Hilfe für tierische Waisenkinder - Hochsaison in der Wildtierstation

Stand: 18.05.2023 17:38 Uhr

Rund 1.000 Jungtiere päppeln sie in der Wildtierstation in der Nähe von Elmshorn jedes Jahr auf - und es werden immer mehr.

von Lena Haamann

Als sie an diesem Morgen die Tür zur Futterküche öffnet, kommt ihr schon das kleine Rehkitz entgegen, das sie vor zwei Wochen hier in der Wildtierstation aufgenommen haben. "Seine Mutter ist von einem Auto überfahren worden", erzählt Katharina Erdmann, die die Station in Klein Offenseth-Sparrieshoop (Kreis Pinneberg) vor elf Jahren gemeinsam mit ihrem Mann gegründet hat.

"Es kam zu einer Notgeburt, bei der die Mutter leider nicht überlebt hat." Währenddessen ist eine der insgesamt sechs Mitarbeiterinnen gerade dabei, ihm die Milchflasche zuzubereiten. "Zur Mähzeit werden wahrscheinlich noch mehr bei uns landen", vermutet Katharina Erdmann. "Obwohl wir es natürlich nicht hoffen." Fast alle Wildtiere sind wegen menschengemachter Probleme hier, wie Stacheldraht, herumliegendem Müll oder frei herumlaufenden Haustieren.

Das Wetter wird zum Problem

Singvogelbabies, junge Füchse, ein vier Wochen alter Waschbär - bis zu 200 Jungtiere betreuen sie hier im Frühjahr parallel. Auf 2,5 Hektar. Tag und Nacht. Dabei beobachtet Katharina Erdmann, dass die Jungtiersaison sich verlängert hat: "Früher gab es im Mai und Juni einen klaren Peak. Jetzt fängt es viel früher an und zieht sich bis in den Sommer hinein. Da habe ich den Mitarbeitern aber schon versprochen, dass sie Urlaub machen dürfen."

Nicht nur für die Personalplanung kann das veränderte Wetter zum Problem werden, sondern auch für die Tiere. "Jetzt ist es ja oft noch sehr kalt gewesen. In Kombination mit Regen können da zum Beispiel junge Störche ganz schnell auskühlen", so Erdmann.

30 junge Spechte in einer Woche

Auch andere Wildtierstationen, wie die Wildtierhilfe Nordfriesland oder das Tierheim in Lübeck, beobachten diesen Trend. In der Wildtierstation Schellhorn bei Kiel gab es schon Eichhörnchen-Nachwuchs, als noch Schnee lag. Auch kleine Marder, Füchse und ein Mufflon hat die Station schon früh im Jahr bei sich aufgenommen. Und es werden von Jahr zu Jahr mehr Jungtiere, die Hilfe brauchen.

"Früher sind vielleicht ein, zwei junge Spechte in der Saison bei uns abgegeben worden", erzählt Leiter Milan Fahrenkrug. "Jetzt bekommen wir teilweise 30 in einer Woche - wahrscheinlich, weil sie in der Natur nicht mehr ausreichend Insekten als Nahrung finden." Auch Katharina Erdmann bekommt vermehrt Anrufe. "Es entstehen immer mehr Neubaugebiete, Straßen und Windparks", vermutet sie als Grund dafür, während sie den noch nackten, jungen Singvogelbabies im Intensivpflegeraum mit einer Pinzette Insekten einflößt. "Und: Immer mehr Menschen haben sich zu Coronazeiten Haustiere angeschafft."

"Die meisten Vögel adoptieren sich gegenseitig"

Jetzt sind die schon gefiederten jungen Tauben und die kleine Amsel an der Reihe. In diesem Alter, als sogenannte "Ästlinge", landen viele Vögel hier. Denn dann können sie zwar schon selber das Nest verlassen, aber noch nicht richtig fliegen - und werden von Spaziergängern oft als vermeintlich hilflos eingestuft. In den meisten Fällen lässt die Mutter ihre Küken aber nur alleine, damit sie selbständig werden, und kehrt irgendwann wieder zurück.

Katharina Erdmann empfiehlt deshalb, nicht gleich einzugreifen, sondern erst einmal zu beobachten. Für den Fall, dass ein Küken wirklich verwaist sein sollte, rät sie, es in der Hand warmzuhalten und die Gegend nach einem Vogelnest abzusuchen: "Es muss nicht einmal die gleiche Vogelart sein", erklärt sie. "Die meisten adoptieren sich gegenseitig." Dann setzt sie ihre Runde im Pool-Raum fort, wo sie den vielen Enten- und Gänseküken ein Bad einlässt.

Nicht alle tierischen Gäste dürfen ausgewildert werden

In der Futterküche bekommt jetzt der vier Wochen alte Waschbär seine Flasche. Danach darf er noch bei Mitarbeiterin Sina Schröder auf dem Arm kuscheln. Waschbären sind eine invasive Art und dürfen deshalb nicht ausgewildert werden. "Wenn sie so jung herkommen, lassen sie sich noch gut an Zoos oder Wildparks weitervermitteln", erzählt sie. "In diesem Fall ist es ein Vorteil, wenn sie an den Menschen gewöhnt sind."

Ungefähr die Hälfte der Jungtiere kommt durch. Mitzuerleben, wie Tiere es nicht schaffen, ist für Katharina Erdmann auch nach so vielen Jahren noch belastend. "Man hat seine Mechanismen gefunden, damit umzugehen", sagt sie. "Aber es gibt Tage, da erwischt es mich kalt. Vor allem bei Pfleglingen, die vorher stabil waren." Tiere, die keiner invasiven Art angehören, können die Mitarbeiter des Wildtier- und Artenschutzzentrums wieder auswildern, wenn sie fit genug sind.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 17.05.2023 | 06:00 Uhr

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