Pingpong gegen Parkinson - So soll Tischtennis helfen

Stand: 10.07.2024 18:18 Uhr

Seit einigen Jahren spielen weltweit immer mehr Erkrankte Tischtennis gegen die Symptome. Auch in Kiel gibt es eine Gruppe. Karsten Polle erzählt, wieso ihm der Sport hilft.

von Lisa Pandelaki

Die Sporthalle im Kieler Stadtteil Kronsburg ist erfüllt von unregelmäßigem Klackern. An sechs Tischtennisplatten werden hier eifrig Bälle hin und her geschlagen. Es geht dabei aber nicht um Schnelligkeit oder das perfekte Spiel. Es geht um die Bewegung, die Auge-Hand-Koordination und die Gemeinschaft. Denn eines haben alle Sportler hier gemeinsam: sie sind an Parkinson erkrankt.

Parkinson-Diagnose verändert den Blick auf das Leben

Mit Mitte 40 zeigte Karsten Polle erste Symptome. Viel Sport getrieben habe er damals noch nicht, erzählt er, aber Joggen gehörte zu seinem Alltag. Irgendwann bemerkte er, dass er das rechte Bein nicht mehr richtig heben konnte. Es schlurfte leicht hinterher. Dann kam eine Steifheit in der rechten Schulter dazu. Aber es dauerte, bis die Ärzte Parkinson diagnostizierten.

Eine Gruppe Menschen spielt Tischtennis in einer Sporthalle. © NDR Foto: Lisa Pandelaki
AUDIO: Ping Pong Parkinson: Tischtennis als Therapie (5 Min)

"Ich versuche, den Alltag normal zu leben, wie vor der Krankheit", sagt Polle bei einem Gespräch zwischen blühenden Pflanzenkübeln auf seiner Terrasse im Kieler Norden. Nur schiebe er Dinge nicht mehr so lange auf wie vorher. Zeit mit Freunden sei ihm wichtig und Zeit mit seiner Frau. Geheiratet haben sie erst nach der Diagnose, obwohl sie da schon seit über 20 Jahren zusammen waren. Der Blick auf das Leben hat sich doch irgendwie verändert.

Tischtennis gehört zur Therapie

Und auch der Blick auf den eigenen Körper. Sport ist jetzt ein wichtiger Bestandteil seines Alltags. Jeden Tag versucht er Einheiten in seinen Tag einzubauen. "Man möchte sich dem Parkinson hingeben. Im Sitzen habe ich keine Symptome, im Stehen schon", gibt Polle zu. Doch Bewegung hilft. Durch einen Freund kam er zur Pingpong Parkinson Gruppe in Kiel. Zweimal pro Woche trainiert er hier mit 25 anderen Betroffenen. Jeden Montag und Sonnabend macht er sich auf den Weg zur Sporthalle von Rot Schwarz Kiel. "Beim Spiel habe ich die Krankheit nicht und nach dem Spiel geht es mir deutlich besser als vorher."

Keine Symptome während des Spiels

Ähnlich geht es auch den anderen Spielern. Ab und zu sieht man bei genauer Beobachtung in den Spielpausen zitternde Hände und langsame Bewegungen. Doch kaum prallt der Ball wieder auf die Platte, können die Hände die Schläger wieder ruhig führen und die Körper bewegen sich schneller nach links und rechts, um den kleinen weißen Ball zurückzuschlagen. Ob der Ball dann mehrfach auf der Platte aufkommt oder auch mal den Boden berührt, ist hier nicht wichtig.

Tischtennis trainiert reflektorische Bewegungen

"Tischtennis hilft natürlich zuerst bei den motorischen Symptomen", erklärt Professor Daniela Berg, Neurologin am UKSH in Kiel. Willkürliche Bewegungen, wie das Aufheben von einem Gegenstand und unwillkürliche Bewegungen wie Schlucken oder das Schwingen der Arme beim Gehen, seien bei Parkinson vermindert. Der schnelle Ballwechsel beim Tischtennis spreche aber vor allem die reflektorischen Bewegungen an. "Die funktionieren bei Menschen mit Parkinson am Besten", sagt Berg. "Das heißt, ich kann ganz steif sein, aber wenn mir ein Ball zugeworfen wird, fange ich den auf."

Wird das regelmäßig trainiert, können sich auch andere Bewegungen wieder verbessern. Daneben hilft die Bewegung auch gegen nicht-motorische Symptome wie Verstopfung oder Depression. "Und das soziale Miteinander hilft dann noch dreimal mehr", ergänzt Berg mit einem Lachen.

Immer mehr Menschen erkranken an Parkinson

Das Durchschnittsalter bei der Kieler Gruppe liegt bei etwa 65 Jahren. Am häufigsten sind immer noch Senioren von Parkinson betroffen. Doch in den letzten Jahren trifft es auch immer Jüngere. In Deutschland haben mindestens 200.000 Menschen Parkinson - Tendenz steigend.

"Eine Gruppe wie jede andere"

"Vielleicht sind sie ein bisschen mehr begeistert als andere, aber sonst ist nichts anders", sagt Jens Jarck. Er trainiert eigentlich die Tischtennis-Jugend, doch betreut übergangsweise auch die Parkinson-Gruppe. Für ihn ist die Gruppe nicht anders als andere. Nur die Spieler müssten rechtzeitig entscheiden, wenn sie nicht mehr können. Jarck hält sich eher im Hintergrund, geht nur zwischendurch um die Tische herum und gibt Anweisungen. "Jetzt alle zweimal Vorhand und zweimal Rückhand im Wechsel", fordert er die Sportler heraus. Auf Karsten Polles Stirn glänzen die ersten Schweißtropfen. Doch immer öfter gesellt sich ein breites Lächeln dazu. Er mag Sport, bei dem er ins Schwitzen kommt.

Eine internationale Bewegung

Pingpong Parkinson ist eine internationale Bewegung. 2017 gründete Nenad Bach in New York PingPongParkinson USA. Durch Tischtennis hätten sich seine Parkinson-Symptome so stark gebessert, dass er sogar wieder Gitarre spielen konnte. Diese Erfahrung wollte er an andere weitergeben. So steht es zumindest auf der Website des Vereins PingPongParkinson Deutschland e.V..

Seitdem haben sich weltweit Vereine unter dieser Dachmarke gegründet. 2019 fand dann die erste Tischtennis-Weltmeisterschaft für Parkinsonerkrankte statt. An der WM 2023 nahmen bereits Spielerinnen und Spieler aus 22 Ländern teil. Auch die Community in Deutschland wächst rasant. Bundesweit hat der Verein über 2.000 Mitglieder. Die Nachfrage ist groß.

Sportvereine und Trainer gesucht

Britta Freimuth, Landesleiterin für PingPong Parkinson in Schleswig-Holstein, möchte noch weitere Stützpunkte gründen. Nachfrage gibt es dafür genug. Was fehlt sind Sportvereine, denen sie sich anschließen können und Trainer. Auch die Kieler Gruppe ist auf der Suche nach einem Trainer mit C-Lizenz und Zusatzausbildung für Neurologie. Damit auch weiterhin Menschen wie Karsten Polle zumindest zweimal pro Woche ihrer Parkinson-Erkrankung entkommen können.

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Schleswig-Holstein Magazin | 26.11.2024 | 11:57 Uhr

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