"Moment für die Ewigkeit" - Als der HSV 1983 den Europacup gewann
Die Nacht des 25. Mai 1983 war magisch für den HSV: Felix Magath schoss die Hamburger in Athen zum Sieg gegen Juventus Turin und zum Europokal-Triumph. 40 Jahre danach reiste der NDR mit dem Torschützen, Manfred Kaltz und Bernd Wehmeyer erneut zur Stätte des größten Erfolgs der Vereinsgeschichte. Einmal Olymp und zurück mit drei HSV-Helden.
"Guck, guck, guck, konnte er nicht halten!" Felix Magath ist wieder voll eingetaucht in die legendäre "Nacht von Athen". Dabei sitzt der 69-Jährige 40 Jahre später nur in einem Restaurant in der griechischen Hauptstadt und starrt auf ein Handy. Der Schütze des wohl wichtigstens Tores der HSV-Geschichte ist auch vier Jahrzehnte nach dem Triumph im Europapokal der Landesmeister bekannt wie ein bunter Hund in Athen.
Die griechischen Kellner in der lauschigen Taverne haben das einstige Spielmachergenie wie viele andere auf dieser Reise sofort erkannt, ein Video des fulminanten Linksschusses von der Strafraumkante in den Winkel rausgesucht und begeistern sich nun zusammen mit Magath an der kleinen Zeitreise auf dem kleinen Bildschirm. Einer von ihnen war damals sogar im Athener Olympiastadion, als die meisten Griechen im Finale zum HSV hielten.
"Da kriegt man schon Gänsehaut, wenn sich die Leute in Athen nach 40 Jahren daran erinnern und es sofort heißt: 'Hamburgo, Hamburgo'!" Bernd Wehmeyer
Der große Favorit Juventus Turin hatte ja genug eigene Fans mitgebracht. Eine regelrechte Tifosi-Invasion hatte es in Athen gegeben. "Alitalia"-Maschinen wie am Fließband donnerten an jenem 25. Mai über die Köpfe der HSV-Profis hinweg, als sich das Team auf einem Golfplatz vor dem großen Endspiel die Beine vertrat und Trainer-Legende Ernst Happel mit seinen Leistungsträgern die Taktik gegen das Topteam um Michel Platini besprach. "Wir waren klarer Außenseiter", sagt Magath.
40 Jahre später sitzt Manfred Kaltz, der Erfinder der Bananenflanke und HSV-Titelhamster, zusammen mit Magath und "Fummel" Wehmeyer wieder im Flugzeug nach Athen und der Flachs blüht: "Ich bin heute aufgeregter als damals", sagt der HSV-Rekordspieler und lacht. "Ich hoffe, das legt sich noch bis zum Spiel."
"Die damalige Mannschaft von Juventus Turin hatte die Qualität eines besseren Manchester City. Das war eine Weltauswahl." Felix Magath
1983 waren die Hamburger "selbstsicher nach Athen geflogen", wie sich Horst Hrubesch erinnert. Der damalige Kapitän ("Manni Flanke, ich Kopf, Tor!") wurde sogar leicht übermütig. "Ich kann mich erinnern, dass ich noch vor dem Warmmachen im Stadion etwas scherzhaft gefragt habe: 'Wo muss ich denn gleich den Pokal abholen?'"
Dass das Kopfball-Ungeheuer (Magath: "Horst Hrubesch hatte nie Angst, der hat immer den Kopf zwischen die Schultern genommen und ist vorwärts marschiert.") den Pott tatsächlich abholen durfte, dafür sorgte Magath bereits in der achten Spielminute.
1:0 nach acht Minuten - "Oh Scheiße, zu früh"
"Der Ball flog und flog, so, dass er nicht zu halten war. Genau oben in den Winkel. Aber mein erster Gedanke war: 'Oh Scheiße, zu früh'", erinnert sich der Siegtorschütze. "Der war unhaltbar, auch für einen Weltmeister-Torwart Dino Zoff", stellt Wehmeyer auch noch 40 Jahre später fest.
Viel hat sich für die drei HSV-Helden im Athener Olympiastadion nicht verändert, als sie ihren Blick über die diesmal leeren Ränge und auch ihre Gedanken schweifen lassen. "Hier vorne hat dir der 'Joschi' den Ball weggenommen", sagt Wehmeyer und lacht. "Er hat ja zum Glück auch zu Magath gespielt", ist Kaltz nicht mehr böse drum.
Bastrup nach Kieferbruch mit Strohhalm
Das eingespielte und selbstbewusste HSV-Team, in dem jeder für jeden da war, brachte den Sieg trotz der frühen Führung nach Hause und die Party-Nacht von Athen nahm ihren Lauf.
Stürmer Lars Bastrup, dem Claudio Gentile mit einem fiesen Ellenbogenstoß einen Kieferbruch verpasst hatte, konnte "nur mit Strohhalm" feiern, erinnert sich Kaltz und macht unter großem Gelächter nach, wie der Däne die Kaltgetränke schlürfte. "Der konnte schon damals drüber lachen", sagt Magath. "Nur nicht sprechen", ergänzt Kaltz.
Mittlerweile sind die drei HSV-Legenden im Stadion weitergewandert, an die Stelle, wo "der Lange" Hrubesch den Pokal in den Athener Nachthimmel stemmte. "Man realisiert in dem Moment nicht, dass du etwas für die Ewigkeit geschafft hast", sagt Wehmeyer.
Doch genau das taten sie. Zumal der HSV kurz nach dem Triumph von Athen auch noch die Meisterschaft einfuhr. "Meister und Europapokalsieger an einem Wochenende, sowas träumt man ja gar nicht, weil das viel zu weit weg ist", so Magath. "Das war der größte Erfolg jedes Einzelnen, aber auch vom Hamburger SV. Darauf sind wir alle stolz."
Ob der Traditionsclub, der aktuell um die Rückkehr in die Bundesliga kämpft, jemals wieder in diese Sphären vorstoßen wird? "Ich weiß es nicht", sagt Kaltz. "Da müssen wir vielleicht noch ein paar Jahre warten."
Magath, der "bunte HSV-Hund von Athen"
Die Reise zurück auf den Olymp endet für die Helden von einst, wie sie begonnen hat. Auch dem Taxifahrer auf dem Weg zum Flughafen in Athen kommt dieser Mann mit Brille sehr bekannt vor. "Zeig ihm deinen Pass", fordert Wehmeyer Magath auf, der dieses Mal gerne ein bisschen nachhilft. Ein paar Erinnerungsfotos mit dem "bunten HSV-Hund von Athen" lassen den griechischen Taxifahrer beseelt zurück.
Nicht ausgeschlossen, dass er sich danach das legendäre Tor auf dem Handy angeschaut hat und auch wieder in die magische HSV-Nacht von Athen eingetaucht ist. Die lässt auch 40 Jahre später keinen kalt.