Prozess um Schüsse in Lübecker Villa: Zunächst keine Aussage
Der Prozess um die tödlichen Schüsse in einer Lübecker Villa wird neu aufgerollt. Der BGH hatte das Urteil vom November 2021 im vergangenen Sommer aufgehoben. Die Verteidigung hat beantragt, dass der Angeklagte wieder auf freien Fuß kommt.
Im Prozess um tödliche Schüsse in einer Lübecker Villa ist am Donnerstag die Anklage verlesen worden. Der Angeklagte ließ sich darauf nicht weiter ein. Möglicherweise werde sein Mandant sich aber später zu der Tat äußern, sagte einer seiner Verteidiger am Donnerstag. Die Verteidigung des Angeklagten beantragte zudem, dass der Mann wieder auf freien Fuß kommt. Sie sah keine Fluchtgefahr gegeben. Die Tochter des Angeklagten bat in einer emotionalen E-Mail darum, dass ihr Vater Weihnachten mit der Familie feiern könne. Darüber soll voraussichtlich morgen entschieden werden. Der Prozess soll im Januar fortgesetzt werden.
Rückblick: Kurz vor Silvester 2020 fielen mitten in der Nacht Schüsse in einer noblen Lübecker Villengegend unweit des Stadtparks. Ein damals 57 Jahre alter Hausbesitzer hatte sie auf zwei mutmaßliche Einbrecher abgegeben. Einer der beiden überlebte damals nicht. Am 11. November 2021 verurteilte das Lübecker Landgericht den Hausbesitzer zu sieben Jahren Haft wegen Totschlags. Dagegen ging sein Anwalt in Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) - mit Erfolg. Der Bundesgerichtshof entschied schließlich, dass der Fall neu verhandelt werden muss. Die Beweisaufnahme muss nun noch einmal komplett wiederholt werden.
Schuldfähigkeit nicht ausreichend geprüft?
Der Prozess wurde neu aufgerollt, weil der BGH klare Kritik am Urteil des Lübecker Landgerichts geübt hatte. So sei eine mögliche verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht ausreichend geprüft worden. Der Schütze war zum Tatzeitpunkt alkoholabhängig. Eine psychiatrische Gutachterin hatte bei dem Mann alkoholbedingte Wesensveränderungen festgestellt. So sei er krankhaft misstrauisch und sozial isoliert gewesen. Das Lübecker Landgericht hatte bei seinem Urteil allerdings keine Anzeichen für eine verminderte Schuldfähigkeit gesehen.
Neues Urteil fällt möglicherweise im Februar 2023
Im Revisionsprozess muss sich jetzt eine andere Kammer des Lübecker Landgerichts mit der Tat auseinandersetzen. Auch mit der Frage, inwieweit es sich um Notwehr gehandelt haben könnte, wird sich das Gericht nun noch einmal beschäftigen müssen. Sechs Verhandlungstage sind bislang angesetzt, dabei wird auch ein Sachverständiger seine Einschätzung abgeben. Das Gericht rechnet damit, dass Mitte Februar ein neues Urteil verkündet werden könnte.
Angeklagter im Umgang mit Waffen trainiert
Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen ehemaligen Berufssoldaten und Sportschützen. In seinem verwahrlosten Haus hatten die Ermittler nach der Tat mehrere Waffen und Munition gefunden. Der Lübecker hatte in der ersten Verhandlung zugegeben, die Schüsse auf die beiden mutmaßlichen Einbrecher abgegeben zu haben. Er sprach dabei von "Warnschüssen".
Drei Kugeln trafen dabei einen 38-jährigen Mann in den Rücken, er verstarb später im Krankenhaus. Sein Freund, ein damals 27-Jähriger, überlebte und sagte als Zeuge umfangreich vor Gericht aus. Die beiden waren in der Nacht vom 29. auf den 30. Dezember 2020 in das vermeintlich leer stehende Haus eingedrungen, angeblich aus Abenteuerlust. Im Treppenhaus trafen sie dann auf den Besitzer, der die Männer hinausjagte und dabei auf sie schoss.