"Komplette Leere": Harniks Erinnerungen an das HSV-Debakel gegen Sandhausen
Der HSV muss am Sonntag beim SV Sandhausen siegen und auf einen Patzer des 1. FC Heidenheim hoffen, um den direkten Aufstieg in die Fußball-Bundesliga zu schaffen. Das Duell der Hamburger mit den bereits abgestiegenen Kurpfälzern fällt in die Rubrik "Pflichtaufgabe". Vor drei Jahren trafen die Norddeutschen am letzten Spieltag schon einmal auf den SVS - und erlebten ein Debakel.
Der HSV muss an diesem frühen Sonntagabend des 28. Juni 2020 nur noch Sekunden überstehen, dann ist er endlich erlöst. Erlöst von einem Gegner, der ihn gedemütigt hat. Und erlöst von einer Saison der vergebenen Chancen, in der es erneut nicht zum Aufstieg gereicht hat.
Sandhausen initiiert in der dritten Minute der Nachspielzeit den letzten Angriff des Spiels. Abgeschlossen wird er von Dennis Diekmeier, der mit einem satten Rechtsschuss zum 5:1-Endstand für die Gäste trifft. Acht Jahre lang hatte der Rechtsverteidiger vor seinem Wechsel zum SVS bei den Hamburgern unter Vertrag gestanden und war dabei ohne Treffer geblieben. Nun erzielt der Rechtsverteidiger ausgerechnet gegen den HSV sein zweites Profitor.
Für Diekmeier, der zwei Jahre zuvor bei den Hamburgern aussortiert worden war, ist es eine Genugtuung. Für seinen Ex-Club der Schlusspunkt hinter einer frustrierenden Partie, in der ihm ein Zähler gereicht hätte, um Heidenheim noch vom Relegationsplatz zu verdrängen. Die Ostwürttemberger hatten ihre Begegnung bei Meister Arminia Bielefeld mit 0:3 verloren.
Harnik: "In der Kabine herrschte Totenstille"
In der Kabine des HSV wird anschließend kein Wort gewechselt. "Es herrschte Totenstille. Jeder Einzelne war enttäuscht. Da war vom Kopf und Körper her eine komplette Leere", erinnert sich Stürmer Martin Harnik im Gespräch mit dem NDR. Der frühere österreichische Nationalspieler stand seinerzeit in der Startelf und wurde zur Halbzeit beim Stand von 0:2 gegen Sonny Kittel ausgewechselt. Auch mit dem Edeltechniker, der noch heute im Kader der Hamburger steht, wurde der Auftritt der Hausherren nicht besser. "Wir sind kopflos angerannt. Und Sandhausen hatte richtig Bock, uns zu nerven", sagt Harnik.
Für ihn war es das letzte Profispiel. Nur bei einem Aufstieg hätte der HSV die Kaufoption für den zu diesem Zeitpunkt von Werder Bremen ausgeliehenen Angreifer ziehen müssen. Harnik kehrte zum Bundesligisten zurück, löste seinen noch ein Jahr gültigen Vertrag wenig später auf und geht seitdem für den Oberligisten TuS Dassendorf auf Torejagd.
HSV lässt vor Sandhausen-Debakel schon zu oft Federn
Heute denkt der 35-Jährige nur noch ungerne an eine der schmerzlichsten Niederlagen seiner langen Profikarriere zurück. "Der Spielverlauf ist mir nicht mehr so präsent", erklärt Harnik. Die Gründe für die Vorführung durch die Sandhäuser vor damals Corona-bedingt leeren Rängen im Volksparkstadion sieht er in den Wochen zuvor. "Wir hatten viele Nackenschläge bekommen, immer wieder späte Gegentore kassiert. Da hat das Selbstvertrauen hart drunter gelitten. Da kommt man schon ins Zweifeln", sagt der 240-malige Bundesliga-Spieler.
Immer wieder hatte der HSV in der Rückrunde Führungen verspielt. So auch am vorletzten Spieltag auswärts in Heidenheim, als die Hanseaten bis zur 80. Minute mit 1:0 in Front lagen und dann noch zwei Treffer zur 1:2-Pleite hinnehmen mussten. Der HSV musste die Ostwürttemberger in der Tabelle auf Rang drei vorbeiziehen lassen und ging als Vierter in das Duell mit dem SVS.
Eigentor und Verletzungen: Ein Unglück kommt selten allein
Gegen die immer unbequem zu bespielenden Kurpfälzer reihte sich dann ein Hamburger Unglück ans nächste. Zunächst unterlief Rick van Drongelen ein Eigentor zum 0:1 (13.). Es folgten der zweite Gegentreffer durch Kevin Behrens (21.) sowie die verletzungsbedingten Auswechslungen von Jan Gyamerah (24.) und van Drongelen (36.). Die ohnehin sehr unsicher agierende HSV-Abwehr verlor so weiter an Stabilität. Zur Pause musste dann auch noch Innenverteidiger Ewerton in der Kabine bleiben. Allerdings aus Leistungsgründen. Der angeschlagen in die Partie gegangenen Brasilianer war das größte Sicherheitsrisiko für ein Hamburger Team, das über die gesamte Distanz wie gelähmt wirkte.
HSV hätte Remis zur Relegation gereicht
Selbst der 1:2-Anschlusstreffer im zweiten Abschnitt durch einen von Aaron Hunt verwandelten Foulelfmeter (62.) gab der Mannschaft von Coach Dieter Hecking keinen Auftrieb. "Dabei hätte uns doch schon ein weiteres Tor gereicht, um in die Relegation zu kommen", trauert Harnik noch heute der vergebenen Chance nach. Heidenheim lag in Bielefeld bereits mit 0:3 in Rückstand, als Hunt für den HSV verkürzte. "Aber dann haben wir gefühlt schon im Gegenzug das 1:3 bekommen", erinnert sich Harnik.
Ganz so schnell ging es damals zwar nicht. Aber auch wenn die weiteren Sandhäuser Tore durch Behrens (84./Strafstoß), Mario Engels (88.) und Diekmeier erst in der Schlussphase fielen, war der Sieg der Kurpfälzer eigentlich zu keinem Zeitpunkt gefährdet. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir noch vom vierten in den fünften Gang hochschalten können", erklärte Hecking. Der Trainer sah wie Harnik allerdings nicht das Sandhausen-Spiel als entscheidend für den verpassten Aufstieg an: "Wir sind als großes Ganzes gescheitert."
Sonntag erneut Fernduell zwischen HSV und Heidenheim
Am Sonntag (15.30 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) heißt der Gegner des HSV am letzten Spieltag erneut Sandhausen. Wie vor drei Jahren hat die Partie für die Kurpfälzer keine sportliche Relevanz mehr. Ihr Abstieg steht bereits fest. Auch die Hamburger könnten das Spiel eigentlich entspannt angehen, da ihnen Rang drei bereits sicher ist. Doch da gibt es ja noch die Hoffnung, dass der Tabellenzweite Heidenheim (ein Zähler Vorsprung) beim Vorletzten Jahn Regensburg nicht gewinnt. In diesem Fall könnte der HSV mit einem Sieg im Hardtwaldstadion den direkten Aufstieg perfekt machen.
Ein Szenario, dass sich Harnik allerdings schwer vorstellen kann. "Der HSV wird gewinnen. Aber ich glaube nicht, dass Heidenheim in Regensburg nicht siegt. Sie sind zu stabil und Regensburg in dieser Saison nicht gut genug", sagt der 35-Jährige. Zuweilen aber schreibt der Fußball ja die verrücktesten Geschichten. So wie an jenem 28. Juni 2020 im Volksparkstadion.