Opfer von Haspa-Einbruch: "Dreißig Jahre dafür geschuftet"
Beim Prozessauftakt nach einem Bankraub in Norderstedt werfen die Kläger der Bank gravierende Sicherheitsmängel vor. Sie fordern vollen Schadenersatz. Die Sparkasse lehnt das bislang ab.
Am 3. Mai 2021 hat der Rentner Manfred Troyke einen Termin bei der Sparkasse in Norderstedt (Kreis Segeberg). Er will Geld in einem Schließfach deponieren, das er kurz zuvor angemietet hat: 150.000 Euro. "Dreißig Jahre habe ich dafür geschuftet", sagt er. Troyke geht mit zwei Bankangestellten in den Tresorraum der Sparkassenfiliale. Sie zählen die Scheine. "Das waren alles 200er, viele davon eingeschweißt", erinnert er sich. Dann schließen sie das Geld ein.
Einbrecher bohren Loch in die Decke des Tresorraums
Auf dem Girokonto wollte er sein Vermögen nicht liegen lassen, da hätte er Strafzinsen zahlen müssen. Er sagt, ein Mitarbeiter der Sparkasse habe ihm daraufhin geraten, ein Schließfach zu mieten. Das sei sicherer, als das Geld zu Hause zu lagern.
Drei Monate später dringen Einbrecher in die Norderstedter Bankfiliale ein. Sie bohren mit einem schweren Kernbohrer ein 45 Zentimeter großes Loch in die Decke des Tresorraums. Dann brechen sie mehr als 600 Schließfächer auf, rauben Gold, Schmuck, Bargeld, Dokumente. Auch Manfred Troykes Tresor wird geplündert.
11 Millionen Euro Schaden - oder doch 80 Millionen?
Der Einbruch in die Haspa-Filiale in Norderstedt ist einer der spektakulärsten der vergangenen Jahre. Die Täter sind bis heute nicht gefasst. Wie viel sie insgesamt erbeutet haben, ist unklar. Die Sparkasse spricht von elf Millionen Euro, ein Anwalt der Geschädigten von 60 bis 80 Millionen Euro.
Jetzt sitzt Manfred Troyke im Sitzungssaal B018 des Landgerichts Hamburg und erzählt seine Geschichte. Gemeinsam mit zwei weiteren Geschädigten hat er die Bank verklagt. Sie wollen, dass die Sparkasse ihnen den kompletten Betrag zurückerstattet, den sie durch den Einbruch verloren haben.
Sparkasse will nur 40.000 Euro zahlen
Neben Manfred Troyke ist da Peter Kuhl (Name geändert), ein pensionierter Lehrer aus Kaltenkirchen. 140.000 Euro habe er in seinem Schließfach gelagert, sagt er. Oder Wolfgang Behrens (Name geändert), Apotheker aus Reinbek. Ihm raubten die Einbrecher neben Bargeld in Höhe von 25.000 Euro auch Goldbarren und Goldmünzen, erzählt er.
Vor Gericht geht es nun um die Frage, wie viel Schadenersatz die Opfer von der Bank fordern können. Die Sparkasse bietet ihnen maximal 40.000 Euro je Schließfach an und beruft sich dabei auf eine in den Geschäftsbedingungen festgeschriebene Haftungsgrenze. Die Kläger argumentieren, diese Begrenzung sei unzulässig, weil die Bank die Schließfächer nicht ausreichend gesichert habe.
Opferanwalt: Einbrecher hätten unbemerkt eine Party feiern können
"Das, was sie hier verbaut haben, ist primitivste Sicherheitstechnik", sagt der Klägeranwalt Jürgen Hennemann. Der Bewegungsmelder habe beim Einbruch nicht ausgelöst. Es habe keine Videoüberwachung in dem Raum gegeben und keine Vibrationssensoren, die den Bohrer der Einbrecher hätten erkennen können.
Dabei hätte die Sparkasse nach einem ähnlichen Einbruchsversuch zuvor in einer anderen Filiale in Hamburg Anlass genug gehabt, ihr Sicherheitssystem aufzurüsten, sagt der Anwalt. "Exakt die gleichen Schwachpunkte haben sich hier offenbart. Die Einbrecher hätten im Tresorraum auch eine Party feiern können und niemand hätte etwas mitbekommen."
Sparkasse: Sicherheitssystem auf aktuellem Stand der Technik
Vor Gericht halten die Verteidiger der Bank dagegen. Die Sicherheitssysteme seien "auf dem aktuellen Stand der Technik gewesen", sagt Anwalt Thomas Schikorra. "Es ist alles Mögliche getan worden, um den Tätern den Zugang zum Tresorraum zu erschweren. Dieser konkrete Angriff war für die Haspa nicht vorhersehbar."
Dabei stehen die Chancen für die Sparkasse, vor Gericht mit ihrer Argumentation zu bestehen, offenbar nicht gut. Die Kammer hatte vorab in einer Erklärung mitgeteilt, sie halte die Sicherungsmaßnahmen im Tresorraum für unzureichend. Insbesondere die Frage nach dem Bewegungsmelder treibt die Richter um: Wie sich nach dem Einbruch herausgestellt hatte, war er mit einem Aufkleber abgeklebt worden - mutmaßlich von den Einbrechern während der normalen Öffnungszeiten.
Gericht sieht Anhaltspunkte für Pflichtverletzung
"Wir können nicht nachvollziehen, dass das nicht aufgefallen ist", sagt der Vorsitzende Richter. Das sei für die Kammer "ein Anhaltspunkt für eine objektive Pflichtverletzung".
Nach dem ersten Prozesstag ist der Norderstedter Rentner Manfred Troyke optimistisch. "Ich hoffe, dass ich das gesamte Geld zurückbekomme. Die Haspa will dafür nicht geradestehen. Dabei haben die das doch verbockt." Das Urteil soll am 14. Juni fallen.