Umfrage: Große Mehrheit sieht Demokratie in Gefahr
Die Mehrheit einer #NDRfragt-Umfrage ist mit der Demokratie in Deutschland insgesamt zufrieden. Viele sehen aber akut Gefahren - vor allem von extremistischen Parteien.
Über drei Viertel der Befragten sehen die Demokratie in Deutschland aktuell in Gefahr – vor allem vonseiten extremistischer Parteien. Das ist das Ergebnis der aktuellen #NDRfragt-Umfrage "Demokratie unter Druck?" mit knapp 18.000 Teilnehmern aus Norddeutschland.
Weitere große Gefahrenquellen sehen die Befragten in Desinformationen in den sozialen Netzwerken und sozialer Ungleichheit.
Alle Ergebnisse dieser nicht repräsentativen, aber gewichteten Umfrage gibt es als PDF zum Herunterladen.
Zufriedenheit mit Demokratie zuletzt gewachsen
Knapp zwei Drittel sind zufrieden damit, wie die Demokratie funktioniert - das sind rund zehn Prozentpunkte mehr als noch vor einigen Monaten. Erst im Oktober hatte #NDRfragt nach der Demokratiezufriedenheit gefragt, damals lag der Wert noch knapp über 50 Prozent. #NDRfragt-Teilnehmerin Julia (28) aus Niedersachsen schreibt: "Wir können sehr froh sein in Deutschland zu leben. Uns fehlt es quasi an nichts und wir werden nicht unterdrückt. Das haben wir der Gewaltenteilung, Menschenrechten und der Demokratie zu verdanken. Demokratie ist die beste Staatsform, die existiert, auch wenn sie nicht ganz perfekt ist, da immer Randgruppen benachteiligt werden."
Zwischen beiden Umfragen lag ein Frühjahr zahlreicher Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie. Auch im Norden kamen Woche für Woche mehrere Zehntausend Menschen zusammen - im Januar waren es allein in Hamburg insgesamt 180.000 Menschen.
Laut vielen #NDRfragt-Mitgliedern haben die Demonstrationen einen positiven Effekt: Die Hälfte der Befragten meint, dass sie die Demokratie stärken, wie etwa #NDRfragt-Teilnehmer Manfred (64) aus Niedersachsen: "Die Demokratie muss wehrhaft sein. Auch die breite Masse sollte ihren Willen und ihre Meinungen aktiv mittels Demos oder anderen, neuen Formaten einbringen können. Bei der AfD hat es funktioniert, gleiches halte ich aber auf der linksextremen Seite und bei religiös motiviertem Fundamentalismus für zwingend notwendig."
Demonstrationen stoßen auch auf Kritik
Ein Viertel ist hingegen überzeugt, die Demonstrationen bewirken kaum etwas oder nichts - 18 Prozent sehen in den Protesten gar eine Schwächung der Demokratie, weil sie Menschen ausgrenzen würden.
So könne es etwa nicht sein, dass besorgte Menschen pauschal als "Wutbürger" abgestempelt würden. Einige kritisieren, Demonstrationen gegen die Opposition seien fragwürdig, wenn sie von Regierungsparteien mit getragen würden. Außerdem reiche es nicht aus, auf die Straße zu gehen und einfach nur gemeinsam "gegen Rechts" zu sein. Die Politik müsse die tatsächlichen Probleme angehen, sonst sei sie "feige" und "unehrlich" und die Demonstrationen nur "politisches Theater".
Befragte gespalten über Nutzen von AfD-Verbot
Extremistische Parteien sieht eine Mehrheit der Befragten nicht nur als Gefahr für die Demokratie allgemein, sondern zunehmend auch für das Grundgesetz im Besonderen. Die AfD wird in Teilen bereits als gesichert rechtsextrem eingestuft - beim Thema Parteiverbot ist die Community allerdings gespalten: Die eine Hälfte (45 Prozent) sähe die Demokratie durch ein AfD-Verbot gestärkt, die andere Hälfte (46 Prozent) geschwächt.
Im Norden gibt es dabei große Unterschiede, wie ein Blick auf die Karte der Stadt- und Landkreise zeigt. Vor allem in Ballungsräumen sehen viele Befragte ein Verbot als demokratiestärkend an - in der Region Hannover sind es etwa die Hälfte; in Osnabrück noch etwas mehr. In Mecklenburg-Vorpommern überwiegt die Gegenmeinung: Hier glauben die meisten Teilnehmenden, ein AfD-Verbot würde die Demokratie schwächen.
Die unterschiedliche Bewertung eines AfD-Verbots spiegelt sich auch in den Kommentaren der #NDRfragt-Teilnehmer wider. Christoph (60) aus Mecklenburg-Vorpommern schreibt: "Man muss Parteien wie die AfD aushalten und hinterfragen, warum es die Menschen dorthin treibt." Julius (26) aus Hamburg ist anderer Meinung: "Eine zentrale Gefahr für unsere Demokratie ist die AfD mit ihren verfassungsfeindlichen Positionen und ihrer Käuflichkeit von autoritären Regimen. Ihr muss dringend Einhalt geboten werden, sei es durch ein Verbot oder andere Maßnahmen."
Erst Anfang der Woche hatte das Oberverwaltungsgericht in Münster entschieden, dass die AfD weiter als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt werden darf. Damit darf der Verfassungsschutz auch weiterhin nachrichtendienstliche Mittel, wie etwa Abhöraktionen, zur Beobachtung der Partei einsetzen. In Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen wird die Partei bereits als gesichert rechtsextrem eingestuft.
Mehrheit: Politischer Streit führt nicht zu guten Lösungen
Bundeshaushalt, Cannabis-Freigabe oder Rentenreform - es scheint kaum ein Thema zu geben, das innerhalb der Ampelkoalition nicht zum öffentlichen Streit führt. Nur eine Minderheit der Befragten (40 Prozent) glaubt, dass dieser politische Streit am Ende zu einer guten Lösung für die Gesellschaft führt. Die Mehrheit (57 Prozent) ist der gegenteiligen Meinung. Dazu passt: Fast 90 Prozent sind der Ansicht, dass Politiker nur auf die Wiederwahl blicken und nicht langfristig denken - zum Beispiel an dauerhafte gute Lösungen.
Mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung gefordert
Was muss sich also verbessern? Die Teilnehmer fordern vor allem mehr Offenheit und Transparenz von der Politik, aber auch mehr Beteiligung. Jan (16) aus Niedersachsen schreibt: "Wenn es mehr direkte Volksabstimmungen gibt, vor allem auch auf lokaler Ebene, ließen sich Menschen vielleicht wieder mehr für Politik begeistern (…). Und gleichzeitig muss es mehr Demokratie- und Medienbildung bei Schüler:innen geben, sodass diese bereits von Beginn an lernen, die Demokratie zu achten und zum Beispiel Fake News zu erkennen. In Zeiten von KI wichtiger denn je."
Wachsende #NDRfragt-Community mit 42.000 Norddeutschen
#NDRfragt ist das Meinungsbarometer für den Norden. Mittlerweile haben sich 42.000 Norddeutsche für die Community angemeldet. Wer noch nicht dabei ist, aber mitmachen will, kann sich registrieren und wird zu den Umfragen per E-Mail eingeladen. Mitglied kann werden, wer in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg oder Bremen wohnt und mindestens 16 Jahre alt ist.