Versalzen: Abwasser eines Erdgasunternehmens bedroht Flüsse
Immer wieder leiten Industriebetriebe salzhaltiges Abwasser in Flüsse. Mit schlimmen Folgen für Fauna und Flora. Die Klimakrise verschärft das Problem, denn die Verdünnung des Abwassers mit natürlichem Flusswasser nimmt durch lange Dürreperioden ab.
"Alles ist trocken! Und zwar so trocken, dass hier schon Gräser wachsen!" Im August steht Björn Scherhorn in einem ausgetrockneten Bachbett gleich hinter seinem Hof. Längst hat der Klimawandel und die damit einhergehende Dürre auch Niedersachsen erreicht. Mit Sorge blickt der Landwirt deshalb in den Nachbarort zu einer Wurstfabrik.
In den großen grauen Hallen pökeln sie auch Wurst, so dass das Abwasser stark mit Salz belastet ist. In der örtlichen Kläranlage wird dieses Abwasser zwar von Fett und anderen Schadstoffen gereinigt, doch das Salz bleibt drin; zu aufwendig und teuer wäre das Herausfiltern. Dieses salzige Wasser wird später in einen nahegelegenen Bach in einem FFH-Gebiet geleitet.
Abwässer versalzen vielerorts das Wasser
Es ist ein Vorgang, der überall in Deutschland passiert - ganz legal und mit Genehmigung der Behörden. Doch seit die Pegelstände von Flüssen sinken, ist das Einleiten salziger Abwässer noch problematischer. Hohe Konzentrationen führen zu massenhaftem Sterben von Süßwasser-Organismen. Die Behörden müssten die Grenzwerte für das Einleiten von Chlorid-haltigen Abwässern anpassen. Doch das ist vielerorts offenbar nicht geschehen. So schreibt das Umweltministerium aus Nordrhein-Westfahlen: "Aktuell gibt es in den wasserrechtlichen Regelungen keine konkreten Vorgaben zur Berücksichtigung von Niedrigwasserphasen."
Nach NDR-Recherchen sind seit Januar 2021 wohl gut 1.000 Tonnen Salz aus der niedersächsischen Erdgasförderung in verschiedene Flüsse und Bäche eingeleitet worden. Allein 104 Tonnen Salz des Erdgasunternehmens Wintershall Dea gingen über eine Kläranlage in die Lutter bei Gütersloh. Das Salz stammt aus tausenden Metern Tiefe und gelangt bei der Gasförderung mit an die Oberfläche.
Dabei hatte der Deutschlandchef von Wintershall Dea noch im Februar 2022 im niedersächsischen Umweltausschuss behauptet, das salzhaltige Abwasser aus der Erdgasproduktion würde hauptsächlich wieder in den Untergrund verpresst. Auf Nachfrage gab die Firma nun aber an, dass sie den überwiegenden Teil des Lagerstättenwassers, nämlich rund 70%, an Entsorgungsfirmen gibt. Die behandeln es und leiten es mit dem enthaltenen Salz in Flüsse.
NDR-Recherchen zeigen, dass der Salzgehalt an der Lutter bei Gütersloh Ende August drei Mal höher war als es für den guten Zustand eines Flusses sein darf. Das hat die Untersuchung des Sachverständigen Dr. Rainer Gellermann ergeben, der in den vergangenen Jahren zahlreiche Untersuchungen an Kläranlagen durchgeführt hat. Der zuständigen Aufsichtsbehörde war bekannt, dass ein Orientierungswert für den Salzgehalt drei Jahre hintereinander überschritten wurde. Man habe aber abwarten wollen, ob sich das Salz tatsächlich negativ auf die Biologie des Baches auswirke, so die Bezirksregierung Detmold auf Anfrage.
Nur noch wenige Arten nachweisbar
Die DNA-Analyse einer Wasserprobe aus dem August durch die Universität Duisburg-Essen deutet auf eine schlechte Wasserqualität hin. Gewässerexperte Prof. Florian Leese konnte nur wenige Arten wie Insekten oder Krebstiere nachweisen. Typische Organismen für einen Süßwasserfluss könnten sich auch zukünftig nicht einstellen, wenn weiterhin Salz eingeleitet werde, so Florian Leese.
Das Unternehmen Wintershall Dea teilt mit, dass die engagierten Entsorgungsfirmen zertifiziert seien und dass das salzige Abwasser aus der Erdgasförderung behördlich genehmigt entsorgt würde.
Im Interview mit Panorama 3 sagte der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer: "(…) die Industrie ist gefordert, eine Produktion zu haben, die nicht dazu führt, dass unsere Gewässer zum Abwasserkanal der Industrie werden." Denn kollabierende Ökosysteme seien nicht nur für die Tierwelt ein Problem, sondern auch für den Menschen. "Na, wir haben dann eben kein geeignetes Trinkwasser mehr. Ein Fluss, der zu versalzen ist, daraus können wir kein Trinkwasser machen."
Über die Genehmigungen zur Einleitung von Abwässern in Flüsse soll nun auch auf der Umweltministerkonferenz in Goslar am Mittwoch gesprochen werden.
Die Recherche wurde gefördert vom Netzwerk Recherche und der gemeinnützigen Umwelt-Förderorganisation OLIN GmbH.