Nach Banküberfall in Norderstedt: War der Tresorraum sicher?
Hatte die Hamburger Sparkasse ihre Filiale in Norderstedt ausreichend gut gegen einen Bankraub abgesichert? Diese Frage beschäftigt derzeit das OLG Hamburg. Geschädigte hatten gegen die Bank geklagt. Ein Gutachter soll Klarheit bringen.
Einen zweistelligen Millionenbetrag - so viel konnten Bankräuber bei dem spektakulären Überfall im August 2021 in einer Norderstedter Sparkassenfiliale erbeuten. Die Täter sind bis heute auf der Flucht. Einen Prozess gibt es aber dennoch: Etwa ein Dutzend Geschädigte gegen die Bank. Denn die sagen: Der Tresorraum war nicht sicher genug. Bekommen sie Recht, müsste die Sparkasse für ihren kompletten Einlagenverlust haften. Bislang hatten die Geschädigten 40.000 Euro erhalten - zu wenig sagen sie. Die Bank beruft sich auf eine in den Geschäftsbedingungen festgeschriebene Haftungsgrenze.
Gutachter vor Ort in Haspa-Filiale in Norderstedt
Ob die Geschädigten Recht bekommen, hängt nun maßgeblich von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen ab, der am Montag extra nach Norderstedt gereist war. Das Ziel: Sich einen Überblick über die baulichen Begebenheiten in der Norderstedter Bankfiliale zu machen. Im Vorfeld hatte der Gutachter aus dem Rheinland bereits eine detaillierte Beschreibung über die baulichen Veränderungen seit dem Überfall bei der Sparkasse angefordert. Die Begutachtung selbst fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Auch das Ergebnis des etwa 80-minütigen Termins ist nicht bekannt. Klar ist: Sagt er, die Sparkasse habe fahrlässig gehandelt, könnte das Oberlandesgericht Hamburg der Klage stattgeben.
Kläger haben bereits schon mal vor Gericht gewonnen
So wie das schon zwei Kammern des Landgerichts Hamburg getan haben. Die kamen zu dem Schluss, dass die Sicherungsmaßnahmen der Hamburger Sparkasse "unzureichend" waren. Die ging daraufhin in Revision. Opferanwalt Jürgen Hennemann ließ im Vorfeld des heutigen Termins keinen Zweifel am Ausgang: "Mir fehlt jegliche Fantasie, warum das Oberlandesgericht im Ergebnis die fundierten und begründeten Urteile aufheben sollte. Das sicherheitstechnische Versagen der Haspa war dermaßen krass."
Mit einem Kernbohrer Zugang zum Tresorraum verschafft
Die Täter hatten sich im August 2021 mit einem Kernbohrer - aus der Etage über der Bank - Zugang zum Tresorraum verschafft. Dort brachen sie rund 650 Schließfächer auf. Hennemann sprach schon damals von einem "sicherheitstechnischen Totalversagen". Heute sagte er: "Man wollte seitens der Haspa der Welt erzählen, dass ein aus der Zeit gefallener einzelner Bewegungsmelder ohne jede Videotechnik, ohne jede Sensortechnik, ohne Aufschaltung auf Sicherheitszentralen ausreichen soll, um etwa 70 Millionen an Wertgegenständen zu sichern. Das ist so abenteuerlich."
Thomas Schikorra, Anwalt der Hamburger Sparkasse, reagiert darauf so: "Nach unserer festen Überzeugung ist der Haspa keine Verletzung ihrer Pflicht vorzuweisen. Aus unserer Sicht war das eher ein Routinetermin. Einen Vor-Ort-Termin haben wir schon in den ersten Schriftsätzen beantragt. Weil das wichtig ist, um beurteilen zu können, ob mit diesem Angriff zu rechnen war."
Vorwurf einer Verzögerungstaktik
Mit einem Prozessende vor Jahresende rechnet keiner der Beteiligten mehr. Das bedeutet: Mit Ablauf des Kalenderjahres setzt auch die Verjährung ein. Hunderte Geschädigte könnten dann nicht mehr klagen. Für Jürgen Hennemann eine klare Taktik der Haspa: "Vom ersten Tag war das strategische Ziel, das rettende Ufer der Verjährung zu erreichen. Mit der Folge, dass all die, die zögerlich waren, halt eben leer ausgehen."
Ein erster Ortstermin war bereits für September angesetzt. Den hatte die Sparkasse platzen lassen: "Der erste Termin war für uns nicht darstellbar", so Thomas Schikorra, "wir haben aber direkt ein anderes Zeitfenster angeboten. Und das hätte dann eine Verschiebung von maximal zwei bis drei Wochen bedeutet. Das ist wegen der anderen dann nicht zu Stande gekommen. Es ist an den Haaren herbeigezogen, der Sparkasse eine Verzögerungstaktik vorzuwerfen."
Ende des Prozesses noch nicht in Sicht
Der nächste Prozesstermin steht noch nicht fest. Wann das Gutachten fertig ist, auch nicht. Jürgen Hennemann hofft: "Dass der Sachverständige so schnell wie möglich sein Gutachten erstellen wird. Dass diese leidige Angelegenheit ein Ende findet." Dieser Aussage können sich sicherlich beide Seiten anschließen.