Immer weniger los in Innenstädten von SH - Ausnahme: Eutin
Aufwind für Deutschlands Innenstädte: Laut Datenportal hystreet.com ist die sogenannte Passantenfrequenz bundesweit im Schnitt um 1,5 Prozent gestiegen. Schleswig-Holsteins Innenstädte können da nicht mithalten. Mit einer Ausnahme.
In rund 110 Städten in Deutschland an mehr als 300 Standorten hängen sie: Laserscanner, die das gesamte Jahr über jeden Passanten automatisch zählen. Anonym, versteht sich. Lediglich Rückschlüsse darauf, ob es sich um einen Erwachsenen oder ein Kind handelt, lassen die Daten zu. Auch in Schleswig-Holstein nutzen mehrere Städte solche Scanner. Die Tourismus- und Marketingverantwortlichen bekommen mit den Daten einen Überblick über die Attraktivität ihrer Innenstädte und können Schlüsse daraus ziehen. Und das scheint auch notwendig zu sein.
Handelsverband: "Um viele Innenstädte steht es schlecht"
"Die Innenstädte in Schleswig-Holstein haben mit rückläufigen Kundenfrequenzen zu kämpfen", berichtet Mareike Petersen vom Handelsverband Nord. Die Gründe dafür seien vielfältig. Die Menschen würden heute ein "Einkaufserlebnis" verlangen, also nicht nur shoppen gehen wollen, erklärt Petersen. Als Beispiel nennt sie parallel laufende Veranstaltungen. Allerdings sei die Konsumentenstimmung aktuell sehr schlecht, die Kunden hielten ihr Geld aus vielerlei Gründen zusammen - und das wirke sich auch auf die Belebung der Innenstädte aus, so Petersen. Alle Seiten müssten nun gemeinsam darum kämpfen, die Innenstädte attraktiver zu machen.
Weniger Passanten in Schleswig-Holsteins Innenstädten
In Schleswig-Holstein haben sechs Städte Laserscanner zur Messung der Passantenfrequenz. Fünf davon registrierten im vergangenen Jahr allerdings schwächere Besucherströme. In Lübeck, Kiel, Flensburg, Rendsburg und Schleswig sind die Zahlen um bis zu 3,5 Prozent zurückgegangen. Einige Messstationen verzeichneten sogar ein noch kräftigeres Minus.
In Schleswig sieht Stadtmarketing-Chef Helge Schütze einen engen Zusammenhang zwischen dem Tourismusaufkommen und der Passantenfrequenz. In der Stadt sind die Zahlen um 3,3 Prozent gesunken. "Vor allem im Juni und August 2024 hatten wir weniger Touristen bei uns, das macht sich auch in der Passantenfrequenz bemerkbar", so Schütze. Die Zahlen seien allerdings generell ein klares Indiz dafür, dass Schleswig etwas tun müsse. In diesem Jahr will die Stadt deshalb unter anderem einen Spielgeräte-Parcours für Kinder in der Innenstadt bauen. Ab Ende des Jahres 2025 soll die gesamte Innenstadt saniert werden. "Das wird Schleswig in ein neues Licht rücken und die Attraktivität erhöhen", ist sich der Stadtmarketing-Chef sicher.
Rendsburg: Gleichbleibender Umsatz trotz weniger Passanten
Auch in Rendsburg ist die Passantenfrequenz laut "hystreet.com" um rund 3,5 Prozent zurückgegangen. "Bemerkt haben wir das nicht wirklich", berichtet allerdings Tourismuschefin Anke Samson. Ein rückläufiger Umsatz sei beim größten Einzelhandelsgeschäft in der Hohen Straße allerdings nicht verzeichnet worden. Für den Rückgang der Passantenfrequenz sieht Samson mehrere Gründe. So sei zum Beispiel der Altstädter Markt - das gefühlte Herz der Altstadt - sowie angrenzende Straßen anderthalb Jahre lang grundlegend saniert worden. In diesem zentralen Bereich habe deshalb ein attraktiver Durchgang für Fußgänger gefehlt, so Samson. Rendsburg habe allerdings zahlreiche Maßnahmen unternommen, um die Innenstadt stärker zu beleben.
Laut Samson hat Rendsburg über zwei Jahre einen Fördertopf des Landes genutzt, um 65 Projekte umzusetzen - etwa kulturelle Events, Spielgeräte, Bouleplatz, Wohnmobilstellplatz oder Weihnachtsbeleuchtung in den Nebenanlagen. Zum 825. Stadtgeburtstag wurden laut Samson zudem Events etabliert, die auch künftig fortgeführt werden sollen - zum Beispiel der Kinosommer im Park, eine Lange Nacht der Museen oder ein Kneipenkulturfest.
Gegen den Trend: Eutin lockt mehr Gäste in die Innenstadt
Ostholsteins Kreisstadt Eutin dagegen kann sich nicht über einen Passantenrückgang beschweren - im Gegenteil. Ein Plus von rund sieben Prozent verzeichneten die drei Scanner rund um den Marktplatz. Tourismuschef Michael Keller sieht dafür mehrere Gründe. "Wir haben ein Projektmanagement, das Instrumente für die Innenstadt entwickelt hat - die Innenstadt als Labor, sozusagen", berichtet Keller. Die Stadt habe neue Veranstaltungsformate etabliert, wie ein Streetfood-Festival oder ein Weinfest.
Dekoration, Begrünung oder auch die Lichterstadt Eutin hätten zusätzlich für mehr Passantenfrequenz gesorgt. Und: Bürgerinnen und Bürger sowie der Einzelhandel konnten in einem Mitmachprojekt laut Keller Ideen einreichen, die dann nach einer Online-Abstimmung in der Innenstadt umgesetzt wurden. Ende des Jahres 2025 will Eutin nun alle Maßnahmen in ein "Handbuch für die Innenstadt" aufnehmen, um Projekte für die Zukunft daraus abzuleiten. Dinge, die gut funktionieren, sollen die Innenstadt weiter nach vorn bringen.
Profitiert hat die Eutiner Innenstadt nach Angaben Kellers aber auch von einer neuen "Hardware". Sämtliche Straßenbelege, die Wege seien in den vergangenen Jahren flottgemacht worden. Nun gehe es um die "Software", also darum, wie diese neu gestaltete Innenstadt vernünftig bespielt werden kann. Und schließlich hat sich das Stadtmarketing von dem angestaubten Marketing-Attribut "Rosenstadt Eutin" verabschiedet. Inzwischen werde die Stadt als "historisch lebendig" vermarktet, auch in Kooperation mit den Orten an der Ostseeküste, um mehr Menschen ins Binnenland zu locken. Dieser Mix aus vielen Maßnahmen habe dafür gesorgt, dass Eutins Innenstadt wieder lebendiger werde, freut sich der Tourismuschef.