Neuer Cannabis-Grenzwert: Polizei in SH hat keine genauen Schnelltests
Für Autofahrerinnen und Autofahrer gelten ab sofort neue Bestimmungen und Bußgelder für Cannabis am Steuer. In Schleswig-Holstein kann die Polizei den angehobenen Grenzwert aber nur mit viel Aufwand bestimmen. Es fehlen passende Schnelltests.
Wer mit 3,5 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) oder mehr im Blut Auto, Lkw oder Motorrad fährt - egal ob vorsätzlich oder fahrlässig - riskiert künftig in der Regel 500 Euro Bußgeld und einen Monat Fahrverbot. Der Bundestag hatte für den Cannabis-Konsum im vergangenen Juni den neuen Grenzwert von 3,5 Nanogramm je Milliliter Blut festgelegt, der jetzt gilt. Der Wert wurde angehoben.
Die Polizei in Schleswig-Holstein kann diesen neuen Grenzwert bei Verkehrskontrollen vor Ort aber gar nicht exakt kontrollieren. Laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) fehlen die passenden Schnelltests. Die GdP fordert deshalb jetzt eine komplette Neuausstattung mit Testgeräten, die den THC-Wert besser anzeigen können.
Alte Tests bedeuten weiterhin Blutprobe
Die Landespolizei ist überhaupt nicht in die Lage versetzt worden, die neuen Grenzwerte kontrollieren zu können, kritisiert Torsten Jäger, Landesvorsitzender der GdP in Schleswig-Holstein. Die alten Tests sind für die Kontrolle des neuen Grenzwertes gar nicht geeignet, weil sie nur bestimmen können, ob und nicht "wie viel" gekifft wurde.
Da der Polizei bislang noch keine neuen Tests zur Verfügung stehen, würden auch die Kontrollen jetzt einen erheblichen Mehraufwand für die Polizistinnen und Polizisten bedeuten, erklärt Jäger. Sie müssen weiterhin Vortests in Form eines Urin-Tests machen. Ist der Test positiv, dann schließt sich eine Blutprobe an, die im Labor ausgewertet werden muss. Obwohl mit passgenauen Tests vor Ort schon festgestellt werden könnte, ob der Grenzwert überschritten wurde oder nicht.
"Es entsteht viel Arbeit, viel Aufwand und natürlich für den Betroffenen, der meint legal im Straßenverkehr unterwegs zu sein, eine Zeit der Unsicherheit." Torsten Jäger, Voritzender der GdP Schleswig-Holstein
Die Urin-Tests sollen erstmal auch weiterhin eingesetzt werden, erklärt die Landespolizei. Seitens der Polizei verweist man zudem auf den Bund. Neue und weniger sensible Tests sollen demnach angeschafft werden - wann die kommen könnten, teilte die Landespolizei nicht mit.
Gewerkschaft erwartet Zunahme schwerer Unfälle
Die Gewerkschaft der Polizei sieht im neuen Grenzwert zudem eine "Scheinrechtssicherheit", erklärt Torsten Jäger. Durch die Erhöhung des zulässigen THC-Wertes von einem auf 3,5 Nanogramm könne der Eindruck erweckt werden, dass Autofahren unter Cannabis-Einfluss grundsätzlich legal ist. Dadurch werden die Gefahren verniedlicht, meint Jäger.
Die GdP erwartet, dass das Cannabis-Gesetz und die Festlegung des neuen Grenzwertes sich insgesamt negativ auf die Verkehrssicherheit auswirken könnte. Die Zahl schwerer und tödlicher Verkehrsunfälle könnte steigen. Bereits im vergangenen Juli hatte die GdP mehr Kontrollen verlangt, um "zugedröhnte" Autofahrer aus dem Verkehr zu ziehen.
Kiffen und Autofahren?
Auch der ADAC Schleswig-Holstein sieht die Erhöhung des Grenzwertes kritisch. Der Gesetzgeber hätte besser im Vorwege prüfen sollen, ob der Grenzwert und die damit verbundenen Kontrollen praktikabel sind, erklärt ADAC-Sprecher Rainer Pregla.
Pregla rät: "Don't drive high", da jeder Unfall einer zu viel sei. Der ADAC rät, sich nicht bekifft an das Steuer zu setzen. Wer aber Cannabis konsumieren möchte, sollte genügend Zeit zwischen dem Konsum und der Fahrt einplanen - mindestens 24 Stunden oder im Einzelfall deutlich mehr. Am Ende müsse jeder selbst verantworten, was er tut, so Pregla.