So soll Itzehoes Innenstadt wiederbelebt werden

Stand: 12.05.2023 08:08 Uhr

Mehr Leben in der Stadt: Itzehoes Kommunalpolitik investiert 22,6 Millionen Euro in einen Mix aus Wohnen, Arbeiten und mehr Aufenthaltsqualität. Dabei spielt das Wasser eine zentrale Rolle.

von Sven Jachmann

Es ist ein Millionenprojekt und die ganz große Vision der Kommunalpolitik: ein breiter Wassergraben rund um das Theater Itzehoe (Kreis Steinburg). Karl-Heinz Zander von den Grünen verspricht sich viel von dem Projekt Stör-Auf. "Es geht darum, Wasser als gestaltendes Element wieder reinzubringen in die Stadt: Cafés direkt am Wasser, eine große Grünfläche, wo Kinder sich tummeln können, darauf kommt es an", sagt er. Darin sind sich die Grünen, CDU und SPD einig. Die FDP hat beim Projekt Stör-Auf keine einheitliche Meinung. Johann Wudtke vom FDP-Ortsverein verweist auf die aus Sicht seiner Partei unkalkulierbaren Kosten in Millionenhöhe und auf den enormen Pflegeaufwand. Zudem habe auch die alte Störschleife die Stadt nicht attraktiver gemacht, so Wudtke. Ähnlich argumentiert die AfD.

16 Millionen Euro Kosten

Blick auf die ehemalige Störschleife in Itzehoes Innenstadt. © Carsten Brecht Foto: Carsten Brecht
"Stör-Auf" sieht für die Itzehoer Innenstadt vor, die zugeschüttete Störschleife wieder zu öffnen.

Die neue Störschleife ums Theater soll nach Angaben einer Stadtsprecherin 16 Millionen Euro kosten. Das Land gibt zehn Millionen dazu. Viele Bewohner aus Itzehoe befürchten, der neue Wasserkanal rund ums Theater werde veralgen, verdrecken und verschlammen. Andererseits: ein Bürgerentscheid stimmte für das Projekt. Es wird allerdings einige Jahre dauern, ehe es mit dem Bau losgeht.

Elf weitere Projekte geplant

Doch es ist nicht nur die Störschleife allein. Die Stadt plant elf weitere Projekte, die alle zur Innenstadtsanierung zählen. Finanziert wird das auch mithilfe des Bund-Länder-Programms "Lebendige Zentren". 22,6 Millionen Euro nimmt die Stadt in die Hand - und kann außerdem mit 15 Millionen Euro Förderungen rechnen. Straßen und Plätze sollen aufgewertet werden. Ein Projekt ist auch die Verlagerung des Busbahnhofs zum Bahnhof Itzehoe.

12 Prozent der Geschäfte stehen leer - Wohnraum statt Einzelhandel

Vor einigen Jahren warb Itzehoe noch mit dem Slogan "Längste Fussgängerzone Schleswig-Holsteins". Mittlerweile stehen über 20 von 180 gewerblich genutzten Flächen leer - das sind zwölf Prozent. Karl-Heinz Zander von den Grünen will sich mit dem Leerstand nicht groß aufhalten. "Das ist verschwendete Energie, so viele Geschäfte kriegen wir eh nicht mehr vermietet. Ich will lieber nach vorn schauen", sagt er. Ralph Busch, Fraktionsvorsitzender der CDU, hält dagegen. "Hier ist ein Missstand und den müssen wir beseitigen." Dabei will er auch die Eigentümer in die Pflicht nehmen. Steht ein Gebäude länger leer, so seine Idee, müssten die Besitzer der Stadt ein Nutzungskonzept vorlegen. Allerdings sei es auch immer wieder schwierig, mit den Eigentümern zu sprechen. "Viele kommen nicht aus Itzehoe, einige Immobilien sind Teil eines Fonds. Und die Fondsmanager wissen oft nicht, dass zu ihrem Portfolio ein Geschäft hier in der Innenstadt gehört."

Entwicklung zum Wohn- und Arbeitsort

Sönke Doll von der SPD steht vor einem ehemaligen Drogeriemarkt in der Fußgängerzone. "Ich gehe nicht davon aus, dass wir diese Fläche noch einmal an einen Einzelhändler vermieten können. Sie ist zu klein und dafür gibt es kaum Interessenten." Er wirbt wiederholt damit, ehemalige Geschäfte in Büros und Wohnraum umzuwandeln. Dafür gäbe es Fördermittel. "Innenstädte werden mehr und mehr Wohnort und Arbeitsort. Die reine Einzelhandelsnutzung hat keine Zukunft mehr", sagt Doll

Kleine Läden in ein altes Gebäude

Auch eines der ältesten Gebäude der Stadt, das Haus Steinburg, steht leer. Der Grüne Karl-Heinz Zander wird richtig euphorisch, wenn er über die Zukunft des roten Backsteingebäudes spricht. "Es sollen hier kleine Läden rein. Wenn es nach mir geht auch ein kleiner Weinstand. Ich bin so froh darüber, dass wir hier voran kommen. Wenn das wieder belebt wird, dann ist das ein weiterer Baustein. Wir brauchen Hunderte solcher Bausteine."

"Der Kaffeemacher" - Eine Erfolgsgeschichte

So ein Baustein, so eine Erfolgsgeschichte, befindet sich auch wenige Meter entfernt - in der Breiten Straße. Die Location "Der Kaffeemacher." Seit fast fünf Jahren befindet sich das gut besuchte Café hier. Zuvor war es als eine Art Pop-Up Konzept in einem öffentlich geförderten Gebäude untergebracht, berichtet Sönke Doll. "Die Betreiber waren die Ersten, die sich im öffentlichen Raum gründen konnten. Später haben sie die Räume in der Breiten Straße bezogen, weil sie Erfog hatten. Dieses Modell ist eine gute Chance für die Stadt", sagt Doll. Ähnlich sieht es Ralph Busch von der CDU: "Wir müssen die Menschen bei der Selbstständigkeit unterstützen, dabei auch rechtliche Spielräume nutzen und der Verwaltung sagen: 'den Eigentümer wollen wir dort haben.'" Häuser wie diese zögen andere Konzepte an. In den Jahren davor sei die Ecke quasi tot gewesen, heute zähle sie zu den schönsten der Stadt, schwärmt er.

Shoppingcenter umwidmen

Weniger schön sieht es am Holstein Center aus. Das einst größte Einkaufszentrum Schleswig-Holsteins mitten in der Innenstadt steht komplett leer. SPD-Fraktionschef Sönke Doll: "Die Leute gehen nicht mehr in ein riesiges Einkaufszentrum, deshalb ist es total richtig, diese Fläche umzuwidmen." Wohnraum werde benötigt. Es brauche aber einen mutigen Investor, der das Projekt stemme. Inzwischen gibt es zwei Kaufinteressenten, die dem insolventen Betreiber Angebote vorgelegt haben. Wer den Zuschlag bekommt, ist noch offen. Aber die Entscheidung soll bald fallen. Die Angebote gelten nur für eine bestimmte Frist. Die Kommunalpolitik will den künftigen Investor unterstützen, indem sich die Stadt Itzehoe als Hauptmieter ins Spiel bringt. "Wir haben zu beiden gesagt: Wenn ihr es bekommt, dann würden wir als Stadt gern die Volkshochschule da rein bringen und die Stadtbücherei. Der Vorteil für den Investor: Er kann mit einem großen Teil der Mieteinnahmen rechnen, und wir beleben damit die Innenstadt", so Ralph Busch.

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Flächenmanager soll Leerstand verringern

Die Kommunalpolitik hält auch einen Wirtschaftsförderer im Rathaus bereit. Der könne Ideen mit Investoren entwickeln. "Wenn diese Ideen finanzierbar sind, dann unterstützen wir das und helfen bei den bürokratischen Abläufen", verspricht die CDU. Darüber hinaus setzen CDU und SPD auf den Flächenmanager der Stadt Itzehoe. Die Stelle wird für zwei Jahre vom Land gefördert. Der Flächenmanager soll Kontakt zu den Eigentümern der leer stehenden Immobilien und möglichen Interessenten herstellen - mit dem Ziel den Laden-Leerstand schrittweise zu verringern. Doch nach seinen Angaben kann er nur mit sechs Inhabern, deren Gebäude leer stehen, verhandeln. Die anderen Geschäfte sind nicht so ohne weiteres nutzbar und bei einigen von ihnen seien auch die Besitzverhältnisse ungeklärt.

Steinburger Abendmarkt soll Innenstadt beleben

Zusätzlich erarbeitet die Stadtmanagerin neue Konzepte, um kurzfristig mehr Leben in die Stadt zu bringen. Dazu zählt der Steinburger Abendmarkt, der am ersten Donnerstag im Monat ab 17 Uhr stattfindet. Dann werden vor dem Restaurant "Himmel und Erde" bis runter zum "Kaffeemacher" Essens- und Getränkestände aufgebaut - und so etwas wie eine lebendige Afterwork-Atmosphäre macht sich breit. Demnächst ist auch ein Beach Club auf dem Berliner Platz geplant. Die Politik ist bereit, Itzehoe wieder zu dem zu machen, was es mal war. Sie wird sich an ihren Taten messen lassen müssen.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 12.05.2023 | 19:30 Uhr

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