Fan-Krawalle und Pleite gegen Paderborn: Hansa ist abgestiegen
Nach einem unwürdigen Saisonfinale mit Fan-Krawallen muss der FC Hansa Rostock die 2. Liga nach drei Jahren wieder verlassen. Die Mecklenburger unterlagen am Sonntag dem SC Paderborn mit 1:2 (0:0) und beenden die Saison auf dem 17. Tabellenplatz. Gegen Ende stand die Partie kurz vor dem Abbruch.
Dabei hätte der Mannschaft von Trainer Mersad Selimbegovic ein Erfolg gereicht, um den SV Wehen Wiesbaden noch von Relegationsrang 16 zu verdrängen. Die Hessen verloren zeitgleich gegen Aufsteiger FC St. Pauli mit 1:2. Nach dem Rostocker 1:0 durch Nils Fröling (48.) hatte es auch zunächst so ausgesehen, als könnte Rostock den direkten Abstieg noch verhindern. Doch Paderborn drehte die Partie durch Treffer von Felix Platte (72.) und Adriano Grimaldi (87.) noch - und schickte den FC Hansa in die Drittklassigkeit.
"Die Leute hier haben nur Hansa, deswegen tut es brutal weh. Es ist ein bitterer Tag für alle, die den Verein im Herzen tragen", sagte Selimbegovic im NDR Interview. Die Zukunft des Bosniers an der Kopernikusstraße ist offen. Sein Vertrag hat nur für die Zweite Liga Gültigkeit. "Heute will ich nicht darüber sprechen, es ist ein trauriger Tag für uns alle. Ich habe keine Gedanken über etwas anderes, als den Tag zu verarbeiten, wenn es geht", erklärte der 42-Jährige.
Hansas Interimsvorstandschef Jürgen Wehlend kündigte zwar einen "kompletten Neuaufbau im sportlichen Bereich" an, sagte aber gleichzeitig, dass er eine Weiterbeschäftigung von Selimbegovic nicht ausschließe.
Hansa-Fans zünden Böller und Raketen
Einige Rostocker Fans waren zuvor anders als der Coach und Vereinsboss nicht Herr über ihre Emotionen geblieben. Sie führten kurz vor dem Abpfiff durch das Zünden von Böllern und Raketen eine 25-minütige Spielunterbrechung herbei. Duplizität der Ereignisse: Bereits im Hinrunden-Duell in Paderborn (0:3) hatten Anhänger des Nordclubs durch das Abbrennen von Pyrotechnik für eine zweimalige Unterbrechung der Begegnung gesorgt. Keine Frage: Der FC Hansa hat nach dieser Saison viel aufzuarbeiten - nicht nur sportlich.
"Es tut natürlich weh, unter solchen Umständen dann abzusteigen." Hansa-Vorstandschef Jürgen Wehlend
"Das ist etwas, was man nicht sehen will. Klar, die Fans sind wegen der ganzen Situation frustriert. Das sind unschöne Szenen, ich weiß nicht, was man dazu noch sagen muss oder soll", erklärte Selimbegovic im NDR Interview. Deutlicher wurde Paderborns Coach Lukas Kwasniok: "Fußballstadien sind gefühlt ein rechtsfreier Raum geworden. Und wir müssen schauen, dass nicht zu viele Zwei-Watt-Birnen den Laden hier übernehmen."
Seine Aussage beziehe sich nicht explizit auf die Hansa-Fans, so der 42-Jährige. Er sprach damit auf eine Entwicklung in vielen Stadien an. "Am Ende ist es ein Sport für alle und nicht nur für die, die ihre Emotionen nicht im Griff haben", erklärte Kwasniok.
Hansa bemüht, fußballerisch aber limitiert
Rund um das Ostseestadion war bereits lange vor dem Spielbeginn eine große Anspannung, aber auch Vorfreude auf das Saisonfinale zu spüren gewesen. Viele Fans hielten es zu Hause nicht mehr aus, sodass die Tore der Arena bereits knapp zweieinhalb Stunden vor dem Anpfiff geöffnet wurden, weil bereits so viele Zuschauer vor der Rostocker Heimstätte standen. Aus vollen Kehlen sangen die Anhänger kurz vor Spielbeginn die Vereinshymne "Hansa Forever" mit und empfingen die Mannschaft beim Einlaufen dann mit Riesenjubel.
Die Selimbegovic-Elf versuchte, die Energie von den Rängen auf den Rasen zu transportieren. Die Zweikampfintensität und Laufbereitschaft stimmten auch. Fußballerische Lösungen fanden die Mecklenburger aber einmal mehr zu wenige, um auf diesem Niveau einen Gegner beherrschen oder zumindest die Spielkontrolle erlangen zu können. Dass an diesem Tag der eine oder andere Pass misslang, der im Normalfall seinen Adressat wohl gefunden hätte, lag gewiss aber auch am angespannten Nervenkostüm.
Bachmann vergibt das 1:0 - Schlechte Nachrichten aus Wiesbaden
Blutdrucksenkende und beruhigende Wirkung hätte gewiss ein frühes Tor gebracht. Und Janik Bachmann besaß in der zehnten Minute die große Chance zum 1:0, als er aus nicht einmal zehn Metern frei zum Abschluss kam. Doch der Schuss des 28-Jährigen landete im Fangnetz. Beinahe zum selben Zeitpunkt brachte Franko Kovacevic Wiesbaden gegen St. Pauli in Führung. In der Blitztabelle lagen die Hessen nun uneinholbare vier Zähler vor Hansa. Entsetzen machte sich im Ostseestadion breit, in dem sich die Nachricht vom Treffer des Tabellen-16. unter den Fans schnell verbreitete.
Bis zur Pause erfüllten sich die Hoffnungen der Hansa-Anhänger auf einen Treffer ihres Teams sowie ein Tor St. Paulis in Wiesbaden nicht. Nach 45 Minuten deutete sehr viel auf einen Abstieg Rostocks hin.
Fröling trifft zum 1:0 - Gute Nachrichten aus Wiesbaden
Doch das Bild änderte sich. Und zwar schnell. Wo eben noch Fans der Verzweiflung nahe gewesen waren, lagen sie sich nun überglücklich in den Armen. Und das gründete nicht nur auf dem 1:0 durch Fröling, der Paderborns Keeper Pelle Boevink nach seinem Rückpass aggressiv anlief, den Ball vom Fuß spitzelte und in die Maschen schob. Nur 180 Sekunden später erreichte die Hansa-Anhänger die Nachricht vom Ausgleich St. Paulis in Wiesbaden durch Andreas Albers. Nun war Rostock plötzlich Tabellen-16.
Kolke patzt, Grimaldi trifft zum Paderborn-Sieg
Damit begann das große Zittern und Bangen aber erst. Hansa musste die Führung gegen auf den Ausgleich drängende Paderborner verteidigen und darauf hoffen, dass der Kiezclub keinen Gegentreffer mehr kassiert. Während St. Pauli das Remis hielt, kam es im Ostseestadion zu einem Drama, das vielleicht selbst Hansa nicht sehr wohlgesonnene Fußball-Fans berührte. Denn ausgerechnet Keeper Markus Kolke - seit 2019 Leistungsträger und Identifikationsfigur bei den Mecklenburgern - patzte folgenschwer. Einen eigentlich harmlosen Schuss von Platte ließ der 33-Jährige gewähren. Nun stand wieder Kolkes Ex-Club Wiesbaden auf Rang 16.
Die Hessen gerieten zwar bald darauf durch einen Treffer von Danel Sinani (82.) mit 1:2 in Rückstand, standen wegen der besseren Tordifferenz aber weiter auf dem Relegationsplatz. Hansa brauchte dringend ein Tor. Doch der Treffer fiel aus Sicht der Hausherren auf der falschen Seite: Grimaldi war nach einem Freistoß per Kopf zum 2:1 für Paderborn erfolgreich.
"Das sind ja keine Pyro-Böller mehr, sondern Handgranaten." SCP-Coach Lukas Kwasniok zum Abbrennen von Pyrotechnik
Fans sorgen für Spielunterbrechung
Kurz darauf sorgten dann einige Rostocker Anhänger durch das Abbrennen von Pyrotechnik und Zünden von Böllern für eine Spielunterbrechung. Schwarzer Rauch zog durchs Ostseestadion und Raketen flogen durch die Arena. Schiedsrichter Harm Osmers schickte beide Teams in die Kabinen. Ob im Rostocker Umkleideraum in Anbetracht des Spielstandes überhaupt ein Wort gesprochen wurde, es darf angezweifelt werden.
Als Osmers die Teams wieder auf den Rasen bat, blieben Hansa noch vier Minuten, um zwei Tore zu erzielen. Doch ein Wunder von der Ostsee blieb aus. Stattdessen verwandelte sich das Ostseestadion in ein Tränenmeer. "Der Auftrag für den Vorstand und die Geschäftsführung ist jetzt etwas Neues aufzubauen, neue Strukturen zu schaffen und personelle Konsequenzen zu ziehen. Und das werden wir auch tun", kündigte Vorstandschef Wehlend an.