Salzwassereinleitung in die Stör: Widerstand gegen Holcim-Pläne
Das Zementwerk Holcim aus Lägerdorf will salzhaltiges Grubenwasser über eine neue Pipeline in die Stör einleiten. Der Kreis Steinburg hat das Vorhaben genehmigt - doch eine Initiative hat nun dagegen geklagt. Sie geht von 8.000 Tonnen Salz aus, die jährlich in die Stör eingeleitet werden.
Es war wohl so etwas wie der letzte Versuch der Bürgerinitiative zur Verhinderung gesundheitsgefährdender Abfallbeseitigung und Verhinderung aller umweltschädlichen Beeinträchtigungen (BIAB), noch einmal mit dem Umweltamt im Kreis Steinburg ins Gespräch zu kommen. Der BIAB-Vorsitzende Marc Ehlers und die Rechtsanwältin der Initiative hatten Mitte Mai einen Termin in der Behörde des Kreises Steinburg. Sie wollten herausfinden, ob es eine Einigung außerhalb des Verfahrens geben könne. Nach dem Motto: Reden ist besser als klagen. Doch sowohl Umweltamt als auch das Unternehmen Holcim hatten nichts mehr zu bereden.
"Wir sind keine Verhinderer. Wir wissen auch, wie wichtig der Kreideabbau für das Unternehmen ist. Uns geht es aber darum, die Salzmengen auf ein erträgliches Maß herunterzufahren", sagt Marc Ehlers. Seine Initiative geht von 8.000 Tonnen Salz aus, die Holcim künftig direkt in die Stör einleiten wird und hatte bereits vor dem Treffen beim Verwaltungsgericht gegen das Vorhaben Klage eingereicht.
Einleitung bereits 1999 festgelegt
Holcim baut in Lägerdorf (Kreis Steinburg) im Tagebau Kreide ab. Kreide ist der Grundstoff für die Zementproduktion. In der Kreidegrube sammelt sich regelmäßig salzhaltiges Grubenwasser. Denn unterhalb der Kreideschicht befindet sich in 400 Metern Tiefe ein Salzstock. Der Kreis hat 1999 Holcim die Genehmigung erteilt, das salzhaltige Grubenwasser in den Breitenburger Kanal einzuleiten. Von dort floss das Grubenwasser dann in die Stör. Schon damals wurde festgelegt: Sollte der Salzgehalt im Wasser einen bestimmten Wert überschreiten, müsse Holcim das Wasser über eine Pipeline direkt in die Stör einleiten.
"Die Grube wird immer tiefer, dadurch steigt der Druck auf das Grundwasser und das nimmt auf seinem Weg nach oben immer mehr Salz mit", erklärt Holcim-Werksleiter Torsten Krohn. Für die neue Pipeline, die aktuell unterirdisch zur Stör beim Breitenburger Schöpfwerk verlegt wird, musste Holcim beim Kreis lediglich einen Änderungsantrag einreichen - und auch das kritisiert die Initiative.
Wäre ein neues Planfeststellungsverfahren notwendig gewesen?
Als Marc Ehlers von der BIAB von dem Vorhaben erfuhr, beantragte er Akteneinsicht beim Kreis. Seinen Angaben zufolge hat es ein halbes Jahr gedauert, ehe er Einsicht in die Planungsunterlagen bekam. Seine Initiative hat sich daraufhin eine renommierte Kanzlei ins Boot geholt, spezialisiert auf Umwelt- und Fachplanungsrecht. Die mit der Prüfung der Unterlagen beauftragte Anwältin kam zu dem Schluss: Neue Einleitstelle, Bau einer neuen Pipeline, gestiegener Salzgehalt im Wasser - alles gute Gründe für ein neues Planfeststellungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung.
Die Genehmigung hätte nicht erteilt werden dürfen. Es gebe kein Altrecht, das nur geändert werden müsse. Die neue Einleitung müsse als Erstzulassung behandelt werden. Und dafür sei auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig, fordert die Anwältin in ihrem Gutachten. Holcim hält dagegen: "Es hat sich gegenüber 1999 nichts geändert. Das Wasser ist seit jeher über den Breitenburger Kanal in die Stör geflossen. Wir leiten es nur an einem anderen Punkt ein. Wir entlasten jetzt den Breitenburger Kanal. Diese Pipeline ist deshalb eine hundertprozentige Umweltmaßnahme." Der Vorgang liegt nun beim Verwaltungsgericht in Schleswig.
Trotz Einhaltung der Grenzwerte - Verschlechterungsverbot gilt auch in der Stör
Von den prognostizierten Salzmengen in Höhe von 8.000 Tonnen pro Jahr will Werksleiter Torsten Krohn nichts wissen. "Man kann immer mit hohen Zahlen spielen, wichtig ist die Konzentration des Salzes im Wasser." Und die bewege sich im Promillebereich pro Liter. "Der Salzgehalt in der Stör wird nur minimal erhöht und das auch nur auf einer sehr kurzen Strecke." Der Salzgehalt in der Stör betrage nach der Einleitung maximal 176 Milligramm pro Liter. Die Grenze liegt nach der Gewässerrichtlinie bei 200 Milligramm.
"Trotzdem wird es zu einer Verschlechterung der Gewässergüte kommen", befürchtet die Biologin Lotti Fischer von der BIAB Initiative. Sie befürchtet negative Folgen für die Mikroorganismen in der Stör. Sie verweist auf die Europäische Wasserrahmenrichtlinie. Die sieht vor, dass es zu keiner Verschlechterung kommen dürfe. Auch dann nicht, wenn der Salzgehalt den Grenzwert nicht übersteigt. Mit anderen Worten: Nur weil es einen Grenzwert gibt, heißt das noch lange nicht, dass man so lange Salz in ein Gewässer einleiten kann, bis man gerade noch unter dem Grenzwert bleibt. Denn es gilt das Verschlechterungsverbot.
Fischsterben in der Oder war Warnsignal
Holcim erhielt die Genehmigung zum Bau der Pipeline, als es das Fischsterben in der Oder noch nicht gegeben hatte. Salzeinleitungen, so die Fachleute, waren im vergangen Jahr die Ursache für das massenhafte Fischsterben. Hinzu kamen ein heißer Sommer und niedrige Wasserstände. Unter diesen Voraussetzungen hatte sich die Goldalge massenhaft ausgebreitet. Sie produziert ein für Fische und andere Lebewesen tödliches Gift. "Wir haben die Folgen von Salzfrachten in den Flüssen in den Jahre davor unterschätzt", sagt der Gewässerexperte Jörn Gessner vom Leibniz Institut für Gewässerökologie. "Diesbezüglich waren die Geschehnisse in der Oder ein Warnruf."
Außerdem: Die Umwelt hat sich seit 1999 verändert - also seitdem Holcim die Genehmigung bekam, sein Grubenwasser über den Breitenburger Kanal in die Stör einzuleiten. Die Sommer werden heißer, die Wasserstände niedriger, nicht heimische Arten sind eingewandert. Das Fischsterben in der Oder, davon gehen Experten aus, könne sich wiederholen. "Wir sollten uns ähnliche Probleme nicht in der Stör einhandeln", warnt Jörn Gessner.
Umweltamt hat keine Bedenken
Auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein bleibt das Umweltamt des Kreises Steinburg aber bei seiner Haltung. Trotz der Erkenntnisse nach dem Fischsterben in der Oder hat der Kreis keine Bedenken, wenn kommendes Jahr Holcim zusätzliches Salz in die Stör einleitet. "In der Stör wird das salzhaltige Wasser stark verdünnt. Ein gewässerökologisches Gutachten hat verschiedene Szenarien betrachtet. Der gute ökologische Zustand der Stör wird durch die Einleitung von Grund- und Oberflächenwasser nicht gefährdet", teilt der Kreis mit.
Den Kritikern hingegen fehlt eine Prognose über die Auswirkungen. Denn je tiefer Holcim in der Kreidegrube in Lägerdorf gräbt, umso salzhaltiger wird das Grubenwasser. "Die Gutachten liefern keine klare Abschätzung: wo kommen wir am Ende beim Salzgehalt raus?", sagt Jörn Gessner. Ihm fehle eine dynamische Betrachtung der Prozesse, die darlegt, mit welchen Salzgehalten die Einleitung beginnt und wie hoch die Einleitung bis 2038 wird. Dann ist die Kreide in der Grube abgebaut.
Kritiker fordern Teil-Entsalzung des Grubenwassers
Um die Stör vor ähnlichen Folgen wie in der Oder zu bewahren, sollte Holcim das Grubenwasser vor der Einleitung zumindest teilweise entsalzen, fordert die Initiative. "Wir erwarten, dass Holcim eine Technik findet, sodass eine Entsalzung stattfindet", fordert Lotti Fischer von der Initiative. Im Bereich der Oder wird über große Rückhaltebecken diskutiert, berichtet der Gewässerexperte Gessner.
Aber Holcim lehnt eine Entsalzung ab. "Wir haben das spaßeshalber mal ausgerechnet: Für eine Umkehrosmose, Verdampfung und so weiter würde man ungefähr den Energiebedarf der Stadt Hamburg benötigen", argumentiert der Holcim-Werksleiter Torsten Krohn dagegen. "Dann würden wir das gesamte Grubenwasser entsalzen. Das ist utopisch und überhaupt nicht notwendig, weil das Salz keine negativen Auswirkungen auf die Stör hat." Die Pipeline in die Stör sei für Holcim alternativlos.