Der Meridiankreis auf dem Gelände der Sternwarte Bergedorf in Hamburg. © NDR Foto: Irene Altenmüller

Tor zum Weltall: Hamburgs historische Sternwarte erkunden

Stand: 11.04.2024 14:45 Uhr

Die Sternwarte in Hamburg-Bergedorf war einst ein Observatorium von Weltrang. Die riesigen historischen Teleskope sind zu besichtigen, an einigen Abenden können Besucher mit ihnen die Sterne beobachten.

Bei seiner Einweihung im Jahr 1912 galt das Astro-Observatorium als das modernste und größte Europas. Heute ist die Sternwarte auf dem Goyenberg in Bergedorf ein bedeutendes Kulturdenkmal. Auf dem parkähnlichen Gelände befinden sich mehrere neobarocke Kuppelbauten mit Teleskopen, viele davon sind voll funktionsfähig. Verstreut zwischen Rasenflächen und alten Bäumen befinden sich weitere historische Gebäude wie Werkstätten, Wohnanlagen für die damaligen Mitarbeiter und Laborbauten.

Führungen und Sternbeobachtungen

Die historischen Gebäude des Astronomieparks stehen Besucherinnen und Besuchern im Rahmen geführter Touren offen (jeweils sonntags 14 Uhr). Im Winterhalbjahr (Oktober bis April) können sie einen Teil der Teleskope sogar ausprobieren und mit ihnen die Sterne beobachten (jeweils am ersten Mittwochabend im Monat, 19 bis 22 Uhr), sofern der Himmel klar ist.

Bei den Führungen ist auch das Hauptgebäude mit einer sehenswerten Bibliothek zu Themen rund um Astronomie und Astrophysik zu besichtigen. Sie besteht bereits seit der Gründung der Sternwarte und beherbergt rund 70.000 Bände. Regelmäßig finden dort Vorträge zu naturwissenschaftlichen Themen statt.

Planetenpfad auf dem Gelände

Auch unabhängig von Führungen und Veranstaltungen lohnt sich ein Spaziergang durch die Parkanlage. Sie ist täglich von 7 bis 22 Uhr geöffnet. Ein Planetenweg auf dem Gelände zeigt anschaulich die Dimensionen der einzelnen Planeten und ihrer Abstände innerhalb unseres Sonnensystems.

Der "Große Refraktor": Riesiges historisches Teleskop

Das historische Gebäude des Großen Refraktors in der Sternwarte in Hamburg-Bergedorf. © picture alliance/dpa Foto: Markus Scholz
In einem der schönen Kuppelbauten befindet sich der Große Refraktor, ein riesiges Linsenteleskop.

Eines der wichtigsten Gebäude der Sternwarte ist der Kuppelbau mit dem sogenannten Großen Refraktor. Dieses historische Teleskop aus dem Jahr 1911 gilt als eines der größten Linsenteleskope in Deutschland und ist ein bedeutendes Zeugnis der Wissenschaftsgeschichte. Das Objektiv hat einen Durchmesser von 60 Zentimetern und neun Meter Brennweite. Einen Eindruck vom Inneren des Großen Refraktors vermittelt ein virtueller Rundgang.

Sternwarte lag im 19. Jahrhundert am Hafen

Die Anfänge der Hamburger Sternwarte liegen im frühen 19. Jahrhundert. 1802 gründete der Feinmechaniker Johann Georg Repsold ein kleines privates Institut auf dem Stintfang über dem Hamburger Hafen. Unter der napoleonischen Besatzung aufgelöst, wurde das Observatorium 1825 am Millerntor wiedereröffnet und 1833 vom Hamburger Senat übernommen.

Doch der Standort im Herzen der Stadt entwickelte sich nach und nach zum Problem für die Sternenforscher: In der rasant wachsenden Metropole wurde die Luft immer schmutziger, elektrisches Licht erhellte die Nächte - schlechte Arbeitsbedingungen für Astronomen.

Sternenkataloge und Zeitmessung für die Schifffahrt

Teleskop in einer der Kuppelbauten auf dem Gelände der Sternwarte Hamburg. © NDR Foto: Irene Altenmüller
Bis heute sind einige Teleskope voll funktionsfähig. Auf Führungen können Besucher sie besichtigen.

Nach der Umsiedlung nach Bergedorf verfügte Hamburg ab 1912 über eine der größten und bedeutendsten Sternwarten Europas. Für die Hafenstadt war sie damals von immenser Bedeutung, da die Schiffskapitäne bei der Navigation noch auf Sternenkarten und die genaue Uhrzeit angewiesen waren. Weltberühmt wurden die Bergedorfer Sternenkataloge, die das Institut bis in die 1960er-Jahre erstellte.

Eine weitere Hauptaufgabe der Sternwarte war die Zeitmessung. Auf Grundlage von Himmelsbeobachtungen bestimmten die Astronomen auf dem Gojenberg die Uhrzeit schon vor mehr als 100 Jahren auf die Zehntelsekunde genau. Die Messwerte wurden bis Mitte der 30er-Jahre täglich auf eine Lichtzeichenanlage und einen "Zeitball" im Hamburger Hafen übertragen: Um exakt 12 Uhr Greenwich-Zeit fiel der große schwarze Ball herunter, weithin sichtbar für die Kapitäne.

Ein Kuppelbau der  Hamburger Sternwarte in Bergedorf. © picture alliance/dpa Foto: Markus Scholz
Mit den Teleskopen, die sich in den Kuppelbauten befinden, kann man noch immer die Sterne beobachten.

Hamburgs Astronomen untersuchten aber auch die physikalischen Eigenschaften der Sterne sowie die Sternverteilung in der Milchstraße und anderen Galaxien. 1930 entwickelte der Optiker Bernhard Schmidt in Bergedorf zudem das bahnbrechende Schmidt-Spiegelteleskop für die Himmelsfotografie - für Astronomen damals eine Weltsensation.

Das Observatorium im Zweiten Weltkrieg

Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Sternenforscher auch für militärische Aufgaben eingespannt, lieferten unter anderem aerodynamische Berechnungen für den Flugzeugbau und überwachten die Sonnenfleckentätigkeit, um Störungen der Kurzwellen-Übertragungen voraussagen zu können.

Die Sternwarte überstand den Krieg fast unbeschädigt und kehrte schon zu Beginn der 50er-Jahre zum normalen Forschungsbetrieb zurück. Ein Meilenstein in der Geschichte des Instituts war 1962 die Gründung der Europäischen Südsternwarte ESO in Bergedorf. Ihr Hauptziel war die Erforschung des Südsternhimmels - zu diesem Zweck finanzierte die ESO ein großes Observatorium in Chile.

Grundlagenforschung statt Sternenbeobachtung

Die große Zeit der Hamburger Sternwarte ist heute längst Geschichte. Anderswo auf der Welt sind die Sterne einfach häufiger zu sehen als am oft bewölkten Hamburger Himmel. Die modernen Observatorien stehen heute in der chilenischen Atacama-Wüste oder auf dem Calar Alto in Südspanien. In Bergedorf betreibt man seit den 70er-Jahren in erster Linie Grundlagenforschung auf den Gebieten Kosmologie, Quasare und Stellarphysik. Seit 1968 gehört die Sternwarte zum Fachbereich Physik der Uni Hamburg.

Erstmal kein Welterbetitel für die Sternwarte

Mit der Sternwarte hatte sich die Stadt Hamburg in den vergangenen Jahren zweimal um einen Platz auf der deutschen Vorschlagsliste für den Titel des UNESCO-Welterbes beworben. Doch beide Anläufe scheiterten bislang - zuletzt Anfang 2024. Die zuständigen Experten bemängelten den schlechten Zustand der denkmalgeschützten Einrichtung.

Sternwarte und Planetarium: Was ist der Unterschied?

In einer Sternwarte kann man, meist zu Forschungszwecken, mithilfe von Teleskopen den Sternenhimmel beobachten. In einem Planetarium wird dagegen ein künstlicher Sternenhimmel erzeugt, um astronomische Phänomene anschaulich zu machen. Dazu dient meist ein spezieller Projektor, der den Sternenhimmel und andere Himmelskörper auf die Innenseite einer Kuppel projiziert. Hamburgs historische Sternwarte befindet sich im Stadtteil Bergedorf, das Planetarium im Stadtpark in Winterhude.

Sternwarte Hamburg

Gojenbergsweg 112
Besucherzentrum: August-Bebel-Str. 196
21029 Hamburg
Tel. (040) 64 68 29 75

Informationen zu Führungen und Veranstaltungen auf einer Webseite der Universität Hamburg

Anfahrt: Buslinie 332 oder 135 ab S-Bahnstation Bergedorf

Karte: Die Sternwarte in Hamburg Bergedorf

Weitere Informationen
Lippert-Astrograph der Sternwarte Hamburg. © Hamburger Sternwarte
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Dieses Thema im Programm:

DAS! | 16.01.2024 | 18:45 Uhr

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