Kommentar zum Hansa-Abstieg: Ein selbstverschuldeter Tiefschlag
Hansa Rostock ist aus der 2. Bundesliga abgestiegen - nach einem unwürdigen Saisonfinale mit Fan-Krawallen. Das passt ins Gesamtbild, der Abstieg gleicht einem sportlichen und finanziellen Totalschaden. Aber der Club hat sich das selbst zuzuschreiben, meint Clemens Paulsen, Leiter der NDR Sportredaktion Mecklenburg-Vorpommern, in seinem Kommentar.
Für Kritiker des Vereins verabschiedet sich Rostock "standesgemäß" aus der 2. Bundesliga. Hansa-Chaoten sorgen am Sonntag durch den massiven Einsatz von Pyro, Raketen, Kanonenschlägen und Böllern in einer bislang nicht gekannten Intensität fast für einen Spielabbruch. Sie haben dem Club damit einmal mehr sehr geschadet - als wäre der Schaden nicht ohnehin groß genug.
Nicht nur die Spieler sind nach dem Schlusspfiff fassungslos. Ob des Ergebnisses und der Umstände, die dazu geführt haben.
Einige Anhänger des Clubs sehen in diesem Spiel, andere in der gesamten Saison den Grund für diesen Abstieg, und sie sehen darin eine Art "sportliches Unglück". Das aber stimmt nicht.
Folge einer missratenen Personalpolitik
Denn der Abstieg des FC Hansa Rostock ist kein Unfall. Er ist die fast schon logische Konsequenz aus einer Mischung von Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen, die Folge einer missratenen Personalpolitik.
Der Abstieg beginnt Ende des Jahres 2022. Im November entlässt Hansa Aufstiegstrainer und den im ostdeutschen Profifußball extrem gut vernetzten Jens Härtel. Die Rostocker waren damals eher schwach gestartet, aber immerhin auf Rang zwölf.
Genau wie bei dieser Entlassung stimmt der Aufsichtsrat auch der folgenden Verpflichtung von Patrick Glöckner zu, einem Trainer, der kurz zuvor mit Chemnitz in die 4. Liga abgestiegen ist, einem Trainer also ohne jegliche Erfahrung in der 2. Bundesliga.
Auch Selimbegovic ist nun wohl Geschichte
Ende März des vergangenen Jahres muss der unerfahrene und überforderte Glöckner gehen, drei Wochen später fallen Sportchef Martin Pieckenhagen seine mitunter wenig plausiblen Personalentscheidungen quasi auf die Füße, auch er wird entlassen. Als neuer Trainer kommt Alois Schwartz. Das Amt des Sportlichen Leiters übernimmt Kristian Walter, der fortan eher gar nicht oder durch die Verpflichtung nur bedingt Zweitliga-tauglicher Spieler auffällt.
Die Euphorie über den Klassenerhalt ist von überschaubarer Dauer. Im Dezember wird auch Schwartz von Bord geschickt, es folgt Mersad Selimbegovic. Der unterschreibt vorsichtshalber nur für die 2. Liga und gehört nunmehr also wohl auch zur Geschichte des Vereins.
Keine Kontinuität in der Führungsetage
Hansa hat in nicht einmal zwei Jahren nicht weniger als vier Trainer verschlissen. Die beiden Sportchefs Pieckenhagen und Walter mit reingerechnet sind das insgesamt sechs Führungskräfte und leitende Angestellte.
Wie eigentlich kann ich von einer Mannschaft auf dem Feld Kontinuität und Geschlossenheit erwarten, wenn die Chefetage genau das Gegenteil vorlebt?
Die finanziellen Möglichkeiten waren da
Dieser Abstieg ist umso bitterer vor dem Hintergrund, dass Hansa - übrigens wirtschaftlich erfolgreich - in der vergangenen Transferperiode durchaus die finanziellen Mittel gehabt hätte, um sich richtig zu verstärken. Betonung auf "richtig".
Dass die Verantwortlichen ein offensichtliches Problem im Sturm nicht gesehen haben oder sehen wollten, ist bis heute nicht nachvollziehbar. Es bleibt ein absolutes Rätsel, warum sich Hansa vor allen Dingen im Bereich der Offensive auf dem Transfermarkt so defensiv verhalten hat. Ein strategisch grober und - wie sich jetzt herausstellt - sehr teurer Fehler.
Das alles unter Mithilfe und Begleitung eines Aufsichtsrats, der ganz offensichtlich eher durchwinkt, als kontrolliert und kritisch hinterfragt.
Ein Schritt in die sportliche Bedeutungslosigkeit
Hansas Abstieg gleicht einem sportlichen und finanziellen Totalschaden. Die nächsten Gegner heißen ab jetzt unter anderem Aue, Unterhaching und Verl - und eben nicht HSV, Hertha oder Schalke. Der Gang in die 3. Liga ist bei den Ansprüchen des Clubs ein Schritt in die sportliche Bedeutungslosigkeit.
Das ist im Grunde genommen nicht nur für die Fans, sondern für ganz Mecklenburg-Vorpommern ein echter Tiefschlag. Aber nochmal: Der Abstieg des FC Hansa Rostock ist kein Unfall. Sondern eindeutig selbstverschuldet.