Tausende Teilnehmende bei Warnstreik im öffentlichen Dienst in SH
Tausende Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Schleswig-Holstein haben am Freitag die Arbeit niedergelegt. Die Gewerkschaft will den Druck vor der nächsten Verhandlungsrunde im Tarifstreit erhöhen.
Ver.di sprach am Freitag von etwa 4.000 Streikenden. Dies sei die bislang höchste Mobilisierung in dieser Tarifrunde, so Sprecher Frank Schischefsky. Seit Wochen sind die Forderungen der Gewerkschaft bekannt: Sie verlangt für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst eine Gehaltserhöhung um 10,5 Prozent, mindestens jedoch um 500 Euro im Monat. "Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes stehen hinter ihrer Forderung und lassen sich nicht länger von der allgemeinen Einkommensentwicklung abkoppeln", sagte Schischefsky: "Die Arbeitgeber sind gut beraten, die Signale der Beschäftigten ernst zu nehmen."
Im Norden vor allem Stadtwerke und Kitas betroffen
"Wir legen die Arbeit nieder, weil wir voll dahinter stehen mit diesen Forderungen von 10,5 Prozent mehr Gehalt", bekräftigte Petra Berger von der Kita Butterberg aus Rendsburg. Viele weitere kommunale Kindertagesstätten sollen sich am Streik beteiligt haben. Unklar war im Vorfeld jedoch, welche Kitas am Freitag konkret geschlossen blieben. Ver.di-Gewerkschaftssekretär Matthias Pietsch sagte: "Wir hoffen auf das Verständnis der Eltern."
Laut Gewerkschaft GEW blieben vor allem in Kiel, Heide, Rendsburg, Flensburg und Lübeck viele Kitas geschlossen oder arbeiteten nur sehr eingeschränkt. Die Landesvorsitzende Astrid Henke sagte bei einer Kundgebung in Rendsburg, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und die Gewerkschaften seien keine Bittsteller, sondern wüssten ihre Interessen durchzusetzen. "Tag für Tag frisst die Inflation größere Löcher in die Portemonnaies der Beschäftigten", so Henke. Das dürfe nicht so weitergehen.
In Flensburg waren viele Teilbereiche aller Kommunen zum Streik aufgerufen - darunter auch die Stadtwerke und die Bundesdienststellen aus dem Kreis Schleswig-Flensburg. Am Freitagmorgen wurde eine zentrale Kundgebung auf der Exe veranstaltet. Von dort aus zogen die Demonstrierenden in Richtung des Flensburger Südermarkts.
Brunsbüttel: Schleuse für Schiffe verschlossen
Aufgrund des Streiks waren die Schleusentore des Nord-Ostsee-Kanals (NOK) in Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) seit Freitagmorgen geschlossen. Nur Schiffe der Polizei und Feuerwehr durften die Schleuse passieren. Andere Schiffe sollten noch bis 22 Uhr vor der Schleuse warten oder den Umweg über Skagen nehmen.
Zahlreiche Mitarbeitende der Schiffslenkung und des Schleusenpersonals seien dem Streikaufruf gefolgt, so eine ver.di-Sprecherin. Beschäftigte trafen sich am Freitagmorgen zu einer Kundgebung am Elbeforum und zogen anschließend zum Streiklokal bei den Schleusen.
UV Nord: Streiks schwächen Stellung des NOK weiter
Die Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein (UV Nord) reagierte mit Empörung auf den Streik in Brunsbüttel: "Wer in diesen Zeiten den Hamburger Hafen und den Nord-Ostsee-Kanal durch überdimensionale Streiks lahmlegt, kämpft nicht für Arbeitsplätze, sondern gefährdet diese nachhaltig", sagte Geschäftsführer Sebastian Schulze. Marode Schleusen, abrutschende Böschungen und die wochenlange Pipeline-Havarie hätten bereits für abwandernden Verkehr gesorgt, so Schulze weiter. Tagelange Streiks würden die Stellung des Kanals zusätzlich schwächen.
Auch Jan Jacobsen vom Kommunalen Arbeitsgeberverband Schleswig-Holstein sieht den erneuten Streik der Gewerkschaften kritisch: "Die Bevölkerung wird hier in Geiselhaft genommen. Das zu einem Zeitpunkt, in dem wir noch in Verhandlungen stecken beziehungsweise am Montag die Verhandlungen wieder aufnehmen."
Schwerpunkt in Kiel: Viele Bereiche bestreikt
In der Landeshauptstadt streikten am Freitag Beschäftigte der Stadtwerke, des Städtischen Krankenhauses und erneut auch die Sozial- und Erziehungsdienste der Stadt. Auch das Schwimmbad an der Hörn war geschlossen. Darüber hinaus streikten die Müllverbrennung und die Abfallwirtschaft. Und auch in Kiel wurden die Schleusen des NOK nur für Polizei oder Feuerwehreinsätze geöffnet. Die Busse der Kieler Verkehrsgesellschaft (KVG) fuhren hingegen.
Zwei Demonstrationen wurden in der Landeshauptstadt veranstaltet: Die erste startete vor den Stadtwerken, ein weiterer Demonstrationszug von der Legienstraße aus. Die gemeinsame Abschlusskundgebung fand auf dem Rathausplatz statt. Laura Pooth, Vorsitzende des DGB-Bezirkes Nord, sagte am Rande dieser Kundgebung: "Jetzt ist die Zeit der Gewerkschaften. Denn es ist ganz deutlich: Alles schreit nach Fachkräften, aber sie kommen nicht, wenn die Arbeit nicht attraktiv genug ist." Insgesamt hätten sich an den Protestmärschen in Kiel 2.500 Menschen beteiligt, so die Polizei.
Lübeck: Stadtwerke, Senioreneinrichtungen und Theater betroffen
In Lübeck sowie den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Ostholstein wurde ebenfalls gestreikt. Betroffen waren in der Hansestadt die Stadtverwaltung, die Entsorgungsbetriebe, die Stadtwerke, die städtischen Senioreneinrichtungen und das Theater. Eine weitere Streikaktion startete in der Nähe des Holstentors. Von dort zog ein Demonstrationszug durch die Innenstadt - auf dem Markt fand eine Zwischenkundgebung statt. Anschließend bewegte sich der Zug in Richtung Gewerkschaftshaus.
Süden des Landes: Verwaltungen und Sparkassen bleiben unbesetzt
In den Kreisen Stormarn und Ostholstein waren viele Kreisverwaltungen zum Warnstreik aufgerufen. Außerdem sollten die Mitarbeitenden aller Niederlassungen und Filialen der Sparkassen im Tarifvertrag öffentlicher Dienst sowie die Angestellten in den Agenturen für Arbeit und Jobcenter ihre Arbeit niederlegen.
Bundesweiter Großstreik im Verkehr am Montag angekündigt
Am Montag werden voraussichtlich große Teile des Verkehrs in ganz Deutschland stillstehen - betroffen sind unter anderem der Regional- und Fernverkehr der Bahn, aber auch der NOK und die kommunalen Häfen. Ver.di und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) rufen zu einem bundesweiten Warnstreik auf. Die Bahn kritisiert den Warnstreik als "grundlos und unnötig". Auch am Hamburger Flughafen wird gestreikt: Der Airport rechnet mit "massiven Einschränkungen für Zehntausende Reisende". Zumindest die Busse in Schleswig-Holstein sollen aber regulär fahren. Da allerdings auch die Tunnel an den Autobahnen bestreikt werden sollen, müssen sich Autofahrende auf Probleme einstellen - beispielsweise am Elbtunnel.