Abstieg als Aufbruchssignal: Hansa Rostock will sich neu erfinden
Beim FC Hansa Rostock soll nach dem Abstieg aus der 2. Liga kein Stein auf dem anderen bleiben. Interimsvorstandschef Jürgen Wehlend kündigte unmittelbar nach der Pleite gegen Paderborn einen "kompletten Neuaufbau" an. Viele Spieler werden die Mecklenburger verlassen müssen. Auch ein Verbleib von Coach Mersad Selimbegovic scheint sehr fraglich.
Viele, viele Tränen flossen am frühen Sonntagabend, nachdem der Abstieg des FC Hansa aus dem Bundesliga-Unterhaus endgültig Gewissheit war. Zum zweiten Mal binnen sieben Tagen war das Ostseestadion Ort einer Rostocker Fußball-Tragödie geworden. Bereits in der Vorwoche hatten an dieser Stelle Akteure des Mecklenburger Traditionsclubs hemmungslos geweint. Seinerzeit waren es die Kicker der U23, die nach einer 1:3-Niederlage gegen Hertha BSC II aus der Regionalliga Nordost abgestiegen waren.
Dass weder Hansas Profi- noch das Nachwuchsteam die Klasse halten konnten, zeugt von grundlegenden strukturellen und personellen Problemen bei einem Club, der laut Interimsboss Wehlend den Anschluss an die Konkurrenz verloren hat. "Wir müssen Hansa als Plattform entwickeln, um im modernen deutschen Fußball anzukommen. Da gibt es viele Strukturen und Prozesse, die wir verändern werden und müssen", sagte der 58-Jährige im NDR Interview.
Drittliga-Planungen haben längst begonnen
Wehlend, der seit März den aus gesundheitlichen Gründen pausierenden Robert Marien vertritt, kündigte einen "kompletten Neuaufbau im sportlichen Bereich" an. Sein bitteres Fazit der vergangenen drei Zweitliga-Spielzeiten: "Die letzten Jahre habe gezeigt, dass wir in diesem Jahr eine rückläufige Tendenz hatten. In den ersten beiden Zweitliga-Jahren haben wir auf sehr niedrigem Niveau stagniert. Das war absolut nicht zufriedenstellend."
Für den gebürtigen Dresdener ist damit klar: "Der Auftrag für den Vorstand und die Geschäftsführung ist jetzt, etwas Neues aufzubauen, neue Strukturen zu schaffen im sportlichen Bereich personelle Konsequenzen zu ziehen. Und das werden wir auch tun."
Wehlend verriet, dass bereits vor der Paderborn-Partie mit den Planungen für die Dritte Liga begonnen wurde. Das zeugt zum einen von einer seriösen Arbeitsweise an der Kopernikusstraße, hatte Hansa den Sprung auf den Relegationsplatz vor dem Saisonfinale doch nicht mehr in den eigenen Händen. Zum anderen dürfte das Zutrauen der Vereinsverantwortlichen in den aktuellen Kader vor dem Duell mit den Ostwestfalen nach zuvor bereits fünf Pleiten in Folge auch nicht mehr sonderlich groß gewesen sein.
Wehlend: "Zu viele Spieler auf dem absteigenden Ast"
Wehlend gab dann auch unumwunden zu, von der Qualität und Mentalität des Teams nicht überzeugt zu sein. "Namentlich und nominell ist das sicher ein guter Kader gewesen für die Zweite Liga. Aber es waren zu viele Absteiger in diesem Kader, zu viele Spieler, die auch was ihre Laufbahn angeht, auf dem absteigenden Ast waren. Das ist kein Vorwurf an die Spieler, aber hier muss der Verein einfach zukünftig cleverer agieren", erklärte der 58-Jährige.
Seine Aussage war nichts anderes als eine Generalabrechnung mit den Ex-Sportdirektoren Martin Pieckenhagen (im vergangenen Jahr gefeuert) und Kristian Walter (Anfang Mai entlassen), die seit dem Aufstieg 2021 für die Transferpolitik bei den Mecklenburgern verantwortlich zeichneten. Beide vermochten es nicht, eine Mannschaft mit Entwicklungspotenzial und Perspektive aufzubauen.
Nun soll Amir Shapourzadeh, neuer Direktor Profifußball, mit mehr Weitsicht als seine Vorgänger das Aufgebot zusammenstellen. Die sofortige Zweitliga-Rückkehr wird dabei offenbar - Stand jetzt - nicht ins Auge gefasst. "Wir werden das Schritt für Schritt machen und den Verein nicht wieder überfordern, wie das in der Vergangenheit teilweise passiert ist, in der die Leute teilweise auch verbrannt wurden", sagte Wehlend.
Hansa muss in allen Bereichen besser werden
Für den Intermis-Boss steht nach dem Abstieg eine nachhaltige Entwicklung im Vordergrund. "Es geht darum, Hansa bereichsübergreifend als Plattform zu entwickeln, eben auch den Nachwuchsfußball so aufzustellen, dass wir eine enge Verzahnung hinbekommen, dass wir im sportwissenschaftlichen und sportmedizinischen Bereich besser werden", sagte der 58-Jährige. Wehlend machte keinen Hehl daraus, dass vieles bei den Rostockern im Argen liegt.
Nur ein Beispiel: "Wir hatten unglaublich viele Ausfälle. Das hat es dem Trainer sehr schwergemacht. Bei ihm muss ich mich auch entschuldigen für die Umstände, unter denen er hier gearbeitet hat."
Zukunft von Selimbegovic offen - "Er ist ein Top-Trainer"
Wie und vor allem ob es nun mit dem von Wehlend angesprochenen Selimbegovic weitergeht, ist völlig offen. Der Bosnier hatte nur für die Zweite Liga einen gültigen Kontrakt. Seine bisherige Amtszeit (nur vier Siege aus 17 Spielen) dient nicht als Empfehlungsschreiben für eine Weiterbeschäftigung. Dennoch darf sich der 42-Jährige Hoffnungen machen, ein Architekt des Neuaufbaus an der Ostsee zu werden. "Er kann Teil des Wiederaufbaus sein. Wir haben vereinbart, dass wir uns nach der Saison zusammensetzen. Er ist ein Top-Trainer", lobte Wehlend den Nachfolger von Alois Schwartz.
Selimbegovic wollte sich am Sonntag nicht zu seiner Zukunft äußern. "Ich denke nicht an mich oder meine Perspektive. Es ist ein brutaler Schlag für alle, die Hansa im Herzen haben. Meine Person ist völlig egal", erklärte der Trainer auf der Pressekonferenz nach der Paderborn-Partie.
Kurz darauf beendete Marit Scholz, Direktorin Medien und Kommunikation beim Zweitliga-Absteiger, die Medienrunde. Ihre letzten Worte waren dabei trotzig und hoffnungsfroh zugleich: "Wir kommen zurück. Wir sind Hansa."