Ernst Happel sitzt in Hamburg an der Alster. © Witters Foto: Wilfried Witters

Happel: Visionär, Grantler, Erfolgscoach

Stand: 14.11.2017 09:28 Uhr

Ernst Happel gewann als erster Trainer mit zwei Clubs den Europapokal der Landesmeister und formte den Hamburger SV zu einer der besten Mannschaften in der Bundesliga-Geschichte. Sein taktisches Genie war ebenso legendär wie seine grantige Art im Umgang mit der Presse. Happels Lebensmotto: "Ein Tag ohne Fußball ist für mich ein verlorener Tag."

von Sebastian Ragoß

Als Spieler ein Star, als Trainer eine Legende: Der Wiener Ernst Happel prägte den Fußball in Europa und führte den Hamburger SV 1983 zum größten Erfolg der Club-Geschichte: dem Sieg im Europapokal der Landesmeister. Happel war als Aktiver ein Weltklasse-Verteidiger bei Rapid Wien. 51 Mal trug er das Trikot der österreichischen Nationalmannschaft und nahm an den Weltmeisterschaften 1954 und 1958 teil.

Happel war extrem talentiert, aber seine Einstellung als Spieler entsprach nicht einmal in Ansätzen seinem Arbeitseifer als Coach. Hartes Training und Disziplin waren ihm ein Graus. Zigaretten und ein (oder auch mehrere) Gläschen Alkohol gehörten zu Happels Fußballer-Alltag. "König Lungenzug" nannte ihn rückblickend sein ehemaliger Rapid-Mitspieler und späterer Intimfeind Max Merkel.

Abschied aus Österreich 1962

Nur drei Wochen nach seinem Karriereende 1959 übernahm Happel das Traineramt bei Rapid - offiziell fungierte er als Sportdirektor - und feierte mit den Hütteldorfern 1960 seine erste Meisterschaft. Bis 1962 blieb Happel in Wien, dann ging er ins Ausland und kehrte erst 25 Jahre später in seine Heimat zurück. Zunächst arbeitete der Österreicher in den Niederlanden. Anfangs bei ADO Den Haag, dann bei Feyenoord Rotterdam.

Europacupsieger mit Feyenoord Rotterdam

Im aufstrebenden holländischen Fußball konnte Happel ("mir ist ein 5:4 lieber als ein 1:0") seine Idee vom offensiven, attraktiven Fußball entwickeln. Am 6. Mai 1970 hielt der Erfolgstrainer erstmals den Landesmeister-Pokal in den Händen: Feyenoord hatte Celtic Glasgow in Mailand mit 2:1 besiegt. Nach einem Engagement beim FC Sevilla (1973 bis 1975) setzte der Österreicher in den Beneluxstaaten seine Erfolgsserie fort. Mit dem FC Brügge wurde Happel dreimal in Folge belgischer Meister (1976 bis 1978).

"Nebenbei" führte er die niederländische Nationalmannschaft 1978 zur Vize-Weltmeisterschaft. Im Sommer 1981 wechselte der Coach von Standard Lüttich zum Hamburger SV. Der damalige HSV-Manager Günter Netzer war derart überzeugt von Happels Arbeit, dass er aus seinem Privatvermögen den Transfer mitfinanzierte.

Pressing und Abseitsfalle

Der Jugoslawe Branco Zebec hatte in der Hansestadt eine starke Mannschaft geformt, Happel machte sie zu einem der besten Teams in der Bundesliga-Geschichte. Die Hamburger spielten das von Happel entwickelte Pressing, deckten im Raum (Happel: "Spielt man Manndeckung, dann hat man elf Esel auf dem Platz.") mit einer perfekt funktionieren Abseitsfalle und begeisterten mit ihrem Offensiv-Fußball die Massen.

36 Bundesliga-Partien ohne Niederlage

In Happels erstem Trainerjahr stürmte der HSV durch die Bundesliga, erzielte sagenhafte 95 Treffer und blieb zwischen Januar 1982 und Januar 1983 in 36 Partien ungeschlagen. Der Meisterschaft 1982 folgte die Titelverteidigung zwölf Monate später. Am 25. Mai 1983 besiegte der Hamburger SV im Europacup-Finale Juventus Turin (1:0.) - dank einer taktischen Meisterleistung Happels.

Der HSV als Gegenentwurf zur Nationalmannschaft

Die Hamburger spielten modern, kreativ und waren damit auch ein Gegenentwurf zur biederen deutschen Nationalmannschaft unter Jupp Derwall. Obwohl der Hamburger SV die Liga beherrschte, hatten seine Spieler einen schweren Stand beim Bundestrainer. Doch laut Kapitän Horst Hrubesch weckte die Nationalmannschaft damals bei den Hanseaten ohnehin nur geringes Interesse: "Von Jupps Truppe spricht bei uns niemand", so der Mittelstürmer.

Kettenraucher und Weinbrand-Trinker

Happel kompensierte derweil den Stress des Profi-Trainers auf wenig sportliche Art: Er rauchte weiterhin Kette, trank seinen Kaffee mit Weinbrand und machte auch aus seiner Leidenschaft für Glücksspiel keinen Hehl. Laut Netzer wurde deshalb bei der Auswahl des Trainingslagers auch darauf geachtet, dass ein Kasino in der Nähe war, in dem der "Alte" spielen konnte.

HSV-Trainer Ernst Happel und Jimmy Hartwig © imago sportfotodienst
Ernst Happel mit HSV-Profi Jimmy Hartwig.

Medienarbeit hasste Happel fast so sehr wie Niederlagen, und nicht selten bestanden seine Pressekonferenzen aus drei oder vier Sätzen. "Schreiben S', was woll'n. Is' mir eh wurscht", fuhr der "Grantler" gelegentlich Journalisten an. Trotz seines teilweise rüden Auftretens in der Öffentlichkeit pflegte Happel zu seinen Spielern meist ein gutes Verhältnis. "Der erste menschliche Schleifer, den ich in meinem Leben getroffen habe", urteilte Netzer über Happel.

Ein wohl etwas romantisierendes Bild: Wer in Happels Fußball-Maschinerie nicht funktionierte, bekam mitunter die geballte Gefühlskälte des großen Meisters zu spüren. Denn die Nachlässigkeiten, die sich der Spieler Happel geleistet hatte, ließ der Trainer Happel nicht durchgehen.

"Ein Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag"

Bis 1987 trainierte der Österreicher den Hamburger SV. In seinem letzten Spiel auf der Bank gewannen die Norddeutschen den DFB-Pokal gegen die Stuttgarter Kickers (3:1), der bis heute letzte große Titel für den Traditionsverein. Anschließend verließ Happel Hamburg. Schon damals war er gesundheitlich schwer angeschlagen.

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Nur fünf Jahre später sollte er vom Krebs besiegt werden. Zurück in Österreich, holte er mit dem FC Tirol seine nationalen Meisterschaften Nummer acht und neun, bevor er die Nationalmannschaft Österreichs übernahm. Vier Tage vor einem Länderspiel gegen Deutschland starb Happel am 14. November 1992.

In Österreich herrschte Staatstrauer, Bundeskanzler Franz Vranitzky hielt die Grabesrede. Die Stadt Wien benannte das Praterstadion in Ernst-Happel-Stadion um. "Ein Tag ohne Fußball ist für mich ein verlorener Tag", hatte Happel einst gesagt. Kaum jemand verkörperte diese Lebenseinstellung besser als der große Coach aus dem 14. Wiener Bezirk.

Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 24.05.2015 | 22:50 Uhr

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