Eine Hand hält einige Geldscheine im Fußball-Stadion © imago images/MIS

Liga plant Milliarden-Deal - Göttlich: "Fußball außer Rand und Band"

Stand: 28.02.2023 09:51 Uhr

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) will Vermarktungsrechte für bis zu drei Milliarden Euro an einen Investor verkaufen. Die 50+1-Regel soll unangetastet bleiben. Doch St.-Pauli-Präsident Oke Göttlich hat dazu noch viele Fragen.

von Andreas Bellinger

Das Thema dürfte heftige Kontroversen auslösen: Die DFL plant die Gründung einer Lizenzgesellschaft, in die ein Investor mit bis zu 15 Prozent Beteiligung einsteigen kann. 2,5 bis drei Milliarden Euro könnten dadurch generiert werden. Vorausgesetzt, mindestens 24 der 36 Bundesliga-Clubs (Zweidrittelmehrheit) stimmen den Plänen der DFL-Kommission "AG Zukunftsszenarien" für die nächsten 25 bis 30 Jahre zu. Was St.-Pauli-Präsident Oke Göttlich für unwahrscheinlich hält.

Offene Fragen: 50+1 und Spielplan-Gestaltung

"Es sind noch sehr viele Fragen zu klären", sagte Göttlich im NDR Sportclub. Dem Konzept zufolge soll es eine zeitlich begrenzte Minderheitsbeteiligung an Lizenzerlösen aus der Verwertung von Bundesliga-Rechten für den Geldgeber geben. An der bestehenden 50+1-Regel, die einem Investor die Mehrheitsanteile an einem Club verwehrt, werde laut "Kicker" nicht gerüttelt, auch soll ein direkter Einfluss auf die Clubs und Kapitalgesellschaften in der DFL nicht möglich sein. Das gelte auch für den Wettbewerb, mithin die Gestaltung des Spielplans, wie es in Spanien und anderen Ligen längst Usus ist.

Göttlich hält es für wenig realistisch, dass in Deutschland ein solcher Sonderweg durchgesetzt werden kann. Er vermutet stattdessen, dass ein Investor darauf drängen würde, dass auch hierzulande der Spielplan gravierend zersplittert wird.

Finanzexperte Zülch: "Clubs geht es echt schlecht"

"Da müssen wir natürlich schauen, ob wir das mit unserer Fußball-Kultur überhaupt in Einklang bringen können", sagte Göttlich. Dass ein Investor - Interessenten soll es in den USA und Asien geben - Geld gibt, ohne Einfluss nehmen zu können, kann sich auch Finanzexperte Henning Zülch kaum vorstellen. "Wer soll das sein?" fragt der Wirtschaftswissenschaftler. Unbestritten sei für ihn allerdings, "dass es den meisten deutschen Clubs echt schlecht geht; dass sie Geld brauchen, um sich fit zu machen für die Zukunft". So gesehen sei eine Geldspritze alternativlos.

"Natürlich ist sie das nicht", widerspricht Göttlich. "Wir sind eine der gesündesten Ligen im Vergleich. Hätten wir Corona nicht gehabt, wäre die deutsche Liga europaweit die einzige, die eine positive Eigenkapitalquote bei allen Vereinen gehabt hätte."

VIDEO: Oke Göttlich zu Pyro-Attacken und DFL-Plänen (11 Min)

Geld soll auch in Infrastruktur der Clubs fließen

Das Geld eines möglichen Investors soll laut DFL-Konzept weniger ins operative Geschäft fließen, sondern zu einem signifikanten Teil in die Infrastruktur der Clubs, in Nachwuchsleistungszentren, Stadien und die Digitalisierung. Es wäre auch nicht "Sinn und Zweck der Veranstaltung", so Zülch, "dass die Vereine 100 Millionen kriegen und damit ihre Verbindlichkeiten bezahlen und vielleicht noch einen Spieler holen, den sie sich vorher nicht leisten konnten".

Göttlich fordert finanzielle Regeln

Nur ein geringer Teil der generierten Finanzen soll über einen neuen Verteilerschlüssel und über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahrzehnten direkt an die Vereine gehen. Auch das dürfte Streit auslösen. Denn wie die Ausschüttung der TV-Gelder (in dieser Saison 1,249 Milliarden Euro) zeigt, herrscht über die Umlage seit jeher Missstimmung unter den Clubs der Ersten und Zweiten Liga. Die einen wollen noch mehr, weil sie fürchten, im internationalen Vergleich abgehängt zu werden - die anderen möchten angemessen beteiligt werden, weil sie fürchten, der Wettbewerb würde sonst in noch größere Schieflage geraten.

"Wir bei St. Pauli wollen Regulatorik", betonte Göttlich. "Wir möchten, dass Fußballclubs finanziellen Regeln unterworfen werden, die klar und eindeutig sind." Zustände wie in der englischen Premier League mit "ihrem völlig unregulierten Markt, der kein 50+1 kennt", lehnt St. Pauli ab - und darf sich in dieser strikten Haltung durch jüngste Beschlüsse bestätigt fühlen.

Unabhängige Kontrolle für die Premier League

Im Kampf gegen astronomische Transfersummen - allein in diesem Winter wurden in der Premier League 830 Millionen Euro ausgegeben (in der Bundesliga waren es 67 Millionen Euro) - will die britische Regierung die Liga unter die Aufsicht einer unabhängigen Stelle stellen, um das Agieren von Investoren kontrollieren und regulieren zu können. "Und wir vergleichen uns lustigerweise mit der Premier League", sagte Göttlich. Zu klären sei so gesehen, "inwieweit das vorgelegte Konzept überhaupt ein sinnvolles Geschäftsgebaren seitens der DFL ist".

Göttlich: Wettbewerb nicht kaputt machen

Dass Handlungsbedarf besteht, "dass der Fußball nicht nur in England außer Rand und Band ist, ist uns doch allen klar", so Göttlich. Für den FC St. Pauli stehe ein Investoren-Einstieg in die DFL aber nur dann zur Debatte, "wenn sehr, sehr, sehr klar ist, was mit dem Geld passiert. Und dass es nicht in dem Maße weiter wie bisher ungleich verteilt wird - und damit der Wettbewerb kaputt gemacht wird."

Weitere Informationen
Die Bank des FC St. Pauli jubelt © Witters

FC St. Pauli im Jahr 2023: Effizienter, kompakter, erfolgreicher

Die Braun-Weißen weisen in der Rückrunde weiterhin eine makellose Bilanz auf. Trainer Fabian Hürzelers Anpassungen haben das Spiel der Hamburger erfolgreich verändert. mehr

Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 26.02.2023 | 22:50 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

2. Bundesliga

FC St. Pauli

Mehr Fußball-Meldungen

Co-Trainer Dirk Flock und Trainer Dirk Brinkmann (v.l.) vom Fußball-Drittligsten FC Hansa Rostock © IMAGO / Andy Bünning

Hansa Rostock: Brinkmann-Heimdebüt gegen die alte Liebe Bielefeld

Der neue Coach des Rostocker Fußball-Drittligisten feiert am Sonnabend gegen seinen Ex-Club seinen Einstand im Ostseestadion. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?