Fußballerin und Mutter Tabea Sellner - "Normal und gleichzeitig so besonders"
Im April ist Tabea Sellner vom VfL Wolfsburg Mutter geworden. Ihre Rückkehr auf den Platz gut fünf Monate später krönte die Stürmerin mit einem Tor beim ersten Einsatz. Am Ende dieses Jahres ist der 28-Jährigen aber nicht nur nach Feiern zumute - sie wünscht sich mehr Spielzeit und mahnt weitere Verbesserungen für Schwangere und Mütter in der Liga an.
Von einem "VfL-Märchen" schrieb eine Zeitung Ende September, als Tabea Sellner in der Champions-League-Qualifikation gegen Florenz kurz vor Spielende zum 5:0-Endstand traf. Die Stürmerin, neun Minuten zuvor eingewechselt, war selbst überwältigt.
"Es ist verrückt, wie sich etwas, was man so viele Jahre gemacht hat, so normal und gleichzeitig so besonders anfühlen kann." Tabea Sellner
"Ich konnte erst mal gar nicht glauben, dass das wirklich passiert ist. Oh, wow!", erzählt Sellner im NDR Interview. "Es war auch total schön zu sehen, wie sich die anderen für mich gefreut haben. Und dass ich die Möglichkeit bekam, mich bei allen zu bedanken" - unter anderem beim Team der Physiotherapeuten, das sie während der Schwangerschaft und auch dem Weg zum Comeback begleitet hat.
Sellner erinnert sich auch an das Gefühl vor dem Spiel in der Kabine: "Es ist verrückt, wie sich etwas, was man so viele Jahre gemacht hat, so normal und gleichzeitig so besonders anfühlen kann."
Erst ein Einsatz in der Bundesliga
Drei Monate später ist zu spüren, dass dem beschriebenen Märchen noch das große Happy End (noch) fehlt. Dem Kurzeinsatz gegen Florenz folgte eine halbe Stunde in der Bundesliga gegen Potsdam, mehr nicht. "Klar habe ich noch meinen sportlichen Ehrgeiz und möchte auf dem Platz stehen. Ich betreibe ja einen sehr großen Aufwand und hoffe dann natürlich, auch Spielzeit zu bekommen und zeigen zu dürfen, was in mir steckt", so die 135-malige Bundesligaspielerin (48 Tore).
Harte Arbeit auf dem Weg zum Comeback
Sellner stieg in der Sommerpause wieder ins Training ein, wird für ihr schnelles Comeback bewundert - dahinter steckt harte Arbeit. "Als ich meine ersten Sprünge gemacht habe, habe ich gedacht, mir fallen alle meine Organe raus", lacht die 25-malige Nationalspielerin.
"Da sieht man, wie wichtig ein stabiler Beckenboden ist, in das Training muss man viel Zeit investieren. Da darf man auch dann nicht zu ungeduldig werden oder es forcieren wollen, wozu man als Leistungssportlerin natürlich neigt. Aber ich habe mitgenommen, dass man auf seinen Körper hören sollte und es nichts bringt, wenn man da einen falschen Ehrgeiz hat."
Sellner möchte anderen Mut machen
Nur sehr wenige Spielerinnen werden während der aktiven Karriere Mutter - Almuth Schult etwa, die früher wie Sellner beim VfL Wolfsburg spielte, oder Ex-Nationalspielerin Melanie Leupolz, die ebenfalls wenige Monate nach der Geburt ihres Kindes auf den Platz zurückkehrte.
"Ich hoffe auch, dass ich etwas bewirken kann. Dass ich zukünftige Spielerinnen, die während ihrer Karriere schwanger werden möchten, ermutige. Weil ich zeige, dass es klappen kann." Tabea Sellner
Auch wenn sie einige Hindernisse überwinden musste und aktuell nicht ganz zufrieden wirkt, betont Sellner: "Ich würde es immer wieder so machen. Natürlich braucht man Unterstützung. Anders geht es nicht. Und es muss Strukturen geben. Ich glaube, dass diese in Deutschland noch ausbaufähig sind. Man muss immer hinterher sein, Dinge erst mal in die Wege leiten." Sie habe aber nicht das Gefühl, beim VfL vor verschlossenen Türen zu stehen.
Wunsch nach Strukturen für Schwangere und Mütter
Ihr Mann nahm mehrere Monate Elternzeit und unterstützte sie auf dem Weg zum Comeback, war beispielsweise mit dem Sohn im Trainingslager dabei. "Ich kann meinen Sohn auch mitnehmen zu Auswärtsfahrten, das leistet der Verein. Ich hoffe, dass daraus für die Zukunft Strukturen entstehen und dass wir einen Schritt weiterkommen, auch bereits während der Schwangerschaft. Schön wäre, wenn nicht jede Spielerin wieder von vorne anfangen muss, sondern dass etwas bleibt."
Auch für die Kinderbetreuung würde sie sich weitere Lösungen wünschen: "Aber da muss man natürlich auch schauen: Wie ist das bei anderen Jobs?! Man muss immer wieder abwägen: Was kann man fordern? Was kann man der Verein leisten? Ich glaube aber, dass wir hier schon gute Gespräche führen und dass auch einiges umgesetzt wird."
Hoffnung auf mehr Spielzeit
Sellner hofft darauf, dass Trainer Tommy Stroot nach der Winterpause häufiger auf sie setzen wird. "Es ist sehr, sehr schön, dass das Comeback funktioniert und dass ich meine Leistung abrufen kann. Ein bisschen mehr Spielzeit würde die ganze Sache natürlich abrunden."
Nichtsdestotrotz sei sie durch das Kind geduldiger und ein Stück weit gelassener geworden. "Privat, aber ich würde auch sagen, dass das auf dem Platz ein bisschen zu spüren ist. Da habe ich mich wirklich verändert", bilanziert Sellner nach diesem besonderen Jahr.