Polizist beim Brokstedt-Prozess: Hätte am liebsten geweint
Sieben Zeugen waren zum dritten Prozesstag wegen der Messerattacke von Brokstedt geladen. Sechs Polizisten und ein Fahrgast berichteten eindrücklich, wie sie die Tat im Regionalzug erlebt hatten.
Ein Passagier berichtete dem Landgericht Itzehoe (Kreis Steinburg), er sei nah an dem Geschehen dran gewesen. Bei seiner Aussage wirkte der Mann emotional aufgewühlt. Eindrücklich beschrieb er einen markerschütternden Schrei einer angegriffenen Frau, die direkt neben ihm zu Boden gestützt sei. Für ihn habe es wie der Schrei des Todes geklungen und er sei geflohen. Der Zeuge berichtet auch, dass Ibrahim A. die junge Frau regelrecht verfolgt habe. Er sei total auf sie fokussiert gewesen.
Polizisten schildern chaotische Situation
Davor hatten bereits zwei Polizisten geschildert, wie sie die Situation am Bahnhof Brokstedt vorfanden. Beide waren direkt nach dem Messerattentat vor Ort. Sie beschrieben eine chaotische Situation. Als erstes seien ihnen die Verletzten aufgefallen, auf dem Bahnsteig hätten sie eine lange Blutspur gesehen. Auch an der Außenwand des Zuges sei viel Blut gewesen.
Stark blutende Frau am Bahnhof
Ein Zeuge berichtete, dass seine Kollegen und er zunächst von einem Messerstreit zwischen zwei Personen ausgegangen waren. Dann sahen sie am Bahnhof eine stark blutende Frau und weitere stark blutende Menschen. Mehrere Personen seien auf ihn zugekommen und hätten gesagt, der Angreifer sitze auf dem Bahnsteig. Zwei Personen sollen bei dem Mann gewesen sein. Einer habe seine Schnittwunden versorgt, der andere habe ihn an der Schulter heruntergedrückt und zu den Polizisten gesagt: "Das ist der Täter." Erst im Gespräch mit ersten Zeugen hätten sie begriffen, dass der Angreifer im Zug auf mehrere Menschen eingestochen haben soll.
Mann wirkte gleichgültig und emotionslos
Der Mann habe dort ruhig und mit erhobenen Armen und gesenktem Blick gekniet, so der Zeuge. "Er hat sich nicht bewegt und auch keinen Mucks von sich gegeben." Auf die Ansage, er sei vorläufig festgenommen, habe er nur kurz zur Seite geschaut. Der Polizist beschreibt die Ausstrahlung des Mannes als gleichgültig und emotionslos oder provozierend. Ob er merkte, dass ein Polizeibeamter mit ihm sprach, sei schwer zu sagen gewesen.
Sein Kollege habe den Mann dann gesichert, er selbst habe das Tatmesser aus einem Mülleimer geholt und in den Streifenwagen gebracht. Anschließend habe er geholfen, Verletzten Erste Hilfe zu leisten, und Rettungskräfte eingewiesen, so der Polizist. Der Zeuge sprach ruhig und strukturiert direkt zum Richter. Den Angeklagten schaute er nicht an. Ibrahim A. hörte seinem Übersetzer konzentriert zu, suchte aber weder Augenkontakt zu den Beamten noch zum Zuschauerbereich.
Ein weiterer Polizist schilderte ganz genau, wie er die beiden Getöteten junge Leute gefunden hat. Er sei allein in den Zug gegangen, haben dann die Meldung weitergegeben, dass zwei Tote im Zug liegen. Er habe dann zusammen mit der Bundespolizei das Abteil gesichert und den Zug durchsucht, weil sie nicht wussten, ob es weitere Täter gibt. Später habe er dann den Täter gesichert.
Lange gebraucht, um das Geschehene zu verarbeiten
Einer der geladenen Polizisten sagte am Rande: "Als ich verstanden habe, was da passiert ist, wäre ich am liebsten mit den Ersthelfern, die uns in die Arme gefallen sind, weinend zu Boden gegangen." Er habe sehr lange, länger als bei anderen Einsätzen gebraucht, um das Geschehene zu verarbeiten. Ein weitere Zeuge beschreibt, dass er den Einsatz wie im Tunnel erlebt habe: "Man macht und funktioniert und merkt erst später, was da abgelaufen ist."
Ibrahim A. wird vorgeworfen, am 25. Januar 2023 im Regionalexpress von Kiel nach Hamburg zwei Menschen mit einem Messer getötet und vier weitere zum Teil schwer verletzt zu haben. Die Anklage lautet auf zweifachen Mord und vierfachen Mordversuch. Am Montag hatten bereits zwei Zeugen aus dem Zug den Tathergang aus ihrer Sicht geschildert.
Staatsanwaltschaft hält Angeklagten für schuldfähig
Die Anklage ist davon überzeugt, dass der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen und in Heimtücke handelte und hält ihn für schuldfähig. Der Verteidiger des Angeklagten erklärte unter Bezug auf ein psychiatrisches Gutachten, sein Mandant wäre besser in der geschlossenen Psychiatrie als in Untersuchungshaft aufgehoben. Er beantragte eine Haftprüfung. Ibrahim A. selbst stritt die Tat und die Vermutung einer psychischen Erkrankung zum Prozessauftakt ab.