HSV: Kulturrevolution mit Happel
Nach einer frustrierenden Saison 1979/1980, in der die Meisterschaft am vorletzten Spieltag aus der Hand gegeben wird, sowie der alkoholbedingten Trennung von Branco Zebec in der folgenden Spielzeit (wieder nur Vizemeister) verzichtet HSV-Manager Günter Netzer auf neue Spieler. Er investiert 1981 in Ernst Happel, einen kettenrauchenden österreichischen Fußball-Weltenbummler. Die Verpflichtung leitet die erfolgreichsten Jahre des norddeutschen Bundesliga-"Dinos" ein.
Auf Anhieb Meister mit dem HSV
Der Wiener krempelt das vorhandene Team taktisch komplett um. Nie ist in der Bundesliga die fußballerische Handschrift eines Trainers offensichtlicher gewesen. Das HSV-Personal hetzt den Gegner bei dessen Ballbesitz über den gesamten Platz - immer auf Balleroberung bedacht. Um sich konditionell nicht zu überfordern, macht die Mannschaft das Spielfeld eng ("Pressing"), rückt weit auf und praktiziert eine akribisch einstudierte Abseitsfalle. Aus Ersatz-Außenstürmer Bernd Wehmeyer zimmert sich Happel den pfeilschnellen Verteidiger, den er braucht.
Happel hält sogar Beckenbauer bei Laune
"Für diese Taktizi braucht’s a Kondizi" - die jahrzehntelange Europatournee hat auch in Happels Sprache ihre Spuren hinterlassen. Mit der Nobody-Truppe von Feyenoord Rotterdam gewann er den Europapokal der Landesmeister 1970 und den Weltpokal, mit Hollands Nationalmannschaft wurde er Vizeweltmeister. Der Respekt vor dem meist undeutlich vor sich hingrantelnden Coach wächst stündlich. In Fan-Kreisen kursiert hartnäckig eine Anekdote: Happel in Holland bei einem neuen Club, erstes Training. Happel stellt eine Bierdose auf eine Torlatte, schnappt sich einen Ball, schießt sie runter. "Nachmachen." Wer trifft, darf duschen gehen. Die Spieler kicken und verzweifeln. Es wird dunkel. Happel nimmt sich den Ball erneut, trifft wieder. Stimmt das? Happel grinst nur, knurrt etwas, das sich nach "Na, so ungefähr" anhört.
Neues Traumpaar Kaltz/Hrubesch
Dem Trainer gelingt selbst das Kunststück, den im Vorjahr aus den USA verflichteten und oft verletzten Ex-Superstar Franz Beckenbauer bei Laune zu halten, ohne ihn regelmäßig einzusetzen. Ohnehin hat die Mannschaft den Österreicher schnell ins Herz geschlossen, weil sein Training vorwiegend mit Ball stattfindet und weit weniger hart ist als das von "Schleifer" Zebec. Mittelstürmer Horst Hrubesch lobt: "Bei ihm stimmt das Verhältnis Arbeit - Schnaps." Der inspirierende Happel formt auch noch ein neues Traumpaar. Nationalverteidiger Manfred Kaltz, der unter Happel langsam zum offensiven Mittelfeldspieler wird, schlägt seine Bananenflanken immer zielgenauer auf Hrubeschs Schädel. Wie rund die Hälfte seiner 27 Saisontreffer, die ihn zum Torschützenkönig der Liga machen, zustandekam, beschreibt der Westfale so: "Manni Flanke, ich Kopf, Tor".
Das beste HSV-Bundesligaspiel
Sein Meisterstück liefert der Happel-HSV ausgerechnet beim Verfolger Bayern München ab. 1:3 liegt er 20 Minuten vor Schluss zurück, unter anderem nach einem katastrophalen Fehlgriff von Torwart Uli Stein. Von Heesen und Hrubesch sorgen für den Ausgleich, und in der Nachspielzeit nickt der Mittelstürmer einen Magath-Freistoß ins Bayern-Tor. Das 4:3 ist bei HSV-Fans bis heute Kult - das beste Bundesligaspiel ihres Vereins. Die Meisterschaft ist entschieden, die letzten Wochen werden getrübt vom UEFA-Cup-Finaldebakel gegen Göteborg (0:1, 0:3). Den durch die erste Happel-Spielzeit geschlauchten Hanseaten geht die Puste aus. Am letzten Spieltag kommt der Meister gegen Karlsruhe nach einer 3:0-Führung nicht über ein 3:3 hinaus.