Doping: Wie geht es im Fall von HSV-Profi Vuskovic weiter?
Dem positiv auf Epo getesteten HSV-Profi Mario Vuskovic drohen schwerwiegende Konsequenzen. Welche Optionen hat der Kroate? Kann der Hamburger SV auf Schadenersatz hoffen? Und wie lange dauert das alles? Antworten auf die sportrechtlichen Fragen im "Fall Vuskovic".
Welche Möglichkeiten hat die Vuskovic-Seite?
Mario Vuskovic, der seine Unschuld beteuert, hat sich fünf Anwälte genommen, die im Prinzip zwei Verteidigungs-Möglichkeiten im DFB-Sportgerichtsverfahren (mündliche Verhandlungen am 3. und 9. Februar) haben.
Zum einen wäre da ein "Angriff" auf das Testprozedere. Kann die Vuskovic-Seite nachweisen, dass bei der Probeentnahme und/oder -analyse ein Verfahrens- oder Formfehler passiert ist, wäre ein Freispruch möglich.
Zum zweiten können die Rechtsbeistände versuchen zu beweisen, dass der 21-Jährige das Dopingmittel nicht absichtlich, also unwissentlich, eingenommen hat. Damit könnte die Strafe, die im Regelfall vier Jahre beträgt, zumindest reduziert werden.
Bei Epo, das intravenös oder per Spritze in die Haut verabreicht wird, ist Doping-Experten allerdings nicht bekannt, dass die Substanz in der Vergangenheit ins Essen gemischt oder unwissentlich mit Medikamenten zur Behandlung irgendwelcher Erkrankungen eingenommen wurde.
Die Nachweispflicht liegt in jedem Fall beim Sportler. Am 17. Januar gab Vuskovic seine Stellungnahme beim DFB ab und legte Einspruch gegen seine vorläufige Sperre ein.
Welche Optionen hat der HSV?
Aktuell fährt der Club zweigleisig. Der HSV unterstützt nach eigenen Angaben Vuskovic, hat sich allerdings auch selbst Expertenrat gesucht.
Im Falle einer Verurteilung Vuskovic' durch den DFB kann der Fußball-Zweitligist den bis zum 30. Juni 2025 laufenden Vertrag des Kroaten fristlos kündigen. Sportrechtlich gesehen hätte der Verteidiger seinen Vertrag "ohne triftigen Grund" aufgelöst, sprich: gebrochen. So könnte der HSV zunächst einmal das Gehalt des Verteidigers einsparen.
Könnte der HSV Schadenersatz bekommen?
Die zivilrechtlichen Möglichkeiten des Vereins sind nach deutschem Recht wenig aussichtsreich, allerdings bieten die FIFA-Regularien einen sportrechtlichen Ansatzpunkt.
Nach Artikel 17 des "Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern" ist festgelegt, dass "die vertragsbrüchige Partei zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet ist". Sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde. Darunter fallen auch "die Höhe von Gebühren und Ausgaben, für die der ehemalige Verein aufgekommen ist".
Der HSV könnte also bei der FIFA Klage gegen Vuskovic einreichen und Schadenersatz für die geleistete Ablösesumme verlangen. Die Höhe des Schadens für den Club würde sich auf Grundlage des FIFA-Rechts und entsprechender Urteile des Internationalen Sportgerichtshofs CAS (der letzten sportrechtlichen Instanz) mindestens an der noch nicht amortisierten Ablösesumme bemessen. Zur Berechnung wird dabei die Ablöse auf die gesamte Vertragslaufzeit umgelegt.
Im März 2022 hat der HSV Vuskovic nach einer anfänglichen Leihe fest von Hajduk Split verpflichtet, den Kroaten mit einem Dreijahresvertrag bis 2025 ausgestattet und nach übereinstimmenden Medienberichten rund drei Millionen Euro Ablöse bezahlt. Im Falle einer Vertragskündigung des HSV nach der voraussichtlichen Verurteilung und Sperre Vuskovic' durch den DFB im Januar 2023 hätten sich zweieinhalb Jahre noch nicht amortisiert - also rund 2,5 Millionen Euro der Ablösesumme.
Der Haken: Erstreitet der HSV Schadenersatz in Millionen-Höhe - ggf. auch vor dem CAS, wo das Verfahren im Falle eines Vuskovic-Einspruchs landen würde - steht in den Sternen, ob der Kroate dann finanziell in der Lage wäre, den Club auszubezahlen.
Gibt es vergleichbare Beispiele?
In gewisser Weise ja. Im Oktober 2004 hatte der FC Chelsea Adrian Mutu entlassen und auf Schadenersatz verklagt. Der Rumäne war positiv auf Kokain getestet (ein Dopingvergehen) und für sieben Monate gesperrt worden.
Erst 2003 hatte Chelsea den Ausnahmekicker für rund 20 Millionen Euro vom AC Parma verpflichtet. Die FIFA gab der Klage des englischen Premier-League-Clubs statt und verurteilte Mutu zu einer Entschädigungszahlung von 17,2 Millionen Euro wegen Vertragsbruchs.
Der Rumäne wehrte sich jahrelang durch alle Instanzen gegen das Urteil. Doch der Internationale Sportgerichtshof, das Schweizer Bundesgericht als Berufungskammer des CAS und 2018 sogar der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) wiesen Mutus Einspruch ab.
Ob Chelsea bislang Geld von Mutu erhalten hat, oder sich beide Parteien außergerichtlich geeinigt haben, ist allerdings unklar.
Könnte der HSV auch Schadenersatz für einen entgangenen Weiterverkauf bekommen?
Theoretisch ist auch das möglich. Vor Gericht kann das sogenannte "positive Interesse" gesetzt werden. Dabei werden alle Vorteile erfasst, die der Vertragspartner gehabt hätte, wenn der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre. Im Fall von Vuskovic würde es darum gehen, was der Verein ohne den Verstoß des Spielers bei einem Weiterverkauf hätte einnehmen können.
Gerichtsfest wären hier aber nur konkrete, womöglich schriftlich hinterlegte Angebote. Dass der Verteidiger durch seine guten Leistungen Begehrlichkeiten von anderen Clubs geweckt hat, ist verbrieft. Fraglich ist, ob der HSV bereits ein entsprechend konkretes Millionen-Angebot auf dem Tisch hatte, bevor Vuskovic' positive A-Probe Mitte November öffentlich wurde.
Selbst wenn, wäre es ebenfalls fraglich, ob das Gericht schriftliche Angebote womöglich aus dem Juli 2022 noch gelten lassen würde.
Wie lange kann der ganze "Fall Vuskovic" und das Verfahren dauern?
Ein mögliches Schadenersatz-Verfahren bei der FIFA dauert im günstigsten Fall rund sechs Monate. Würde Vuskovic vor dem CAS Einspruch einlegen, dürfte die Überprüfung des Urteils dort noch mal gut ein Jahr in Anspruch nehmen. Beim Internationalen Sportgerichtshof würde sich dem Fall ein Panel von drei Richtern annehmen - je einer bestimmt vom HSV, vom Spieler und vom CAS. Die Urteile fallen in der Regel trotzdem einstimmig aus.
So kommen schnell Jahre zusammen, bevor das letzte Wort gesprochen ist. Im Fall von Adrian Mutu vergingen zwischen der FIFA-Klage des FC Chelsea und dem letzten Richterspruch des Europäischen Gerichtshofs 14 Jahre.