Plötzlich Papa: Zwölfjähriger zieht verwaiste Storchenbabys auf
Er füttert sie, putzt das Gehege und verwöhnt sie mit Streicheleinheiten: Seit Anfang Juni ist der zwölfjährige Mads Niklas der Ziehvater von zwei Storchenküken. Das Muttertier hatte den Nachwuchs zuvor aufgegeben.
Seit drei Jahren steht im Gartengrundstück der Familie Hamster aus Haseldorf (Kreis Pinneberg) ein Storchennest. In diesem Jahr hat ein Storchenpaar zum ersten Mal Nachwuchs ausgebrütet. Das schlechte Wetter Anfang Juni hat aber ein tierisches Familiendrama ausgelöst: Die Mutter konnte nicht mehr genug Nahrung finden und hat ihre beiden Küken aufgegeben. Auch der Storchenvater konnte sich nicht weiter kümmern. Seitdem haben die beiden Storchenküken einen menschlichen Ersatzpapa: Der zwölfjährige Mads Niklas hat sich der Tierbabys angenommen. Zuerst hat der Peanuts-Fan den beiden Namen gegeben: "Snoopy" und "Charlie" heißen die beiden Storchenküken jetzt.
Futter wird im Wasserbad auf Körpertemperatur vorgewärmt
Die Aufgaben von Mads Niklas als Storchen-Ziehvater sind vielfältig: "Snoopy" und "Charlie" brauchen regelmäßig Futter. Dabei ist es nicht damit getan, ihnen Fisch- und Fleischreste anzubieten, erklärt er: "Die Storchenküken sind daran gewöhnt, das Futter von den Eltern vorgekaut und damit auf Körpertemperatur angewärmt zu bekommen. Deshalb wärmen wir das Futter in einem Wasserbad auf." Beim Speiseplan von "Snoopy" und "Charlie" wechselt Mads Niklas zwischen Putenbrustfilet, Hühnerherzen und kleinen Fischen durch.
Einmal am Tag werden die Störche auch mit sogenannter Muttererde gefüttert. Diese oberste Erdschicht ist besonders mineral- und nährstoffreich. Wenn junge Störche von ihrer Mutter gefüttert werden, pickt sie die Nahrung vorher vom Boden auf und versorgt ihren Nachwuchs dann nicht nur mit Würmern und Co, sondern eben auch mit dieser besonderen Muttererde. Mads Niklas als menschlicher Ziehvater füttert seinen Schützlingen "Snoopy" und "Charlie" diese Erde in einer extra Schale zu.
In den ersten Tagen seiner Zeit als Ziehvater fütterte der Schüler die Storchenbabys alle zwei Stunden mit einer Pipette. Mittlerweile haben "Snoopy" und "Charlie" nur noch alle vier Stunden Hunger. Nach dem Füttern ist es Zeit, das Gehege der beiden zu putzen und den Kot zu entfernen. Dann kann Mads Niklas seiner Lieblingstätigkeit nachgehen: Er verwöhnt seinen "Nachwuchs" mit jeder Menge Streicheleinheiten.
Jungstörche entwickeln nach und nach Fluginstinkt
"Ganz am Anfang haben die beiden noch fast in meine Hand gepasst, so klein waren sie. Jetzt sind sie schon so groß, dass sie regelmäßig ihre Flügel ausstrecken und die ersten Trocken-Flugübungen machen", erklärt Mads Niklas. Noch leben die beiden Störche im Gehege auf dem Balkon von Familie Hamster mit Ausblick auf die Idylle der Haseldorfer Marsch. In den nächsten Tagen sollen die beiden aber wieder mehr in Richtung ihres natürlichen Habitats kommen.
Familie Hamster transportiert dafür das Gehege zum Gartengrundstück, sodass die beiden Störche sich langsam an die Natur gewöhnen und weiter ihren Fluginstinkt ausbilden können. Der sei bei den beiden von ganz alleine gekommen, erzählt Mads Niklas. Obwohl ihnen niemand gezeigt habe, wie das mit dem Fliegen funktioniert. Aber noch sind die beiden nicht bereit, um alleine in der Natur zu überleben. Das erkenne man auch daran, dass "Snoopy" und "Charlie" teilweise noch den sogenannten Flaum haben und ihr Federkleid noch nicht komplett ausgewachsen ist.
Die Faszination für Störche hat Mads schon eine Weile. Er war bereits in verschiedenen Ausstellungen und hat auch in der Schule Referate über Störche gehalten. Bei seinen Klassenkameradinnen und -kameraden kommt sein Dasein als tierischer Ziehvater sehr gut an, erzählt er: "Einige meiner Freundinnnen und Freunde kommen auch regelmäßig zu Besuch und wollen die Störche anschauen. Alle finden es richtig interessant und faszinierend." Die Frage, ob er eines seiner tierischen Kinder mehr mag, verneint der Zwölfjährige. Stattdessen hat er die beiden schon so in sein Herz geschlossen, dass er noch gar nicht daran denken möchte, wie es sein wird, wenn die beiden in wenigen Wochen in die Storchenpflegestation in Erfde (Kreis Schleswig-Flensburg) umziehen und dort mit Gleichaltrigen flügge werden.
"Snoopy" und "Charlie" sollen ausgewildert werden
Mads Niklas schätzt, dass es bis zum Umzug wohl noch drei bis vier Wochen dauern wird. Wichtig sei, dass die beiden Störche nicht vorher schon umherfliegen, sonst sei die Gefahr zu groß, dass sie sich Infektionskrankheiten einfangen und diese dann auf die anderen Störche der Station in Erfde übertragen. Vor wenigen Wochen waren "Snoopy" und "Charlie" nämlich schon einmal krank. Sie hatten kleine Parasiten im Fell, erzählt die Mutter von Mads Niklas: "Das war dann echt schwierig, weil uns kein Tierarzt helfen konnte. Keiner hatte Expertise mit Störchen und den Krankheiten dieser Tiere. Nach ein paar Tagen haben wir dann einen Wildtierarzt gefunden und der hat die beiden dann mit einer Creme versorgt."
Die Versorgung von "Snoopy" und "Charlie" war in den vergangenen Wochen eine Aufgabe für die gesamte Familie, sagt Mads Niklas. Er hofft jetzt, dass seine Schützlinge schnell fliegen lernen und sich dann auch gut mit ihren "Klassenkameradinnen und -kameraden" in Erfde verstehen "und wer weiß", schmunzelt er, "vielleicht hat es den beiden hier bei uns ja so gut gefallen, dass sie nach dem Winter wieder zurückkommen zu uns und dann vielleicht selbst für Nachwuchs sorgen."
Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version des Artikels hatten wir geschrieben, dass Mads Niklas 13 Jahre alt sei. Er ist 12 Jahre alt.