Warntag: Viele Sirenen und Handys bleiben heute stumm
Heute ist bundesweiter Warntag. Beim letzten Mal heulten viele Sirenen nicht los. Das Land setzt nun auf verschiedene Warnmittel. Die Innenministerin ruft alle Menschen in Schleswig-Holstein zum Mitmachen auf.
Vom ersten Warntag, dem ersten bundesweiten Probealarm vor zwei Jahren, haben viele nichts mitbekommen. Sirenen fehlten, blieben stumm, heulten verspätet. Warn-Apps meldeten nichts wegen überlasteter Server. Das soll diesmal beim zweiten Warntag am 8. Dezember anders werden. Obwohl es auch dann nicht so sein wird, dass jeder überall um 11 Uhr eine Sirene hören wird. Der Plan ist ein modulares Warnsystem aus verschiedenen Elementen wie Sirenen, dem erstmals getesteten Cell-Broadcasting aufs Handy, Warn-Apps und Durchsagen im Rundfunk.
Warntag wichtiger durch Krieg und Naturkatastrophen
"Seit dem letzten Warntag vor zwei Jahren wissen wir, dass sowohl Bedrohungen durch Naturkatastrophen zunehmen, als auch durch den Krieg, den wir jetzt leider in Europa zu verzeichnen haben", sagt Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Süttelin-Waack (CDU). Deshalb habe der Warntag eine andere Bedeutung als vor zwei Jahren. Auch dieser Warntag soll zeigen, wie gut das Warnnetz funktioniert und wo Schwachstellen sind. "Das schaffen wir am besten, wenn sich möglichst viele Menschen beteiligen und den Behörden Rückmeldung geben."
Cell-Broadcasting nur auf Handys auf neustem Stand
Rückmeldung geben geht zum Beispiel besonders einfach beim sogenannten Cell-Broadcasting, das am 8. Dezember zum ersten Mal getestet werden soll: Dabei bekommen alle Handys eine Warnung, die in einer bestimmten Funkzelle angemeldet sind, in der gerade Alarm ausgelöst wird. Dabei kann eine Warnung regional begrenzt werden oder über mehrere Funkzellen eine größere Region erreichen. "Oder wie im Fall des bundesweiten Warntags kann man natürlich bundesweit alle Funkzellen direkt auslösen," erklärt Ralf Kirchhoff, Leiter des Referats Feuerwehrwesen und Katastrophenschutz im Innenministerium. Das System soll ab dem 23. Februar 2023 zum Einsatz kommen.
Hälfte aller Smartphone-Besitzer werden wohl alarmiert
Doch um eine solche Warnung zu erhalten, muss ein Smartphone auf dem neusten Stand sein. "Unsere Fachleute rechnen damit, dass im Rahmen dieser Tests etwa die Hälfte aller Handys auslösen wird", so Innenministerin Sütterlin-Waack. Voraussetzung dafür ist, dass alle Updates gemacht würden. "Und das ist ja etwas, was man immer mal schnell vergisst." Sind Handys auf dem neusten Stand, müsse nichts extra freigeschaltet werden, da die Testwarnung als "extreme Gefahr" ausgespielt wird. "Das heißt, die läuft automatisch auf alle Handys, die das neuste Update aufgespielt haben und die technischen Voraussetzungen erfüllen", erklärt die Ministerin.
Um Rückmeldung geben zu können, ob eine Cell-Broadcast-Meldung eingegangen ist oder nicht, schaltet das Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz am 8. Dezember ab 11:00 Uhr eine Website frei: www.warntag-umfrage.de - und in der Warnapp NINA kann dann ebenfalls Rückmeldung gegeben werden.
Die Hälfte der Sirenen nach dem Kalten Krieg abgebaut
Genauso wie die Fachleute bei den Handys davon ausgehen, dass etwa die Hälfte stumm bleiben wird, wird es auch wieder bei den Sirenen sein: Beim Wiederaufbau eines flächendeckenden Sirenennetzes steht laut Sütterlin-Waack auch Schleswig-Holstein noch ganz am Anfang: "Im Moment gehen wir davon aus, dass wir 5.000 Sirenen brauchen. So viele waren auch ursprünglich mal da." Übriggeblieben ist etwas mehr als die Hälfte. Alle anderen wurden nach dem Kalten Krieg abgebaut. "Das war vielleicht eine Hoffnung, dass man nach dem Kalten Krieg gesagt hat: Möglicherweise brauchen wir diese Sirenen nicht mehr. Und jetzt merken wir, dass wir sie doch brauchen," sagt Sütterlin-Waack.
Großteil der Sirenen muss erneuert werden
Und von den 2.600 Sirenen, die es im Land noch gibt, sind bei weitem nicht alle einsatzfähig: "Das sind alles kommunale Sirenen, die ausschließlich von den Kommunen zur Feuerwehralarmierung eingesetzt werden. Die sind gar nicht zentral anzusteuern, die müssen erstmal ertüchtigt werden", erklärt Ralf Kirchhoff vom Katastrophenschutz. Ein Teil dieser Sirenen könne beibehalten und aufgerüstet werden, ein Großteil müsse aber komplett erneuert werden. "Moderne Sirenen sind auch notstromversorgt und können zentral angesteuert werden." Und das kostet viel Geld.
55 Millionen Euro für ein funktionierendes Sirenennetz
Innenministerin Sütterlin-Waack geht davon aus, dass es 55 Millionen Euro kosten wird, bis das Sirenennetz auf Stand ist. Dabei ist das Sirenennetz eine Aufgabe, die sowohl den Bund als auch die Länder betrifft: Bevölkerungsschutz ist Bundessache, Katastrophenschutz liegt beim Land und den Kommunen. "Aber wir brauchen ja nicht zwei Sirenen in jedem Dorf, die soll ja vor beiden Unglücksfällen warnen. Insofern müssen das eigentlich beide zusammen wuppen", sagt Sütterlin-Waack. Ein Förderprogramm des Bundes mit einem Volumen von 2,9 Millionen Euro für 200 Standorte sei sehr schnell ausgeschöpft gewesen. Die CDU-Ministerin will gemeinsam mit allen anderen Bundesländern bei der Innenministerinnen- und Innenministerkonferenz beim Bund die Forderung stellen, mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Für die kommenden beiden Jahre hat das Land Schleswig-Holstein für den Sirenennetzausbau 23 Millionen Euro bereitgestellt.
Sütterlin-Waack: "Jeder muss auch für sich selbst sorgen"
Nicht nur bei Handy-Updates für das Cell-Broadcasting müsse laut Sütterlin-Waack jeder auch ein Stück weit selbst handeln: Es sei auch nicht verkehrt, einen Grundstock an Vorräten anzulegen: "Das wurde bis vor kurzem immer noch so ein bisschen ins Lächerliche gezogen, das ist es aber überhaupt nicht. Wir müssen sehen, dass wir notfalls ein paar Tage überleben können." Listen mit Vorräten können beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe eingesehen werden.