Wo fast 41 Prozent bei der Bundestagswahl an der Wahlurne AfD wählten
Die AfD ist in der 600-Einwohner-Gemeinde Averlak bei Brunsbüttel bei der Bundestagswahl stärkste Partei geworden. Die ehrenamtlich Engagierten in Averlak sehen die Ursache für das Wahlergebnis vor allem im Bund.
Averlak (Kreis Dithmarschen) besteht im Wesentlichen aus der Hauptstraße, die sich über drei Kilometer durchs Dorf zieht. An dieser Straße finden sich ein Friseur, die Begegnungsstätte mit Kegelbahn und Schießstand, ein Kindergarten, die Freiwillige Feuerwehr sowie der Fußballplatz.
Den Platz nutzen sogar zwei Sportvereine: Der FC Averlak und Blau-Weiß Averlak. Bürgermeister Olaf Tödheide (Unabhängige Wählergemeinschaft Averlak) sieht im Ort keine Spaltung. Das einzig größere Problem am Ort sei der Zustand der Hauptstraße, die seit 1998 nicht mehr saniert wurde. Anfeindungen, unter denen andere Kommunalpolitiker leiden, kennt Tödheide nicht.
AfD erhält in Averlak 40,7 Prozent der Stimmen im Wahllokal
Von den 334 gültigen Zweitstimmen, die bei der Bundestagswahl in Averlak im Wahllokal abgegeben wurden, entfielen laut dem vorläufigen Wahlergebnis 136 auf die AfD - 40,7 Prozent. CDU und SPD kommen zusammen nur auf 132 Stimmen (39,6 Prozent). Dabei sind die Briefwahlstimmen nicht eingerechnet.
Im Briefwahlbezirk holt die AfD 20,1 Prozent
Averlak gehört zum Briefwahlbezirk 2 des Amts Burg-St. Michaelisdonn. Hier erreichte die AfD 20,1 Prozent. Sie ist dort auf dem zweiten Platz - die CDU hat fast doppelt so viele Stimmen. Wie viele davon aus Averlak kamen, lässt sich nicht feststellen. Im gesamten Amt lag der Anteil der Briefwähler an allen Wählenden bei 25,4 Prozent. Ein Gesamtergebnis für Averlak gibt es also nicht.
"Das Wahlergebnis ist schon heftig"

Silke Sendel arbeitet in einer Gärtnerei, die ebenfalls an Averlaks Hauptstraße liegt. Dass so viele Bürgerinnen und Bürger in Averlak die AfD gewählt haben, hat sie überrascht: "Das ist schon heftig. Die kommen immer mehr an die Macht." In den Gesprächen im Betrieb und mit den Kunden sei das Wahlergebnis aber kein großes Thema, sagt Sendel.
Jochen Vollsen ist, wie Bürgermeister Tödheide, Mitglied der UWA und Vorsitzender des Sport- und Kulturausschuss. Auch er ist erstaunt über das Ergebnis im Ort. Als mögliche Ursachen sieht er auch den Zustand der Straßen oder den Ärztemangel auf dem Land: "Aber so zu wählen ist ja nicht die Lösung. Jetzt muss die Politik endlich liefern."
"Wenn sich nichts ändert - dann werde ich Protestwähler"

An der Einfahrt zum Haus von Rolf Gloyer weht eine kleine Deutschlandfahne. Als wir gerade davor stehen, kommt der Mann, der seit 40 Jahren in Averlak wohnt, auf seinem BMW-Motorrad nach Hause. Angesprochen aufs Wahlergebnis sagt er: "Ich glaube nicht, dass es hier groß Nazis gibt. Die meisten sind Protestwähler. Ich wusste auch nicht recht, was ich wählen soll. Ich habe mir das erst auf dem Weg zum Wahllokal überlegt."
Die AfD habe er nicht gewählt, sagt Gloyer uns. Noch nicht: "Wenn die Regierung, die sich jetzt bildet, nicht etwas verändert, dann werde ich auch Protestwähler." Gloyer stört vor allem, dass gegen schwere Straftäter, sowohl deutsche als auch ausländische, nicht konsequent vorgegangen werde.
Vermutung: Viele jüngere Menschen haben rechts gewählt
Erika Zimmermann hat in der Begegnungsstätte von Averlak Stachelbeerkuchen gebacken. Die zweite Vorsitzende des DRK-Ortsvereins war erbost, als sie vom Ergebnis der AfD hörte, berichtet sie. Zimmermann vermutet hinter den 40,7 Prozent vor allem die jüngeren Wählerinnen und Wähler. Warum, könne sie aber nicht so genau sagen.

Jan Selck ist ebenfalls Gemeindevertreter der UWA und hält viele junge Menschen für schlecht informiert: "Die meisten gucken gar keine Nachrichten. Die wissen gar nicht, was auf der Welt los ist." Selck rede oft mit seinen Mitbürgern im Dorf, und von vielen höre er das Wort 'Protest': "Die wissen wahrscheinlich gar nicht, wie gefährlich das für unsere Politik und unsere Demokratie ist. Die Demokratie ist das größte und wichtigste Gut, das wir Menschen hier haben dürfen."
Bundespolitik: Ideologie statt Pragmatismus
In der Gemeindevertretung ist die Unabhängige Wählergemeinschaft Averlak mit sechs Sitzen vertreten, drei Sitze hat die CDU. Beide Fraktionen arbeiten konstruktiv zusammen, betonen die UWA-Vertreter und der Christdemokrat Daniel Herzberger, Vorsitzender des Finanzausschusses. So eine pragmatische Zusammenarbeit wie hier auf kommunaler Ebene würden viele Menschen im Bund vermissen, glaubt er.
Gerade beim Thema Migration würde Ideologie die entscheidende Rolle spielen, sagt der CDU-Mann. Herzberger: "Die Bilder von 2015/2016, der Eindruck der unkontrollierten Einwanderung, das hat sich in den Leuten festgebrannt. Und die Regierungen seitdem hatten den Eindruck vermittelt, sie würden sich vor allem mit sich selbst beschäftigen, statt die Probleme der Menschen zu lösen."
In Averlak selbst spielt das Thema keine Rolle. Laut Bürgermeister Tödheide leben hier gar keine Geflüchteten.
Lebendige Dorfgemeinschaft - mit Möglichkeit zum Feiern

Die Bewohner im Dorf an diesem Tag wirken aufgeschlossen. Nur ein Anwohner möchte kein Interview geben: "Ich sage lieber nichts, sonst kriege ich wieder böse Mails." Alle Interview-Partner betonen, dass Averlak ein sehr lebenswertes Dorf sei. Im Gegensatz zu vielen anderen Dörfern gebe es hier auch noch mit dem "For You" einen Saal, in dem regelmäßig gefeiert wird.
Aktuell bereiten Gemeinde und Vereine das diesjährige "Oster-Warm-Up" am 29. März vor. Mit Bogenschießen, Kegeln, Fußball, Hundesportvorführungen und einem Osterbasar. Die Gründe, weshalb über 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler hier die AfD gewählt haben, sind offenbar außerhalb von Averlak zu suchen.
