-Gruppen.

Auf der anderen Seite gibt aber auch viel Skepsis und Ablehnung zu dem Vorschlag von Göttlich und zu Kollektivstrafen insgesamt. Kritikpunkt: Solche Strafen träfen immer auch ganz viele Unbeteiligte. Bezweifelt wird zudem, ob Punktabzüge zielführend sind. Fans, die trotz Geldstrafen gegen ihren Verein randalieren, würden das wahrscheinlich auch bei Punktabzügen weiter tun.

Hansa-Vorstand Marien: Es bedarf unzähliger Gespräche

Hansa-Vorstand Marien erklärte, dass im Club intensiv über Folgerungen diskutiert werde. So werde gerade geprüft, ob Hansa beispielsweise bei Auswärtsspielen acht bis zehn seiner eigenen Ordner mitfahren lasse, um die Toiletten dort zu bewachen. "Das ist so eine Maßnahme."

Marien verwies darauf, dass Hansa bereits verstärkt in Sicherheitstechnik investiert habe - mit Erfolg. "Wir haben sehr, sehr viele Personen, ob das beim Bierbecherwurf anfängt bis zu Pyrotechnik, hier ermitteln können." Gleichwohl sei allen Beteiligten nach den Geschehnissen vom Wochenende klar, dass mehr geschehen müsse. "Deswegen wird es unzähliger Gespräche bedürfen in den nächsten Tagen, die es auch schon seit gestern Abend gegeben hat. Und ich habe niemanden erlebt - ob innerhalb der Fanszene oder auch außerhalb der Fanszene - der das irgendwie ansatzweise nicht als Grenzüberschreitung gesehen hat."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | NDR MV Live | 27.02.2023 | 17:00 Uhr

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