Wie eine Übersetzungs-App aus Flensburg im Arbeitsalltag hilft
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, werben viele Unternehmen um Mitarbeitende aus dem Ausland. Gegen Sprachbarrieren hat die Firma Activ Marine aus Flensburg eine Lösung programmiert.
Der Monteur Dariusz Imianowski betritt die geräumige Lager- und Werkshalle mit den hohen Decken. Eigentlich müsste er hier nur Material für die aktuelle Baustelle einladen und dann weiterfahren. Doch so einfach ist es nicht: Dariuz Imianowski spricht kaum Deutsch, kann sich also nur schwer mit den Kollegen verständigen. Trotzdem ist er in seiner Firma voll im Arbeitsprozess integriert - dank einer speziellen Software. Nach ein paar Klicks auf einem großen Monitor in der Lagerhalle bekommt Dariusz Immianowski seine Arbeitsanweisung für den aktuellen Tag in seiner Muttersprache Polnisch angezeigt. "Ich bekomme Informationen über die Baustelle, an welchem Platz das zugehörige Material liegt und zu welcher Adresse ich hinfahren soll", erzählt der 47-Jährige.
Übersetzung soll Missverständnissen vorbeugen
Dariusz Imianowski arbeitet seit Anfang Juni für Activ Marine in Flensburg. Das Unternehmen ist in der maritimen Industrie tätig, installiert aber auch an Land unter anderem Schall-, Brandschutz- oder Sonderkonstruktionen. "Wir haben insgesamt elf verschiedene Nationen bei uns im Unternehmen", sagt Geschäftsführer Martin Enkelmann. Eine Übersetzungs-App sei notwendig, um Kommunikationsverluste zu vermeiden. "Um sicherzustellen, dass eine Bohrung oben links und nicht oben rechts angebracht wird", erklärt Enkelmann.
Hohe Kosten für Softwareentwicklung und Sicherheit
Ihre Software haben sie selbst programmiert - auch mit Hilfe von Studierenden der Hochschule Flensburg. "Ich habe im Rahmen meiner Bachelor-Arbeit geschaut, ob es am Markt etwas gibt, was wir 1:1 einsetzen können. Das ist aber nicht der Fall", erzählt Wirtschaftsinformatiker Lennart Franck. Basis für die Übersetzungen ist der Google-Translator. In der App ist aber auch die gesamte Arbeitsorganisation der Firma gebündelt, etwa die Arbeitszeiterfassung, der Status der Baustellen und vieles mehr. Die Schnittstellen sind so programmiert, dass auch für andere Firmen die Software nutzen könnten.
Rund 1.000 Stunden Arbeit und 500.000 Euro hat Activ Marine in die Entwicklung des Softwarepakets gesteckt. "Und um uns vor Hackerangriffen zu schützen, investieren wir noch mal zwischen 30.000 bis 50.000 Euro pro Jahr", sagt Enkelmann. Das lohne sich erst ab einer Unternehmensgröße von etwa 50 Mitarbeitenden, meint der Geschäftsführer. Bei Activ Marine arbeiten derzeit 70 Menschen und die Firma will weiter wachsen. Dass die Mitarbeitenden trotz Sprachbarriere sofort im Job losstarten könnten, verschafft dem Unternehmen dabei nach eigenen Angaben einen Vorteil im Rennen um die begehrten Fachkräfte.
Experte: App kann helfen, funktioniert aber nicht in allen Bereichen
Die Software könne auch für andere Unternehmen eine Lösung sein, sagt Prof. Andreas Rusnjak vom Fachbereich Digitale Wirtschaft und Strategisches Innovationsmanagement an der Hochschule Flensburg. Etwa in Unternehmen, in denen sich Aufgaben immer wiederholen. "Es müssen dann aber alle Kollegen, die zusammenarbeiten, so eine App aktiv nutzen. Sie muss in die Routine integriert, der Nutzen klar erkennbar sein."
Der Fachkräftemangel sei ein weites Feld - entweder man bekomme kein Personal oder man müsse sich Sorgen um deren Abwanderung machen. "Wenn die App dabei hilft, dass sich Mitarbeiter wohlfühlen, das Unternehmen flankierend noch Sprachkurse, interkulturelle Kurse anbietet, dann hat so eine App auch Sinn", meint Rusnjak. Nicht funktionieren dürfte sie seiner Ansicht nach allerdings in Bereichen mit einer hohen Dynamik, einer Kita beispielsweise, sich ständig ändernden Aufgaben oder bei körpernahen Dienstleistungen, etwa bei Friseuren oder in der Pflege.
Interesse auch von anderen Firmen
Herumgesprochen hat sich das mit der App bereits. Es haben sich inzwischen andere Unternehmen bei Activ Marine gemeldet, die Interesse daran haben, das Softwarepaket für ihren Betrieb zu übernehmen. Inzwischen hat die App auch eine Sprachfunktion: Wenn auf der Baustelle eine Sicherheitseinweisung nötig ist, kann sich Dariusz Imianowski diese in seiner Muttersprache ansagen lassen. Wenn er Fragen hat, stellt er sie auf Polnisch in einem Gruppenchat und erhält die Antwort in seiner Muttersprache. "Für mich ist das Wichtigste, meine Fähigkeiten und Kenntnisse zu erweitern. Und Deutsch zu lernen. Dabei hilft mir die App", sagt Dariusz Imianowski - und lernt parallel auch über die angebotenen Sprachkurse seiner Firma.