Wildtiere ohne Rückzug - Mit dem Jagdaufseher durchs Revier
Straßen, Landwirtschaft und Bebauung - im Revier Egenbüttel im Kreis Pinneberg haben Wildtiere wenig Platz, um sich zurückzuziehen. Und werden besonders häufig vom Menschen gestört.
An diesem Tag beginnt er seinen abendlichen Rundgang durchs Revier auf den Rellinger Wiesen an der stark befahrenen Pinneberger Straße. Nach ein paar Schritten durchs Gras bleibt Tobias Vogt stehen und guckt durch sein Fernglas. "Da hinten am Knick flüchtet gerade ein Reh, weil es uns gehört hat. Wenn jetzt auch noch jemand auf der anderen Seite auf die Wiese läuft, haben wir schon das Problem, dass es hin- und her getrieben wird. Denn da wo die Häuser sind, kann es nicht weg." In den vergangenen Jahren kam es durch solche Situationen immer öfter zu Wildunfällen. Die Tiere haben keinen anderen Ausweg mehr gesehen als die Straße.
Hunde, die Wildtiere hetzen
Mit 450 Hektar ist das Revier von Tobias Vogt eher klein, und außerdem stark zerschnitten durch Straßen, Baumschulzäune oder Neubaugebiete. Das bedeutet: wenig Rückzugsorte für die hier lebenden Wildtiere wie Hasen, Rehe, Füchse oder Dachse. Außerdem sind hier im Hamburger Speckgürtel besonders viele Menschen unterwegs. Spaziergänger, die über die Grünfläche abkürzen und nicht auf den Wegen bleiben, Hunde, die nicht angeleint sind oder sogar Wildtiere hetzen - zu Coronazeiten kam so etwas täglich vor. "Die Situation war nicht mehr tragbar", sagt Tobias Vogt. "Deshalb haben wir vor einem Jahr entschieden, etwas dagegen zu tun."
Um aufzuklären, haben die Jäger Schilder aufgestellt, aber auch eine Informationsveranstaltung mit der Gemeinde organisiert - und Flyer, die sie dem Hundesteuer-Schreiben beilegen wollen.
Trampelpfade und kaputte Schilder
Der Jagdaufseher ist auf seinem Rundgang jetzt am Staatsfort angekommen. Ein kleines Stück Wald, in das alle Wildtiere ausweichen, wenn sie auf den offenen Flächen zu sehr gestört werden. Tobias Vogt, der hauptberuflich im Vertrieb arbeitet, weist auf einen abgebrochenen Holzpflock im Boden. "Das Schild hat gerade mal drei Tage gehalten", erzählt er. "Wildruhezone! Nicht betreten!", stand mal darauf.
Die insgesamt sieben Jäger in Rellingen hatten die Schilder gemeinsam angeschafft und aufgestellt. "Uns geht es nicht darum, den Menschen den Spaß zu nehmen, sondern den Wildtieren den Schutz zugutekommen zu lassen, den sie brauchen. Sie sind herrenlos, und es ist unsere Aufgabe als Jäger, sie zu schützen." Dass der Wald von Besuchern regelmäßig für Spaziergänge genutzt wird, zeigt ein Trampelpfad, der dadurch schon entstanden ist. Neben Hundebesitzern seien hier viele Geocacher unterwegs, erzählt Tobias Vogt, sogar nachts, mit Taschenlampen - "eine Katastrophe für die Tiere, deren einziger Ausweg auch hier die angrenzende Straße ist."
"Die meisten wissen es nicht besser"
Hinter dem kleinen und einzigen Wald im Revier kommen ihm zwei Jugendliche entgegen, die das Feld mit dem Fahrrad überqueren. "Wir kennen uns doch schon", sagt Tobias Vogt. "Das gleiche, was ich euch schon einmal erzählt habe, gilt immer noch." Zwanzig Prozent der Menschen, die hier ohne Rücksicht auf die Wildtiere unterwegs sind, seien Wiederholungstäter. Sogar körperliche Gewalt wurde Tobias Vogt schon angedroht. "Aber die meisten wissen es einfach nicht besser", sagt er. Vielen sei nicht einmal bewusst, dass hier Tiere leben.
Alle Jäger im Kreis Pinneberg kennen das Problem
An diesem Tag tauscht sich Tobias Vogt an einer Stelle auf seinem Rundgang mit zwei Jägern aus den Nachbarrevieren aus. Denn die haben die gleichen Probleme. "Der Kreis Pinneberg ist flächenmäßig der kleinste und am dichtesten besiedelt", sagt Thorsten Arlt, Hegeringleiter aus Bönningstedt - er kümmert sich unter anderem um Wildzählungen, die Abstimmung von Abschussplänen und gemeinsame Hegemaßnahmen. "Wir sind hier direkt vor den Toren Hamburgs, und natürlich kommen hier auch Städter raus, die sich in der Natur nicht so auskennen."
Jäger Christian Schadendorf fällt auf, dass hier im Wald kaum kleine Bäume nachwachsen. "Das zeigt, dass die Wildtiere sich hier extrem viel aufhalten, weil sie von den offenen Flächen verdrängt werden", sagt er, während er den anderen die Fraßschäden zeigt. Auf einer Grünfläche beobachten sie mit dem Fernglas einen Feldhasen. Dass die Tiere sich überhaupt wieder raus trauen, sei schon eine Verbesserung, freut sich Tobias Vogt. Das zeigt, dass ihre Maßnahmen Wirkung zeigen. Deshalb wollen sie weitermachen - und immer wieder aufklären. Denn den engen Lebensraum der Wildtiere vergrößern, das können sie nicht.