Einsamkeit besonders bei Jüngeren weit verbreitet
Die Mehrheit der Teilnehmenden an einer #NDRfragt-Umfrage hat Erfahrung mit dem Gefühl der Einsamkeit. Am häufigsten sind Menschen unter 30 Jahren betroffen. Freundschaften fehlen allen Befragten am meisten.
Einsamkeit ist unter den gut 11.000 Norddeutschen, die an der #NDR-Umfrage teilgenommen haben, weit verbreitet. 60 Prozent der Befragten geben an, das Gefühl zumindest hin und wieder zu empfinden - unabhängig davon, ob sie in einer Beziehung leben, Familie haben oder andere Menschen und Freunde treffen. 16 Prozent fühlen sich sogar oft oder immer einsam. Im Vergleich zu anderen Studien sind diese Werte hoch. Besonders betroffen sind junge Menschen unter 30 Jahren: Unter ihnen sind anteilig mehr Menschen einsam - und sie leiden häufiger darunter. Denen, die sich einsam fühlen, fehlen vor allem Freundschaften. Von der Politik wünschen sie sich eine Stärkung der Nachbarschaft. Alle Ergebnisse der nicht repräsentativen Umfrage von #NDRfragt gibt es hier als PDF zum Herunterladen.
Junge Menschen sind besonders einsam
Jüngere Befragte erfahren am häufigsten Einsamkeit. Über drei Viertel der unter 30-Jährigen geben an, wenigstens ab und zu einsam zu sein. Bei den über 30-Jährigen sagt hingegen fast die Hälfte, sich nie so zu fühlen. Unter den Jüngeren sind prozentual nicht nur mehr Menschen einsam, sie fühlen sich auch häufiger so als die Älteren. Mit einem Fünftel ist der Anteil derer, die sich oft oder immer einsam fühlen, fast doppelt so hoch wie unter den Älteren. Trotz ihres jüngeren Alters ist Einsamkeit für einige schon Teil ihres Lebensgefühls:
"Ich bin seit der Schulzeit einsam. Irgendwann habe ich diesen Zustand akzeptiert." #NDRfragt-Teilnehmerin, 27, aus Hamburg
Auswirkungen der Einsamkeit
Niedergeschlagen, isoliert, ungeliebt: So beschreiben diejenigen, die sich als zumindest gelegentlich einsam bezeichnen, am häufigsten ihren Gemütszustand. Bei den unter 30-Jährigen fühlen sich 72 Prozent durch ihre Einsamkeit niedergeschlagen und auch 55 Prozent der ab 30-Jährigen fühlen so. Unter den Befragten allen Alters geben sogar 27 Prozent an, sich durch ihre Einsamkeit wertlos zu fühlen.
Zu welcher Zeit das Gefühl auftaucht, ist weniger eindeutig: Gut ein Drittel gibt an, dass es am Wochenende vorkommt oder nach Feierabend. Für genauso viele tritt das Einsamkeitsgefühl hingegen zu keiner bestimmten Zeit auf. Auch auf die Frage nach den Umständen, unter denen sich Einsamkeit einstellt, gibt es keine klar hervorstechende Antwort: Ein Viertel ist einsam beim Fernsehen, etwa ein Fünftel beim Nutzen von Social Media. Ist also vor allem einsam, wer vor dem Bildschirm oder am Smartphone hängt? Nein, denn ein Viertel gibt an, dass es auch in Gesellschaft passiert.
Auf der Suche nach Freundschaft
Mehr als alles andere fehlt den Teilnehmenden, die sich oft oder hin und wieder einsam fühlen, das Gefühl von Freundschaft. Das gibt über die Hälfte der Befragten an. Erst mit großem Abstand folgen Liebes- und familiäre Beziehungen. Zum Wunsch nach Freundschaft passt der am häufigsten genannte Grund für die Einsamkeit: Vielen mit Einsamkeitserfahrungen fällt es schwer, neue Kontakte zu knüpfen und andere Leute kennenzulernen. Für 75 Prozent der 16- bis 29-Jährigen ist diese Herausforderung besonders groß. Die über 30-Jährigen geben es nur noch zu 35 Prozent an.
Kontaktaufnahme als Weg aus der Einsamkeit
Betroffene Befragte bleiben aber nicht untätig, sondern versuchen einiges, um aus der Einsamkeit herauszukommen. Viele geben an, es schon mit Verdrängung oder Ablenkung in Form von Arbeit, Fernsehen, Computer oder Alkohol versucht zu haben. Das häufigste Gegenmittel ist aber die Kontaktaufnahme zu anderen Menschen. Dabei steht an erster Stelle, das bestehende Netzwerk an Kontakten zu reaktivieren oder zu stärken. Virtuell Menschen kennenzulernen, etwa über Dating-Apps oder Social Media, ist dabei seltener als offline aktiv zu werden: Alt wie Jung geben häufiger an, ein neues Hobby oder ein Ehrenamt anzufangen oder in einen Verein einzutreten.
Viele Mitglieder der #NDRfragt-Community beschreiben, wie mühsam der Weg aus der Einsamkeit für sie ist, aber auch, wie sehr er sich lohnen kann - auch wenn er mit kleinen Schritten beginnt.
"Mein erster Schritt war, bewusst Augenkontakt zu Menschen zu suchen, sie anzulächeln und mich darüber zu freuen, wie oft ich ein Lächeln zurückbekomme. Und ich habe versucht, zum Beispiel beim Einkaufen, kleine Small Talks zu beginnen. Jedes noch so kleine Gespräch hat mich weniger einsam fühlen lassen - und es fiel mir mit der Zeit leichter, wieder Kontakt zu Menschen aus meinem Umfeld aufzunehmen." #NDRfragt-Teilnehmerin , 45, aus Hamburg
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Politik soll Nachbarschaft fördern
Allgemein spielt für die Befragten die Politik bei der Bekämpfung von Einsamkeit keine tragende Rolle. Am ehesten fällt hier noch die Vernetzung von Nachbarschaften ins Gewicht. 35 Prozent der Befragten insgesamt meinen, dass die Politik entsprechende Projekte in Stadtteilen fördern sollte. Das ist auch den Jüngeren wichtig. 42 Prozent der unter 30-Jährigen sehen dies als Aufgabe der Politik, bei den über 30-Jährigen sind es 36 Prozent der Befragten. Generell glauben viele, dass eher grundlegende Probleme angegangen werden müssten, um die Einsamkeit in der Bevölkerung zu minimieren:
"Es müssten Maßnahmen getroffen werden, um soziale und wirtschaftliche Ungleichheit zu beseitigen; die Superreichen müssen nicht noch reicher werden, und die Armen müssen mehr am gesellschaftlichen Reichtum teilhaben. Dadurch würden Egoismus, Neid und Gier abnehmen, und Empathie und Solidarität würden wachsen." #NDRfragt-Teilnehmer, 63, aus Niedersachsen
Gesellschaft sensibilieren für Problematik Einsamkeit
Also ist nicht die Politik an erster Stelle gefragt, sondern die Gesellschaft. Mehr Mitgefühl und Hilfsbereitschaft stehen dabei besonders im Vordergrund. Was es am meisten braucht, sehen die Generationen jedoch sehr unterschiedlich: Bei den Befragten bis 29 Jahre sagen 45 Prozent, dass die Arbeitsbelastung sowie der Leistungsdruck abnehmen müssten, damit sie offen für die Belange anderer sein können. In der Gruppe der ab 30-Jährigen sieht das nur ein Viertel so. Bei ihnen ist der Wunsch nach Empathie und Hilfsbereitschaft mit 48 Prozent am größten.
"In unserer Gesellschaft mit dem enormen Leistungsdruck kann man es sich kaum leisten, soziale Nähe zu suchen. Wer das braucht, wird als schwach abgestempelt. Das fängt schon im Bildungssystem an." #NDRfragt-Teilnehmerin, 17, aus Hamburg
Die Umfragen von #NDRfragt sind zwar nicht repräsentativ, stehen aber für die Meinungen einer großen Zahl von Norddeutschen. Wir gewichten die Antworten statistisch, damit #NDRfragt so gut wie möglich die Bevölkerungsgruppen in Norddeutschland widerspiegelt.
Stimmen aus der #NDRfragt-Community
Viele Mitglieder der #NDRfragt-Community haben in der Umfrage ihre Gedanken und Meinungen zu Einsamkeit aufgeschrieben. Hier eine kleine Auswahl der Stimmen, die uns erreicht haben:
Wachsende #NDRfragt-Gemeinschaft mit gut 20.000 Norddeutschen
Die NDR Umfrage-Gemeinschaft #NDRfragt gibt es seit Ende Oktober 2022. Mittlerweile haben sich gut 20.000 Norddeutsche angemeldet. #NDRfragt ist das Meinungsbarometer für den Norden. Wer noch nicht dabei ist, aber mitmachen will, kann sich registrieren und an den Umfragen teilnehmen. Mitglied kann werden, wer in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg oder Bremen wohnt und mindestens 16 Jahre alt ist.