Nur eine Liste: Kommunalwahl ohne Auswahl
Sie können die sogenannte Dorfgemeinschaft wählen oder gar nicht: Die Wahlberechtigten im Kirchspiel Garding (Kreis Nordfriesland) haben am kommenden Sonntag nur diese beiden Möglichkeiten. Parteien oder andere Wählergruppen treten in der Gemeinde in der Nähe von St. Peter-Ording nicht an. "Wir kämpfen alle miteinander für unser Dorf", sagt Bürgermeister Richard Merkner. Das Kirchspiel auf Eiderstedt ist eine von 324 Gemeinden in Schleswig-Holstein, in der laut Landeswahlleiter nur eine Wählergruppe und keine einzige Partei antritt. Dort ist schon vor der Wahl klar, wer die Gemeinde nach der Wahl politisch vertreten wird. Alternativen gibt es am offiziellen Wahltag nicht mehr.
Mitbestimmung nur bei der Kandidaten-Kür
"Unsere Kommunalwahl findet faktisch bereits mit der Kandidatenaufstellung statt", sagt Bürgermeister Richard Merkner. Die war am 27. Februar. Gemeinde und Dorfgemeinschaft hatten zur gemeinsamen Sitzung eingeladen. In Orten mit mehreren politischen Parteien wäre so etwas undenkbar. Im Kirchspiel Garding lassen sich Gemeindevertretung und "Partei" aber gar nicht trennen. Alle Kommunalpolitiker sind Teil der Dorfgemeinschaft - und alle Wahlberechtigten können es werden. Ein Eintrag in die Anwesenheitsliste genügt. Mitgliedsbeiträge oder andere Verpflichtungen entstehen nicht. Knapp 40 der 375 Einwohner waren in den Sitzungssaal der Amtsverwaltung gekommen. Den "Holsteinischen Hof", in dem sie früher immer tagten, gibt es nicht mehr.
"Schön für die Gemeinde"
Bürgermeister Merkner erhielt 25 Stimmen und ist damit quasi Spitzenkandidat. Er und seine Mitstreiter sehen die Einheitsliste als Chance. In ihrer täglichen politischen Arbeit müssen sie sich nie in Fraktionen oder mit Kreisverbänden abstimmen. "Es gibt nie Stress bei uns", sagt Merkner. "Es ist schön für die Gemeinde", findet auch der Vorsitzende der Dorfgemeinschaft, Dirk Thomsen-Timon. "In den Nachbargemeinden versuchen die politischen Gegner oft, sich abzugrenzen oder zu profilieren - und verlieren die Sacharbeit dabei aus dem Blick."
Geht politische Vielfalt verloren?
Im Kirchspiel Garding gibt es das Modell schon seit Jahrzehnten. Die Dorfgemeinschaft wurde 1955 gegründet. "Es gab zwischendurch für sehr kurze Zeit eine zweite Partei, die sich dann schnell wieder aufgelöst hat", sagt Thomsen-Timon. In anderen Orten tritt erstmals nur eine Liste an. In Wittdün auf der Insel Amrum (ebenfalls Kreis Nordfriesland) haben sich Vertreter von CDU, SPD und Bürgerblock zu einer neuen Wählergemeinschaft zusammengeschlossen - auch, weil es für jede Partei einzeln immer schwieriger wurde, genug interessierte Kandidaten zu finden. "Wählergemeinschaften sind im ländlichen Raum eine ganz einfache Möglichkeit, an der politischen Willensbildung teilzuhaben - sie sind attraktiv, weil sie keine parteipolitische Bindung haben", sagt der Kieler Politikwissenschaftler Wilhelm Knelangen. Ein-Parteien-Lösungen sieht er aber kritisch, weil damit die politische Vielfalt verloren ginge und die Wähler nicht mehr zwischen unterschiedlichen politischen Positionen auswählen könnten.
Parteien nicht überall präsent
Laut Landeswahlleiter treten in den kreisangehörigen Gemeinden zusammen 1.298 Wählergruppen an. Das sind sechs weniger als bei der letzten Wahl vor fünf Jahren. Die bekannteren Parteien sind längst nicht in allen Orten wählbar. Die CDU tritt in 485 kreisangehörigen Gemeinden an, die SPD in 400, Grüne und FDP in knapp über 100 und die AfD nur in drei. In den Kreisen und den kreisfreien Städten sind fast alle bekannteren Parteien dabei. Hinzu kommen dort ebenfalls Wählergruppen. Im Kreis Steinburg können die Wähler unter den Unabhängigen sogar noch wählen: Vertreter von Bürgerliste Steinburg (BLS), Freien Wählern (FW) und "Wir in Steinburg" (WISt) sind bereits im Kreistag. Die "Frauen für Steinburg" (FfS) treten erstmals an.
In Dithmarschen will neben der Unabhängigen Wählergemeinschaft Dithmarschen (UWD) auch die Wählergemeinschaft Netzwerk Dithmarschen (WND) in das Kreisparlament einziehen. Dort engagieren sich vor allem Gegner von Windkraftanlagen, die sich nach eigenen Angaben von keiner vorhandenen politischen Partei ausreichend vertreten fühlen. Eine ähnliche Initiative tritt auch im Kreis Rendsburg-Eckernförde an. Da es keine Sperrklausel gibt, stehen die Chancen auch für diejenigen gut, die nicht so viele Stimmen bekommen.
2018 | 2013 | ||
---|---|---|---|
CDU | 485 | 516 | |
SPD | 400 | 448 | |
Grüne | 103 | 89 | |
FDP | 108 | 101 | |
AfD | 3 | ||
Linke | 24 | 16 | |
SSW | 55 | 62 | |
Andere* | 10 | 4 | |
Wählergruppen | 1.298 | 1.304 | |
*Familie, FW, LKR, Die Partei, Z.SH | Quelle: Landeswahlleiter |
Hoffen auf hohe Wahlbeteiligung
Am Sonntag wird überall abgestimmt - ganz gleich, ob viele Parteien oder nur eine Gruppe zur Wahl stehen. Laut Landeswahlleiter verbieten die verfassungsrechtlich geforderte demokratische Legitimation der Vertreter und die Gewährleistung des objektiven Wahlrechts eine sogenannte Friedenswahl. Damit ist die reine Duldung der bereits vollzogenen Kandidatenaufstellung gemeint. Die Kandidaten im Kirchspiel Garding hoffen deshalb auch auf eine hohe Wahlbeteiligung - obwohl das Ergebnis eigentlich schon feststeht.