Ein Autobahnabschnitt der A20 bei Bad Segeberg. © NDR Foto: T. Gellert

Eine Chronologie: Der lange Weg der Autobahn 20

Stand: 15.11.2023 16:23 Uhr

Seit gut 100 Jahren gibt es die Vision der Ostsee-Autobahn A20. Doch gebaut wird in Schleswig-Holstein seit 2009 nicht mehr. NDR Schleswig-Holstein gibt einen Überblick.

1216: der Urahn, die Via Regia

Bereits 1216 wird die Verbindung von Hamburg nach Stettin erstmals urkundlich erwähnt. Die sogenannte Via Regia (Königsstraße) ist damals die bedeutendste Ost-West-Verbindung im Norden. Für die 350 Kilometer lange Strecke musste eine Reisezeit von rund sieben Tage eingeplant werden.

1933: ein Autobahn-Grundnetz entsteht - und ist auch Propaganda

In den 1920er Jahren denken Politiker und Verkehrsexperten über ein deutsches Autobahnnetz nach. Der "Verein zur Vorbereitung einer Autostraße Hansestädte–Frankfurt am Main–Basel (HaFraBa) e. V." plant 1927 ein vollständiges Netz von Nur-Autostraßen für Deutschland. Adolf Hitler treibt den Autobahnbau, nach anfänglicher Ablehnung, voran. Geplant ist zunächst ein Autobahn-Netz von insgesamt 6.900 Kilometern. Ab September 1933 wird gebaut. Bis 1943 sind 3.900 Kilometer fertig. Ein Ziel ist es, Berlin mit Stettin, Hamburg, Rostock und Stralsund zu verbinden. Der Bau der Reichsautobahn wird zum Propagandaprojekt der Nationalsozialisten. Sie behaupten, damit Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Zum Teil dienen die Autobahnen damals auch der Kriegsvorbereitung.

1937: Geburtsstunde der A20 mit der Mecklenburger Nordlinie

Um den Ostseeraum ausreichend zu erschließen, wird 1937 die sogenannte Mecklenburger Nordlinie geplant. Von Schwerin sollen rund 200 Kilometer nach Hamburg führen. Dann bricht 1939 der Zweite Weltkrieg aus. Die Mecklenburger Nordlinie wird nicht weitergebaut. Die bereits gebauten 16 Kilometer bleiben fast 40 Jahre ungenutzt. Denn auch in der Nachkriegszeit steht der Weiterbau still, in der DDR rückt die Verbindung Berlin-Rostock in den Fokus.

1992: A20 von Lübeck bis Stettin

Deutschland vereinigt sich 1990, nun müssen auch wieder Autobahnen über die ehemalige innerdeutsche Grenze gebaut werden. Die A20 rückt wieder ins Visier der Politiker und Verkehrsplaner. 1991 beschließt das Kabinett den Weiterbau der A20 als eines von sieben Verkehrsprojekten Deutsche Einheit Straße (VDE Straße). Die Autobahn soll zunächst über 323,2 Kilometer als vierstreifiger Neubau von Lübeck bis ins polnische Stettin führen, 16,8 Kilometer sind durch Schleswig-Holstein geplant, 279,6 durch Meckenburg-Vorpommern und 26,8 durch Brandenburg. 1991 wird dafür die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) gegründet (seit 2017 ist die DEGES für Planung und den Bau der A20 zuständig). Das Projekt "Ostsee-Autobahn" wird als "vordringlicher Bedarf" ausgewiesen. Die Bundespolitik stuft die Wichtigkeit der A20 als so hoch ein, dass ein Teil per Investitionsmaßnahmengesetz und damit ohne Planfeststellungsverfahren genehmigt wird. Im Dezember 1992 setzt der damalige Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) den ersten Spatenstich an einer Brücke, die über die A20 führen soll, 1994 kommt dann der zweite erste Spatenstich nahe Wismar - vom nächsten Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU).

2009: vorerst letzter Abschnitt fertig

Damit der Verkehr an bestimmten Knotenpunkten erstmal rollt, soll die Autobahn in einzelnen Teilabschnitten gebaut werden. Solche Teilabschnitte sind zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern der 92 Kilometer lange Abschnitt zwischen Schönberg und Rostock (2000 fertiggestellt) und in Schleswig-Holstein das 4,8 Kilometer lange Teilstück zwischen Lübeck und Lübeck-Genin (2001 fertiggestellt). Im Dezember 2005 eröffnet die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Teilstücke der A20 bei Tribsees und Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. 320 Kilometer der Autobahn sind nun fertig. Weitere 22 Kilometer kommen in den nächsten Jahren dazu. 2009 wird der vorerst letzte Abschnitt fertig. Die A20 endet seitdem kurz vor Bad Segeberg.

2013: Fledermäuse stoppen Ausbau bei Bad Segeberg

2013 wird der Ausbau des A20 in Schleswig-Holstein gestoppt. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheidet zugunsten der klagenden Umweltverbände Bund für Natur und Umweltschutz Schleswig-Holstein (BUND SH) und der NABU Schleswig-Holstein. Der Planfeststellungsbeschluss des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein für den Neubau des Abschnitt 3 der A 20 von Weede bis Wittenborn (Kreis Segeberg) ist laut Urteil rechtswidrig. Der Grund: Fledermäuse. Die geplante Autobahn soll in 1,5 Kilometern Abstand an den Segeberger Kalkberghöhlen verlaufen - dem größtem bekannten Fledermausquartier Deutschlands. Mehr als 30.000 Tiere überwintern dort. Die Autobahnplaner haben laut dem Urteil die Routen der Fledermäuse nicht ausreichend untersucht. Sie müssen nachbessern.

Einige Nachbesserungen: Schutz von Fledermaus, Haselmaus und Zwergschwänen

Die DEGES sieht 13 spezielle Flora- und Faunabrücken über dem Abschnitt 3 von Weede nach Wittenborn vor, damit Fledermäuse die Autobahn sicher überqueren können. Bei Todesfelde (Kreis Segeberg) werden rund 100 Haselmäuse umgesiedelt, bevor der Bau weitergehen kann. Rund sieben Kilometer neue Knicks werden als Lebensraum angelegt. Die geplante A20 soll auch an der Niederung der Hörner Au vorbeiführen, einem wichtigen Rastgebiet für Zwergschwäne. Hier werden Ersatzflächen für die Tiere gesucht. Außerdem müssen die Verantwortlichen darauf achten, dass beim Bau der Autobahn der alte Moorboden der Elbmarschen erhalten bleibt.

2023: Umweltverbände klagen, Bund sieht kein überragendes Interesse, neue Pläne

Wie sieht es aktuell aus? Es gibt viele Diskussionen und Widerstände um den Weiterbau. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), die Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins und Niedersachsens wollen bauen. Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) und die Umweltverbände im Norden sind dagegen. Drei der sechs offenen Abschnitte in Schleswig-Holstein haben noch keine Baugenehmigung. Die anderen drei wurden vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gestoppt. Im Februar 2023klagen der Bund für Natur und Umweltschutz Schleswig-Holstein (BUND SH) und der NABU Schleswig-Holstein vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die neue Baugenehmigung für den A20-Elbtunnel. Die klimaschädlichen Auswirkungen der A 20 seien vernachlässigt worden, heißt es. Im März 2023 werden zudem die Hoffnungen auf einen zügigen Weiterbau vom Bund gebremst, als dieser den Weiterbau nicht als Projekt von überragendem Interesse einstuft und von der Liste der zu beschleunigenden Projekte nimmt. Und: Zehn Jahre (und 49 Aktenordner) nachdem das Bundesverwaltungsgericht den Bau des Streckenabschnitts zwischen Wittenborn und Weede bei Bad Segeberg gekippt hatte gibt es neue Pläne. Sie werden im September 2023 ausgelegt und können auch online eingesehen werden.

bis 2030: Küstenautobahn bis zur Nordsee geplant

Wenn alles läuft wie geplant, dann werden weitere rund 200 Kilometer von Schleswig-Holstein bis zur Nordsee gebaut. Geplant ist der Ausbau von Bad Segeberg über Bad Bramstedt zu einer Elbquerung westlich Hamburgs. Dann soll es weiter gehen durch das nordwestliche Niedersachsen, die Weser soll südlich von Bremerhaven gequert werden. Der Tunnel ist zwischen Drochtersen und Glückstadt (Kreis Steinburg) geplant. Enden würde die A20 an der A 28 bei Westerstede nahe den Niederlanden. Nördlich von Hamburg würde die A20 die A 1, die A 21, die A 7 und die A 23 miteinander verbinden. Mit Stand Juli 2020 ist eine Fertigstellung der Schleswig-Holsteiner Abschnitte der A 20 zwischen Bad Segeberg und Elbe bis 2030 vorgesehen.

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Schleswig-Holstein Magazin | 28.09.2023 | 19:30 Uhr

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