Steven Skrzybski von Holstein Kiel © IMAGO/Sportfoto Zink Foto: Wolfgang Zink

Holstein Kiels Skrzybski: Das macht den Zweitliga-Toptorjäger so stark

Stand: 29.10.2022 07:00 Uhr

Mit neun Toren und vier Vorlagen führt Steven Skrzybski von Holstein Kiel nach 13 Spieltagen die Torschützen- und auch die Scorerliste der zweiten Fußball-Bundesliga an. Der Datencheck zeigt: Der gebürtige Berliner ist in dieser Saison so stark wie nie zuvor - und weckt damit Erinnerungen an das "Tor-Phantom".

von Florian Neuhauss

Der Name Skrzybski bereitet in dieser Saison wohl so manchem Zweitliga-Kicker schlaflose Nächte. Nicht nur der für viele auch nach knapp zwölf Jahren im Profifußball immer noch schwer auszusprechende Name auf dem Trikot, das in dieser Spielzeit einige nur von hinten sehen (Gesprochen: Skrüppski, d.Red.). Sondern auch weil der mittlerweile 29 Jahre alte Berliner seit Saisonbeginn kaum aufzuhalten ist - und fast nach Belieben trifft.

"Wir erspielen uns extrem viele Torchancen. Ich glaube, jeder Spieler hat im Schnitt ein, zwei gute Chancen pro Spiel. Ich habe halt aktuell das Quäntchen Glück, dass die Dinger reinfallen." Steven Skrzybski

Das Problem für seine Gegenspieler: Skrzybski ist nicht greifbar. Vom Papier her ein Rechtsaußen, ist er in der Offensive der KSV Holstein eigentlich überall. Und dann ist da noch das Phänomen mit den Zweikämpfen. Die Daten von GSN zeigen nämlich, dass Skrzybskis Gegenspieler eigentlich viel richtig machen.

Skrzybski gewinnt nur drei Offensivzweikämpfe in 90 Minuten

Skrzybski führt ohnehin nur wenige Zweikämpfe (14 pro 90 Minuten), er verliert davon aber auch den Großteil: Seine Zweikampfquote liegt insgesamt bei 32,86 Prozent, in der Offensive ist sie mit 33,33 Prozent nur unwesentlich besser. Und um das noch an einer absoluten Zahl deutlich zu machen: Pro 90 Minuten gewinnt Skrzybski gerade einmal drei Offensivzweikämpfe.

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Und doch ist der Wahl-Kieler in den entscheidenden Werten bei den Toren und Vorlagen überall vorn mit dabei: 0,89 Tore pro 90 Minuten bedeuten Rang zwei im Stürmervergleich und 0,40 Vorlagen pro 90 Minuten Platz eins.

Dazu schlagen 2,40 Torchancen (2.), 36 erfolgreiche Aktionen (3.), 3,50 Schüsse (2.) und 1,68 Schüsse aufs Tor (3.) zu Buche. Mit 28 Pässen insgesamt belegt er genauso Rang vier wie mit den 4,53 Pässen ins letzte Drittel. Mit den 21 angekommenen Pässen ist er Dritter.

Träume erfüllt: Tore "auf Schalke" und Champions League

Skrzybskis Karriere begann 2010 bei Union Berlin, wo ihm auch der Durchbruch gelang. 2016/2017 verpassten die "Eisernen" trotz Topscorer Skrzybski (acht Tore/fünf Vorlagen) als Tabellenvierter knapp den Bundesliga-Aufstieg. Ein Jahr später steigerte der Offensivmann seine Ausbeute noch einmal deutlich: 14 Tore, fünf Vorlagen. Aber die Köpenicker kamen nicht über Rang acht hinaus.

Da kam ein Anruf aus Gelsenkirchen gerade recht: Skrzybski wechselte zu Schalke 04, seit Kindertagen sein Lieblingsclub. Doch glücklich wurde er dort nicht. Wenngleich er sich mit Toren für die "Königsblauen" - unter anderem ein Doppelpack vor ausverkauftem Haus "auf Schalke" - und Spielen in der Champions League Lebensträume verwirklichte.

Verletzungen bremsen steilere Karriere aus

Besonders muskuläre Verletzungen - allein fünf in drei Vertragsjahren bei Schalke - machten Skrzybski immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Nach eineinhalb Jahren ließ er sich für ein halbes Jahr zu Fortuna Düsseldorf ausleihen, das die vereinbarte Kaufoption aber nicht zog.

"Wir wussten schon länger, dass der Steven ein sehr guter Spieler ist. Aber er hatte natürlich auch viele Probleme und eine schlechte Phase, als er nach Kiel gekommen ist." Trainer Marcel Rapp

Er kehrte im Sommer 2020 zu Schalke zurück, kam aber nicht mehr über die Jokerrolle hinaus. Nach dem Abstieg 2021 gingen beide Seiten getrennte Wege, auch wenn Skrzybski keinen Hehl daraus macht, dass er gern geblieben wäre. Nächste Station: Kiel.

Kiel und Skrzybski - das passt

An der Ostsee liefert er nach einer holprigen ersten Saison mit 24 Einsätzen (elfmal ein- und zehnmal ausgewechselt) mit vier Toren und einer Vorlage mittlerweile konstant ab. Sein Performance-Score stieg von 50,12 im Vorjahr auf 56,86 - und damit so hoch wie noch nie in seiner Karriere. Selbst bei seiner stärksten Saison für Union (2017/2018) kam Skrzybski "nur" auf 55,59.

Und der GSN-Index zeigt, dass in Skrzybski noch Potenzial steckt. Auf 61,99 Punkte kommt der "klassische Flügelspieler" aktuell. Mit dem möglichen GSN-Index von 64,81 würde sich Skrzybski in die Reihe vieler gestandener Bundesliga-Spieler einsortieren.

KSV-Trainer Rapp gibt Skrzybski alle Freiheiten

Seine Stärken liegen in der Antizipation und Beweglichkeit, in der Kreativität, Übersicht und offensiven Raumfindung, dem taktischen Verhalten sowie beim Antritt und seinem Tempo (34,19 km/h). Dazu kommen seine starken (Distanz-) Schüsse - meist mit dem rechten Vollspann (sieben Tore).

Schwächen im Kopfballspiel, im Pressing, dem defensiven Positionsspiel und allgemein im Zweikampfverhalten nimmt Kiels Trainer Marcel Rapp nicht nur in Kauf, sondern stattet seinen Topscorer mit allen Freiheiten aus - und stellt ihm große, durchsetzungsstarke Spieler zur Seite, auf die sich die Gegner womöglich auch mehr konzentrieren.

Kwasi Wriedt (1,88 m), Fiete Arp (1,87), Benedikt Pichler (1,88), Fabian Reese (1,87) oder auch Alexander Mühling (1,86) sind alle einen Kopf größer als Skrzybski mit seinen 1,74 m.

Erinnerungen an Bundesliga-Torschützenkönig Marek Mintal

Mit wem er zusammenspielt, scheint Skrzybski vollkommen egal zu sein. Er hat vier unterschiedlichen Spielern Tore aufgelegt, und gleichzeitig gab es sieben unterschiedliche Vorlagengeber für seine Treffer. Seine Wichtigkeit für die Schleswig-Holsteiner unterstreichen derweil 54,17 Prozent Anteil (Tore und Vorlagen) an den gesamten Kieler Treffern bisher (24). "Im Moment ist Steven ein herausragender Spieler", so Rapp.

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Dass die Gegner kaum ein Mittel gegen ihn finden, liegt vor allem an Skrzybskis Abschlussqualitäten. Sechs Tore hat der Offensivmann mit dem ersten Kontakt erzielt. Da bleibt nicht viel Zeit für die Verteidiger, um zu stören. Das unterstreichen auch acht Tore, bei denen er keinen Gegnerdruck hatte. Und spätestens an dieser Stelle werden Erinnerungen an das "Tor-Phantom" Marek Mintal wach.

Der Slowake führte den 1. FC Nürnberg in der Saison 2003/2004 mit 18 Treffern in die Bundesliga, wo er ein Jahr später mit 24 Toren Schützenkönig wurde. Mintals Spitzname: das "Phantom". Oftmals war er in den Spielen praktisch nicht zu sehen und urplötzlich mit seinen Treffern der entscheidende Mann.

Skrzybski bei Expected Goals: +114,29 Prozent

Allerdings hinkt der Vergleich auch ein bisschen: Schließlich ist Skrzybski ins Offensivspiel der Kieler schon sehr involviert - was seine Aktionen, Pässe und Schüsse belegen. Gleichzeitig zeigen die Zahlen aber auch: Bei 4,20 Expected Goals dürfte er eigentlich gar nicht so gut sein. Mit den tatsächlich neun Saisontoren liegt seine Überperformance in dieser Statistik bei +114,29 Prozent. Nicht nur für Statistiker eine extreme Differenz, die kaum zu halten sein wird.

Und wenn doch? Aktuell liegt Holstein Kiel in der Zweitliga-Tabelle fünf Punkte hinter Relegationsrang drei, den der HSV innehat. Am Sonnabend (13 Uhr, im NDR Livecenter) kommt es zum Duell mit Skrzybskis Ex-Club Düsseldorf - gerade punktgleich mit der KSV auf Rang sechs. Mit Blick auf das Spiel schreibt die Fortuna "Skrzybski verleiht den Störchen Aufwind". Und der könnte die Schleswig-Holsteiner durchaus noch ins Aufstiegsrennen tragen.

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Dieses Thema im Programm:

Die NDR 2 Bundesligashow | 29.10.2022 | 13:00 Uhr

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