"Hier regiert der VfL": Wolfsburgs Fußballerinnen melden sich zurück
Vier Tage nach dem bitteren Pokal-Aus bei der TSG Hoffenheim besiegte der VfL am Sonntag Eintracht Frankfurt mit 6:1 und stürzte somit die Tabellenführerinnen. Das ist im Titelkampf der Bundesliga ein Ausrufezeichen - alle Fragezeichen bezüglich der Wolfsburger Saison beseitigt sind damit aber nicht.
Von der ersten Minute an war das Team von Trainer Tommy Stroot voll da, dominierte das Spiel gegen völlig indisponierte Frankfurterinnen, die beinahe so viele Tore (sechs) kassierten wie in der gesamten Bundesligasaison zuvor (sieben). Bereits in der ersten Hälfte stimmten die VfL-Fans in der mit knapp 9.000 besetzten Zuschauern und Zuschauerinnen Wolfsburger Arena "Hier regiert der VfL!" an - das darf getrost nicht nur auf das bei Highlight-Spielen immer mal wieder genutzte Stadion der Männer verstanden werden: Mit den Wolfsburger Frauen ist in der Liga weiterhin zu rechnen.
Bei einer Niederlage hätte der Abstand zur Eintracht sechs Zähler betragen, mit dem Sieg zogen die drittplatzierten Wolfsburgerinnen mit den Frankfurterinnen nach Punkten gleich. Bayern München wiederum steht mit drei Punkten mehr an der Tabellenspitze. Das direkte Duell gegen die Titelverteidigerinnen steigt Mitte März in München.
Als es in der Hinrunde gegen Bayern ging, hatte der VfL zuvor in der Liga nicht immer überzeugt. Ein Unentschieden zum Saisonstart gegen Werder Bremen, das auch aufgrund eines eigentlich irregulären Treffers von Alexandra Popp gesichert wurde, ein knapper Auswärtssieg bei den Abstiegskandidatinnen aus Jena und eine deutliche Niederlage bei Eintracht Frankfurt zählten dazu.
Hinrundensieg gegen Bayern ein erstes Ausrufezeichen
Dem folgte ein eindrückliches 2:0 gegen Bayern im Oktober, das viele dem durch die Abgänge der Weltklassespielerinnen Ewa Pajor, Lena Oberdorf und Dominique Janssen geschwächten VfL nicht zugetraut hatten. Ein Schlüssel zum Erfolg war ein kurzfristiger taktischer Kniff des Trainers: Stroot strich in der Woche vor dem Bayern-Spiel den freien Tag des Teams und ließ das Spiel mit Dreierkette üben. Die Konstellation mit der zuvor meist im defensiven Mittelfeld aufgebotenen Janina Minge sorgte für defensive Stabilität, wurde auch danach immer mal wieder so aufgestellt und gilt mittlerweile als erste Wahl im Wolfsburger Spiel.
Viertelfinaleinzug in der Champions League, Aus im Pokal
Mit einem eindrucksvollen 6:1-Sieg gegen die AS Rom sicherten sich die VfL-Fußballerinnen im Dezember den Einzug ins Viertelfinale der Champions League - dies ist angesichts der immer stärker werdenden Konkurrenz in Europa alles andere als selbstverständlich. Losglück allerdings hatte Wolfsburg dann nicht: In der Runde der letzten Acht muss das Team im März gegen die Titelverteidigerinnen aus Barcelona samt Weltfußballerin Aitana Bonmatí antreten. Das Weiterkommen wäre nicht weniger als eine Sensation.
Im DFB-Pokal hingegen hatte der VfL ein "Abo" auf den Titel, zehnmal in Folge war der nach Wolfsburg gegangen, die Chance darauf musste in der vergangenen Woche nach der 0:1-Viertelfinal-Niederlage bei der TSG Hoffenheim abgeschrieben werden.
Wechselhafte Auftritte in den vergangenen Wochen
Wer die Fußballerinnen am vergangenen Mittwoch im Kraichgau und dann im Spitzenspiel der Liga am Sonntag erlebte, traute seinen Augen kaum. Der Auftritt bei der TSG war mit wenig Zug zum Tor versehen, wirkte ideenlos und hatte keine Wucht. Konnte man das 0:0 in der Vorwoche in der Liga gegen Köln noch mit der schlechten Chancenverwertung, Pech bei vier Aluminiumtreffern und mindestens einer falschen Schiedsrichterinnenentscheidung erklären, kam das Team in Hoffenheim kaum zu Möglichkeiten.
Zudem brachte Trainer Stroot Topstürmerin Lineth Beerensteyn erst nach 65 Minuten ins Spiel - die Niederländerin hatte gegen Köln etliche Torchancen vergeben, Stroot dachte ihr nun eine Joker-Rolle zu - und lag damit im Nachhinein vermutlich falsch. Dazu kommt: Sicherlich kann niemand den Spielerinnen den Willen zum Sieg auch und gerade im Pokal absprechen, nur konnten sie diesen bei der TSG einfach nicht auf den Rasen bringen.
Deutliche Reaktion gegen Frankfurt
Ganz anders gegen Frankfurt, als auch über die Körpersprache von der ersten Minute an gesendet wurde: "Das ist unser Spiel!" Entscheidend zudem Beerensteyn, die mit ihrer Schnelligkeit Nationalverteidigerin Sara Doorsoun beim 2:0 schlecht aussehen ließ und zudem gekonnt das zwischenzeitliche 6:0 von Vivien Endemann vorbereitete. Bezogen auf das gesamte Spiel des VfL fragt man sich unweigerlich: Warum nicht auch im Pokal so?
Stroot: "Drucksituationen Stand gehalten"
Popp gab zu, selbst keine eindeutige Antwort auf diese Frage zu haben, aus den Äußerungen von Trainer Stroot kann man schließen, dass das Team den schweren Nackenschlag gebraucht haben könnte, um wieder zu all' seiner Kraft und Spielstärke motiviert zu werden. "Das Spiel gegen Frankfurt profitiert von der Niederlage gegen Hoffenheim. Genau jetzt waren wir wieder da, wir haben erneut wie schon in der Hinrunde gegen Bayern und in der Champions League gegen Rom Drucksituationen Stand gehalten und gesehen, welche Möglichkeiten in der Mannschaft schlummern", sagte Stroot.
Wohin führt der Weg?
Die Meisterinnen und die Tabellenzweiten der Liga qualifizieren sich direkt für die Champions League, die Dritten erreichen die Qualifikation. Erneut in der Königsklasse dabei zu sein, ist das Minimalziel des Clubs: "Das steht erst mal über allem", so Stroot. Dafür müssen die in dieser Saison immer wiederkehrenden Einbrüche gestoppt werden und Galavorstellungen wie gegen Frankfurt auch ohne vorherige Rückschläge möglich sein.
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