"Rickmer Rickmers": Hamburgs grüne Lady im Hafen
Der Dreimaster von 1896 ist im August 2024 generalüberholt an seinen Stammplatz an den Hamburger Landungsbrücken zurückgekehrt. Früher war er als Frachtsegler und Schulschiff auf den Weltmeeren im Einsatz.
Eine eher ungewöhnliche Galionsfigur ziert den Bug der "Rickmer Rickmers": Wo bei vielen Schiffen Löwen, Nixen oder auch Ritter den aufspritzenden Wellen trotzen, ist bei dem stolzen Dreimaster ein kleiner, pausbäckiger Junge im Matrosenanzug zu sehen. Es ist der dreijährige Rickmer, Enkel des Firmengründers der bekannten Rickmers-Reederei. Nach ihm ist der Traditionssegler benannt, der seit 1987 an den Hamburger Landungsbrücken liegt.
Stapellauf in Bremerhaven
Erbaut wird die "Rickmer Rickmers" als Frachtsegler auf der firmeneigenen Werft in Bremerhaven, wo sie im August 1896 vom Stapel läuft. Das stählerne Vollschiff ist in den typischen Farben der Rickmers-Reederei grün, weiß und rot gestrichen. Ihre erste Reise führt die "Rickmer Rickmers" mit einer Ladung britischer Kohle nach Hongkong, wo sie Reis und Rattan an Bord nimmt.
Beinahe-Katastrophe im Taifun
Die "Rickmer Rickmers" hat bereits mehrere erfolgreiche Fahrten hinter sich, als sie im August 1904 vor dem Kap der Guten Hoffnung in einen Taifun gerät. Die Ladung verrutscht, das Schiff droht zu kentern. Die Crew muss den oberen Teil des dritten Masts kappen. Das Frachtschiff läuft Kapstadt als Nothafen an, wird dort zur Bark umgetakelt. Das bedeutet, dass sie - anders als zuvor - statt eines Rahsegels am hinteren Mast ein längsschiff stehendes Gaffelsegel bekommt.
Aus der "Rickmer Rickmers" wird die "Max"
1912 trennt sich die Reederei Rickmers von allen Segelschiffen, um ihre Flotte vollständig auf Dampfschiffe umzustellen. Die Hamburger Reederei Krabbenhöft kauft die "Rickmer Rickmers" und gibt ihr den Namen "Max". Sie setzt das Schiff im Salpeterhandel mit Chile ein.
Unter portugiesischer Flagge
Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, läuft das Schiff auf seiner Heimreise von Chile die neutralen Azoren an. Dort beschlagnahmen es die Portugiesen 1916, benennen es in "Flores" um und stellen es den Engländern zum Transport von Kriegsmaterial zu Verfügung. Nach Kriegsende 1918 setzen die Portugiesen das Schiff bis 1922 weiter als Frachtsegler ein.
Vom Frachtsegler zum Schulschiff
1924 kauft die portugiesische Marine das Schiff, baut es zum Segelschulschiff um und tauft es auf den Namen "Sagres". Die Galionsfigur wird abgebrochen und durch eine Figur des portugiesischen Prinzen Heinrich, der Seefahrer ersetzt, der im 15. Jahrhundert gelebt hat. 1930 erhält die "Sagres" zwei Dieselmotoren als Hilfsantrieb. 1962 stellt die Marine das Schiff außer Dienst, lässt die Masten kappen und nutzt es unter dem Namen "Santo André" als Depotschiff, also als schwimmendes Lagerhaus.
Überführung nach Hamburg
Bis in die 1980er-Jahre liegt die "Santo André" im Marinehafen Alfeite nahe Lissabon und verfällt langsam. Dort findet sie der Verein "Windjammer für Hamburg e.V.", der einen Großsegler als Museumsschiff für den Hamburger Hafen sucht. 1983 wird das Schiff nach Hamburg geschleppt und dort pünktlich zum Hafengeburtstag am 7. Mai 1983 dem Verein übergeben. Einige Tage lang dürfen die Hamburger das marode Schiff an den Landungsbrücken besichtigen, dann kommt es ins Dock. Dort lässt der Verein es von oben bis unten sanieren: Der Stahl wird sandgestrahlt, ein neues Holzdeck verlegt, die Takelage vervollständigt. 50 freiwillige Helfer unterstützen die Restaurierungsarbeiten. Im Inneren wird nur eine der beiden Dieselmaschinen instand gesetzt, die andere durch eine Dampfmaschine ersetzt. So bekommen Besucher Einblick in drei verschiedene Antriebsarten für Schiffe, die in all den Jahren üblich waren: Dampf, Diesel und Wind. Auch eine neue Galionsfigur erhält das Schiff: eine Nachbildung der alten Rickmer-Figur.
Museumsschiff und Hamburger Wahrzeichen
Seit 1987 liegt der Dreimaster als Museumsschiff an den Hamburger Landungsbrücken - wieder unter seinem ursprünglichen Namen "Rickmer Rickmers". Längst ist sie zu einem Wahrzeichen Hamburgs geworden - und ist seit 2006 unter anderem offizielle Schiffspoststelle der Deutschen Post mit einem eigenen Sonderstempel. Besucher können Post dort einwerfen.
Seetüchtig ist das Schiff mit dem charakteristischen grünen Rumpf nicht mehr, den Anleger verlässt es nur noch für regelmäßige Generalüberholungen im Dock oder in Ausnahmesituationen wie im März 2021, wenn die Hafenbehörde den Liegeplatz vertiefen lässt. Im Übrigen bleibt die grüne Lady, wie die Hamburger "ihren" Großsegler liebevoll nennen, den Landungsbrücken treu.