Pöschendorf: Bürgerinitiative wehrt sich gegen Netzbetreiber

Stand: 13.03.2024 15:06 Uhr

Die Bürgerinitiative Pöschendorf wehrt sich gegen ein geplantes Umspannwerk, das direkt in ihrer Nähe entstehen könnte. Das will nämlich Netzbetreiber Tennet auf einer Fläche von 25 Hektar bauen.

von Vinetta Richter

Gabriele Steinhöfle steht mit Regina Lau an deren Haustür in Pöschendorf bei Schenefeld (Kreis Steinburg). Sie blicken auf die angrenzenden Felder und runzeln die Stirn. Hier könnte in ein paar Jahren ein Umspannwerk entstehen, nur etwa 80 Meter von dem Haus der Familie entfernt. Der Netzbetreiber Tennet will dort auf dem Gebiet der Gemeinden Pöschendorf, Hadenfeld, Kaisborstel, Agethorst und Mehlbek mit seinem Partner 50Hertz bauen. Und zwar nicht nur ein Umspannwerk. Auch ein Gleichstromkonverter und eine Gleichstromschaltanlage sollen dort entstehen - ein sogenannter Multiterminal-Hub.

Oberirdische Stromtrasse bereits vorhanden

Zwei Frauen stehen auf einem Feld © NDR Foto: NDR Screenshot
Die stellvertretende Vorsitzende der Bürgerinitiative Regina Lau (links) und Gabriele Steinhöfle (rechts) stehen dort, wo bald ein Umspannwerk entstehen könnte.

45 bis 50 Hektar Fläche braucht Tennet für das Werk sowie alle Konverterhallen und Anlagen zusammen. Im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein betont der Netzbetreiber immer wieder, dass es "in der Standortfrage noch keine Entscheidung gibt". Die Suche nach möglichen Alternativflächen laufe derzeit immer noch. Der sogenannte Suchraum Pöschendorf ist so attraktiv für Tennet, weil hier bereits eine oberirdische Stromtrasse direkt am Dorf vorbei verläuft. Eine weitere ist in der Nähe in Planung, genauso wie die Verlegung der Erdkabel für NordOstLink.

Der NordOstLink

Die unterirdische Stromtrasse NordOstLink soll grünen Strom von der Westküste Schleswig-Holsteins bis nach Klein Roghan bei Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern bringen - und bei Bedarf weiter bis nach Süddeutschland. Insgesamt wird die Erdkabel-Verbindung etwa 200 Kilometer lang.

Neben den Kabeln, die verlegt werden müssen, braucht es unter anderem auch Stromumspannwerke. Vereinfacht erklärt, kommen in einem Umspannwerk die Leitungen des gesamten Stromnetzes zusammen - also die Leitungen aus den Kraftwerken oder von Windrädern oder Photovoltaik-Anlagen. Im Umspannwerk wird dann dieser Strom in das Verbrauchernetz eingespeist.

Bürgerinitiative will kein Umspannwerk nah am Dorf

Ein Standort direkt am Dorfrand von Pöschendorf stößt aber auf Kritik bei einigen der Einwohnerinnen und Einwohnern. Im Januar gründete sich deshalb eine Bürgerinitiative. Sie will verhindern, dass so nah am Dorf gebaut wird. Gabriele Steinhöfle ist die stellvertretende Vorsitzende. Sie wird das erste Mal in ihrem Leben politisch aktiv: "Wir sind nicht generell gegen ein Umspannwerk, aber wir sind gegen diesen Platz hier. [...] Das ist ein gewaltiges Areal, was hier herkommen soll."

Abstände zu Wohngebäuden teilweise 19 Meter

Eine Luftbildaufnahme einer Grünfläche bei Pöschendorf © NDR Foto: NDR Screenshot
Hier auf den Grünflächen bei Pöschendorf könnte das Umspannwerk entstehen.

Auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein erklärt Tennet, dass die Abstände zu den Wohngebäuden von der Grundstücksgrenze teilweise 19 Meter betragen. Zu Familie Lau und dem angrenzenden Bauernhof sind es etwa 80 Meter. Die Grünflächen vor dem Haus von Familie Lau gehören bereits zum Teil Tennet. Mehr als sieben Hektar sind es insgesamt. Das mache es wahrscheinlich, dass das Umspannwerk wirklich hier entstehen soll und mindere den Wert der Grundstücke und Immobilien in unmittelbarer Nähe, sagen Mitglieder der Bürgerinitiative. Einige von ihnen haben auch Angst vor gesundheitlichen Risiken, die das Wohnen in unmittelbarer Nähe zu solchen Hochspannungsleitungen mit sich bringen könnte. Ein Tennet-Sprecher aber beruhigt: "Tennet wird alle gesetzlich festgelegten Grenzwerte des Immissionsschutzes an sämtlichen Wohnhäusern in jedem Fall einhalten."

Kein Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und Hochspannungsleitungen

Professor Alexander Katalinic von der Universität Lübeck gibt Entwarnung: "Die WHO gibt an, dass elektromagnetische Felder kein Risikofaktor für Krebserkrankungen sind." Er verweist auf internationale Studien, die zeigen würden, dass es keinen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und Hochspannungsleitungen gebe. Das Krebsregister Schleswig-Holstein könne auf Daten der letzten 25 Jahre zurückgreifen. Auch dort zeigt sich, dass das Wohnen in der Nähe von Stromtrassen kein erhöhtes Krebsrisiko erzeugt.

Verschiedene Bauweisen möglich

Für die Verlegung von Erdkabeln gibt es verschiedene Bauweisen, wie Kay Schmidt-Rethmeier, Professor für Hochspannungstechnik an der Fachhochschule in Kiel, erklärt: die offene und die geschlossene. Die geschlossene Verlegung solcher Erdkabel ist demnach weniger invasiv. Es wird eine Tunnelbohrmaschine eingesetzt, die dann ungestört über mehrere Monate die entsprechende Distanz der Trasse unterirdisch gräbt. Diese Bauweise ist aber deutlich teurer als die offene Bauweise.

Bei der offenen Bauweise werden Gräben gegraben und dann die Kabel verlegt. Dabei wird der Boden drum herum durch die Baufahrzeuge und auch die Kabel selbst zunächst verdichtet. Außerdem können über den verlegten Erdkabeln keine tiefwurzelnden Pflanzen mehr angebaut werden, weil diese sonst womöglich die Kabel kaputt machen könnten, wie Schmidt-Rethmeier erklärt. Auch trockne der Boden um ein Stromkabel herum aus, weil das Kabel Wärme abgibt. Laut Rethmeier würde es relativ lange dauern, bis sich das wieder erholt: "Wir sprechen nicht über Jahre, sondern eher Jahrzehnte."

Alternativfläche an der Autobahn

In Pöschendorf hat sich innerhalb der Bürgerinitiative jetzt eine Gruppe gebildet, die Alternativflächen in der Umgebung sucht und aktiv auf Landwirte zugeht. Die Mitglieder hoffen darauf, dass sich dadurch zumindest der Ort des Umspannwerks verlegen lässt.

Gabriele Steinhöfle betont, dass die Initiative nicht gegen Tennet oder grundsätzlich gegen den Energieausbau sei. Die Mitglieder wünschen sich vom Netzbetreiber konkrete Aussagen und in die Planung mit einbezogen zu werden. Noch diesen Monat soll es ein weiteres Gespräch zwischen der Bürgerinitiative Pöschendorf und dem Netzbetreiber Tennet geben.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 13.03.2024 | 19:30 Uhr

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