Wenige Frauen auf dem Chefsessel in SH: Das sind die Probleme
Der Berufswunsch "Unternehmerin" ist für viele Frauen in Schleswig-Holstein nicht selbstverständlich - nach Angaben der Wirtschaftsförderung betrifft das besonders ländliche Regionen. Nun soll gegengesteuert werden.
Anna Lena Blanke verbringt einen Großteil ihrer Arbeitszeit im Auto. Die junge Mutter arbeitet als Geschäftsführerin in einem Unternehmen in Breitenfelde (Kreis Herzogtum Lauenburg) und gehört damit zu einer Minderheit. Laut KfW-Mittelstandsatlas werden nur 14 Prozent der Unternehmen im Land von Frauen geführt. Nur in Hamburg und Rheinland-Pfalz sind es noch weniger: Schleswig-Holstein liegt somit deutschlandweit auf den hinteren Rängen.
Dass das auch mit dem ländlichen Raum im nördlichsten Bundesland zusammenhängen könnte, zeigt sich bei Anna Lena Blanke. Bis zu drei Stunden ist sie jeden Tag auf der Straße unterwegs. Neben dem längeren Weg zur Arbeit sind auch die Strecken zu Terminen außer Haus weiter, meint sie. Das koste Zeit, die von Arbeit und Kinderbetreuung abgehe.
Fahrten zu Terminen auf dem Land sind lang
Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit, Ehrenamt: Frauen wenden pro Tag im Durchschnitt gut 44 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer. Das geht aus einer Statistik des Familienministeriums hervor. "Mein Mann und ich versuchen, uns je zur Hälfte um die Kinder zu kümmern. Das klappt aber oft nicht. Wenn meine Kinder krank sind, dann wollen sie einfach Mama", berichtet die 37-Jährige. Ihre Töchter sind ein Jahr und vier Jahre alt. "Ich muss mir auch genau überlegen, für welche Termine außerhalb der Firma ich mich ins Auto setze und die Anfahrt in Kauf nehme". Das für Unternehmer so wichtige Netzwerken komme da oft zu kurz.
Fast die Hälfte der Frauen führen ihr Unternehmen nebenerwerblich in Schleswig-Holstein. Besonders auf dem Land ist es nach Angaben der Wirtschaftsförderung Herzogtum Lauenburg für Frauen schwierig, ein Unternehmen zu führen. Aber es gibt auch Zahlen, die auf eine Veränderung hindeuten: Immerhin ein Drittel aller neu gegründeten Unternehmen in Schleswig-Holstein werden laut KfW von Frauen geleitet. Vor allem in kleineren Unternehmen in Handel, Gastgewerbe und Dienstleistung liegt der Frauenanteil bei 35 bis 40 Prozent. In Bau, Gewerbe und Industrie haben die Chefinnen dagegen Seltenheitswert.
Team respektiert die Chefin
Anna Lena Blanke führt ein Unternehmen, das Klärwerkstechnik für Firmen weltweit zuliefert. Sie hat 15 Mitarbeitende. "Mein Team respektiert mich als Chefin. Das war von Anfang an so", erzählt die Geschäftsführerin. Bei Kunden sei das aber oft schwierig. "Ich bin nicht so groß, ich bin jung, ich bin weiblich. Da habe ich schon manchmal Probleme, von den Kunden ernst genommen zu werden." Das sei hierzulande so, aber besonders in anderen Kulturen. "Manchmal nehme ich mir einen Mann mit, damit ich den Gepflogenheiten anderer Länder gerecht werde".
Land und Wirtschaftsförderung wollen nachjustieren
Das Wirtschaftsministerium kündigt an gegenzusteuern. Und es verweist auf zahlreiche schon geschaffene Beratungsangebote. Auch die Wirtschaftsförderung im Kreis Herzogtum Lauenburg will nachbessern und mehr Seminare speziell für Frauen anbieten. Dabei gehe es auch um das richtige Mindset, erklärt die Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Michaela Bierschwall. "Wie gehe ich mit stressigen Situationen um und warum funktioniert Netzwerken bei Männern so erfolgreich und bei Frauen nicht? Das wollen wir jetzt stärker in den Fokus rücken und zeigen: Frauen können genauso gut netzwerken."
Anna Lena Blanke ist seit fünf Jahren Geschäftsführerin im Unternehmen TIA Technologien zur Industrie-Abwasser-Behandlung. Frauen im Chefsessel hätten ihre Vorzüge, meint sie. "Ich versuche, anders ans Ziel zu kommen, indem ich höre, was meine Mitarbeiter für Bedürfnisse haben. Ich glaube, das ist auch das, was viele mögen und viele Mitarbeiter auch gerne hätten." Von einer besseren Arbeitsatmosphäre würden am Ende auch die Unternehmen selbst profitieren, meint Anna Lena Blanke. Zum Beispiel mit höherem Umsatz.
Aber auch Anna Lena Blanke will die Beratungsangebote der Wirtschaftsförderung Herzogtum Lauenburg nutzen. "Ist ein Netzwerk erstmal aufgebaut, kann ich davon profitieren. Die Pflege des Netzwerkes kostet dann weniger Zeit als der Aufbau."