Nach Hamas-Angriffen: Juden in SH "versuchen keine Angst zu haben"
Der Landesverband der jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein hat den Kontakt zur Polizei nach den Hamas-Angriffen auf Israel intensiviert. Bildungsministerin Prien verfasste ein Schreiben an die Schulen.
Nach den Angriffen der Hamas auf Israel ist das Entsetzen in Schleswig-Holstein weiter groß. Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinden im Land fragten sich, wie hoch die Bedrohungslage in Deutschland ist, sagte der Antisemitismusbeauftragte des Landesverbands der jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein, Joshua Pannbacker: "Wir versuchen keine Angst zu haben, damit die Terroristen nicht gewonnen haben." Die jüdischen Gemeinden stünden im engen Kontakt mit der Polizei und den Sicherheitsbehörden, so Pannbacker.
Landesrabbiner: "Auch hier könnte eine Gefahr sein"
"Leider haben wir gesehen: Einige Menschen haben den terroristischen Angriff gefeiert. Das zeigt uns: Auch hier könnte eine Gefahr für uns sein", sagte der Landesrabbiner der liberalen jüdischen Gemeinden, Isak Aasvestad. Antisemitismus sei bei einigen Palästinensern durchaus zu spüren.
Hintergrund für die Aussagen sind die Angriffe der islamistischen Hamas auf Israel mit Hunderten Toten und mehr als 100 verschleppten Menschen. Bei Gegenangriffen Israels wurden ebenfalls Hunderte Menschen getötet.
Mehr Schutz für jüdische Einrichtungen durch Polizei
Um jüdische Einrichtungen besser zu schützen, fährt die Polizei im Norden vermehrt Streifen. Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten seien entsprechend sensibilisiert worden, hatte Jana Reuter, Sprecherin des Innenministeriums von Schleswig-Holstein, der Deutschen Presse-Agentur bereits am Sonntag gesagt. Es gebe zwar keine Erkenntnisse, dass sich die Gefährdungslage in Schleswig-Holstein erhöht habe, so Reuter. Dennoch würden entsprechende Orte häufiger angefahren.
Für jüdisches Zentrum in Flensburg sind Streifen Normalität
Von der Polizei in Flensburg hieß es beispielsweise, man habe mit den Mitarbeitern des jüdischen Gemeindezentrums in der Friesischen Straße gesprochen und Maßnahmen angepasst - wobei an dem Zentrum ohnehin regelmäßig Streifen vorbeifahren. "Hier in Flensburg fühlen wir uns eigentlich relativ sicher", sagte Vorstandsmitglied Efraim Berger: "Dennoch ist die Sicherheit immer ein Thema für uns. Wenn wir religiöse oder andere Veranstaltungen hier im Gemeindezentrum abhalten, ist es ganz normal, dass die Polizei bei uns auf dem Hof steht."
Flensburg: Viele Mitglieder aus der Ukraine - und Familie in Israel
Die meisten der gut 80 Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Flensburg stammen zwar aus der ehemaligen Sowjetunion, vor allem aus der Ukraine. Doch fast alle haben Verwandte und Bekannte in Israel. "Wir stehen in telefonischem Kontakt mit unseren Angehörigen", sagte Berger: "Wir hören, dass sie viel Zeit in Bunkern verbringen, dass die Schule ausfällt, dass Urlaub abgebrochen wird und ziemlich viel Tumult und Unsicherheit herrscht."
Palästinensische Uni-Mitarbeiterin fühlt sich "zerrissen"
An der Europa-Universität in Flensburg gibt es ein palästinensisch-jüdisches Versöhnungsprojekt, an dem Zeina Burakad mitarbeitet. "Als ich den Überfall der Hamas im Fernsehen sah, wusste ich, dass es auch einen Angriff auf Gaza geben wird", sagte die Palästinenserin. "Auf beiden Seiten gibt es Todesopfer in vergleichbarer Zahl. Ich fühle mich zerrissen. Es ist mein Volk. Aber ich möchte, dass beide Seiten keinen Schaden erleiden."
Sie sorge sich um Freunde und Familie in der Heimat. Ihr Vater und ihre Brüder könnten jetzt jeden Moment getötet werden, fürchtet Burakad - wenn Israel bei Vergeltungsschlägen keine Rücksicht mehr auf die Zivilbevölkerung nehme.
Prien: Wer hier leben will, muss Existenzrecht Israels anerkennen
Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hatte am Sonntag angekündigt, die Nahostproblematik an den Schulen im Land stärker behandeln lassen zu wollen. Wer hier leben wolle, müsse das Existenzrecht Israels als deutsche Staatsräson anerkennen.
In einem Schreiben an die Schulen, das NDR Schleswig-Holstein vorliegt, erklärte Prien am Montag, dass Schulen in der aktuellen Situation besonders gefordert seien: "Schülerinnen und Schüler haben Fragen und sind auch vielleicht schon durch soziale Medien Fake-News und Propaganda ausgesetzt gewesen."
Bildungsministerin warnt vor Israel-Hass an Schulen
Direkt an die Lehrerinnen und Lehrer gerichtet, schrieb die Bildungsministerin: "Manche von Ihnen werden Schülerinnen und Schüler in ihren Klassen haben, die durch ihr Elternhaus und ihre Sozialisation mit Israel-Hass aufgewachsen sind." Nicht nur das Schulgesetz erfordere, auf diese Situation zu reagieren, "sondern vor allem unsere Empathie, unsere Menschlichkeit und unser gemeinsames Werteverständnis".
Neben Informationsmaterialien bietet das Bildungsministerium Lehrerinnen und Lehrern am Mittwoch ein einstündiges, digitales Seminar an, in dem über didaktische Perspektiven auf den Nahostkonflikt und die Thematisierung in der aktuellen Situation gesprochen werden soll.
Israel-Flagge an öffentlichen Gebäuden in SH
Als Zeichen der Solidarität mit Israel soll bis Sonntag die Flagge Israels auf öffentlichen Gebäuden wehen. Das hat das Innenministerium am Dienstag angeordnet. Außerdem wird der Schleswig-Holsteinische Landtag am Mittwoch der Opfer gedenken. In einer aktuelle Stunde unter dem Titel "Solidarität mit Israel - Dem Terror der Hamas entschieden Einhalt gebieten" wollen die Abgeordneten im Anschluss über die Lage debattieren.