Nach Schackendorf-Fall: Was gegen häusliche Gewalt helfen könnte
In Schackendorf ist eine Frau von ihrem Ex-Partner so schwer verletzt worden, dass sie später starb - kein Einzelfall. Der Opferhilfeverein Weißer Ring fordert von Land und Bund mehr Unterstützung.
Am Sonnabendmorgen ist eine 51-jährige Frau in Schackendorf (Kreis Segeberg) von ihrem Ex-Partner womöglich so schwer verletzt worden, dass sie später im Krankenhaus starb. Ihr neuer Partner wurde bei dem Angriff lebensgefährlich verletzt. Der mutmaßliche Täter wurde verhaftet. Laut Polizei gab es dort schon öfter Einsätze -die genauen Hintergründe sind unklar. Ob man die Tat als Femizid bezeichnen kann, dazu gibt es bislang keine offiziellen Angaben.
Allein in diesem Jahr sind bereits vier Frauen in Schleswig-Holstein von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet worden, wie der Landesverband Frauenberatung berichtet. Seit 2018 wurden laut Verband 64 Personen in Schleswig-Holstein im Rahmen von Beziehungsstreitigkeiten getötet - darunter 54 Frauen. Bundesweit sind im vergangenen Jahr laut "Lagebild Häuslicher Gewalt" des Bundeskriminalamtes 155 Frauen und 24 Männer Opfer tödlicher Gewalt durch einen Partner oder Ex-Partner geworden. Dazu kommen mehr als 167.000 Fälle von registrierter Partnerschaftsgewalt ohne Todesfolge.
Viel Ausbaubedarf bei der Unterstützung für Opfer häuslicher Gewalt
Der Opferhilfeverein Weißer Ring kümmert sich um Menschen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Laut Landesverbandssprecher Joachim Brandt tritt in den Beratungsgesprächen das Thema "häusliche Gewalt" regelmäßig und häufig auftreten. Auch deswegen fordert er mehr Unterstützung für Opfer, wie er im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein erzählt. In Sachen Unterstützungsleistungen sieht er viel Ausbaubedarf.
Man nimmt immer mehr Fälle wahr, in denen Frauen von ihrem Partner Gewalt erleben oder sogar getötet werden. Können Sie diesen Eindruck aus der täglichen Praxis bestätigen?
Joachim Brandt: Wir kümmern uns hauptsächlich um die Opfer. Wir haben keine genauen aktuellen Zahlen, aber einen tiefen Eindruck aus der Beratungspraxis. Während der Corona-Phase haben wir - fast naturgemäß - eine deutliche Zunahme der Fälle verzeichnet. Wir hatten die Hoffnungen, dass die Zahlen wieder deutlich zurückgehen, nachdem die schlimmsten Auswirkungen von Corona größtenteils erledigt waren. Das konnten wir leider nicht feststellen. Das Thema "häusliche Gewalt" taucht in unseren Beratungsgesprächen immer wieder und regelmäßig auf.
Eine Idee, um Frauen vor gewalttätigen Partnern zu schützen, ist die elektronische Fußfessel. Was sind ihre Forderungen dazu?
Joachim Brandt: In Richtung Bund fordere ich ganz klar, das Thema "elektronische Fußfessel" in das Gewaltschutzgesetz aufzunehmen, damit Frauen etwas unbeschwerter leben können. Da hat sich aber definitiv nichts getan. Wir haben als Weißer Ring eine Initiative zusätzlich zu der Forderung angeschoben, um den Bundesjustizminister dazu zu bewegen, entsprechende Initiative zu ergreifen. Das hat bisher zu keinem Erfolg geführt. Und die politische Situation, das Ende der Ampel, macht auch wenig Hoffnung, dass da kurzfristig was passieren wird.
Auf Landesebene fordern wir die Aufnahme der Fußfessel in das Polizeigesetz. Damit erhält die Polizei ein wirksames Mittel, um Täter zu überwachen und von den Frauen fernzuhalten. Es gab Anfang des Jahres eine Äußerung der Sozialministerin und auch der Innenministerin, dass eine Landesinitiative zur Aufnahme in die Polizeigesetzgebung erfolgen soll. Da haben wir bisher keinerlei Aktivitäten feststellen können.
Wie sieht es bei anderen Hilfsleistungen für betroffene Personen aus?
Joachim Brandt: Im Augenblick stellen wir fest, dass im Rahmen der Haushaltsplanung des Landes auch noch weitere Mittel, die Frauen, die Gewalttätigkeit erlebt haben, helfen könnten, ersatzlos gestrichen werden. Dabei geht es zum Beispiel um die psychosoziale Prozessbegleitung, die im Haushalt für 2025 mit keinerlei finanzieller Förderung auftaucht. Das ist alles andere als hilfreich und trifft eine Gruppe, die eh schon wehrlos ist. Der Betrag, der dort eingespart wird, ist im Hinblick auf die Höhe des Gesamthaushaltes nicht mal ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Insgesamt kann man sich nur ein Stückchen gesellschaftlichen Wandel wünschen, der einfach deutlich macht, dass Gewalt durch Partner absolut nicht geht und unglaubliches Leid verursachen.
Sie fordern also ein gesellschaftliches Umdenken. Was meinen Sie damit?
Joachim Brandt: Wenn man sich die Situation gesamtgesellschaftlich anguckt, ist es nach wie vor so, dass Frauen erhebliche Nachteile gegenüber Männern haben. Das ist in vielen Bereichen unbestreitbar. Wir streiten uns über das Thema Gendern, aber wir haben nach wie vor ganz erhebliche Probleme im Bereich Gleichberechtigung, bei Bezahlung und ähnlichen Dingen. Und wir haben - wenn wir uns unsere Statistik anschauen - beim Thema häusliche Gewalt einen deutlichen Nachteil bei Frauen.
Es gibt auch häusliche Gewalt gegen Männer. Die Zahl macht in etwa 20 Prozent der Fälle aus. Aber 80 Prozent sind nach wie vor Frauen, die häusliche Gewalt erleben. Das ist kein Einzelproblem, sondern ein gesellschaftliches Problem, wo sich unsere Gesellschaft nachhaltig Gedanken machen muss.
Das Gespräch führte Sabine Alsleben.